Kyrill und Method

Heiliger Kyrill und Methodius, russische Ikone aus dem 19. Jh. Künstler unbekannt. (Bild: invaluable.com)

 

In einer Zeit erbitterter Feindschaft in der Slavia ist es von besonderer Bedeutung, auf das Wirken der Slawenapostel Konstantin (mit dem Mönchsnamen Kyrill, ca. 826/827–869) und Method (ca. 815–885) aufmerksam zu machen, das einst die Einheit slawischer Christen in den Mittelpunkt stellte. Die Mission der Mönchsbrüder Kyrill und Method war von weltgeschichtlicher Bedeutung. Der grossmährische Fürst Rastislav wandte sich 862 an den byzantinischen Kaiser Michael III. und bat ihn um die Entsendung Slawisch sprechender Missionare in sein Land, um sich gegen den immer stärker werdenden politischen und kirchlichen Einfluss Bayerns in seinem Herrschaftsbereich wehren. Zugleich ging es ihm um die Erhebung der slawischen Volkssprache zur Liturgiesprache und deren Emanzipation gegenüber der Ausschliesslichkeit der damaligen Liturgiesprachen Griechisch, Latein und Hebräisch. Die Brüder aus Thessaloniki, Methodios und sein Bruder Konstantinos, später Kyrillos, beide hochgebildete Persönlichkeiten, die über slawische Sprachkenntnisse verfügten, waren ideale Kandidaten für die mährische Mission. Nach ihrer Ankunft in Mähren, 863, begannen sie mit der Unterweisung des einheimischen Klerus im Lesen und Verstehen der übersetzten liturgischen Texte. Sie führten den Gottesdienst in slawischer Sprache ein – ein Missionsgedanke, der seiner Zeit um Jahrhunderte voraus war.

Als Begründer des slawischen Schrifttums und eines aufgeklärten christlichen Bildungsideals, das den Slawen christlichen Bekenntnisses die Glaubensausübung und die Kenntnis des christlichen Schrifttums in ihrer eigenen Sprache ermöglichte, werden Kyrill und Method in der Ost- und Westkirche entsprechend als Heilige verehrt. Ihre Mission war eine christliche, doch ging sie weit darüber hinaus. Ihre Ehrentitel «Lehrer und Apostel der Slawen», «Patrone Europas» verweisen auf nur einige Seiten ihres Bedeutungsspektrums, zu denen zahlreiche andere hinzukommen.

Kyrill und Method waren Vorläufer der ökumenischen Bewegung in Europa. Die unterschiedlichen Gottesdienste und die Verschiedenheit der Frömmigkeitsformen einerseits, aber auch die sprachliche Vielfalt andererseits stellten für sie kein Hindernis dar. Sie sahen darin keinen Grund zur Spaltung, sondern eine Bereicherung. Dass sie die christliche Botschaft für slawische Ohren verständlich machten, dass sie das Slawische als Liturgiesprache einführten, dabei jedoch den lateinischen Ritus verwandten, begründete nicht zuletzt die spätere Bindung von Nationen wie Böhmen, Mähren oder der Slowakei an Rom. Die heutigen slawischen Sprachen, Schriften und Kulturen sind zwar nicht das unmittelbare Werk der beiden Slawenapostel, doch sind sie ohne sie völlig undenkbar. Es ist der Verdienst der von Kyrill und Method ausgebildeten Schüler, dass sich das kyrillomethodianische Werk durchsetzen und ausbreiten konnte.

Bedauerlich ist lediglich die bei nahezu allen Ethnien in der Slavia bis heute wirksame Vereinnahmung von Kyrill und Method in Bezug auf Herkunft, Wirken und Werk, verbunden mit einem Anspruch auf Ausschliesslichkeit.

Gabriella Schubert*

 

* Prof. Dr. Gabriella Schubert (Jg. 1943) studierte Slawistik und Balkanologie in Berlin. Von 1995 bis 2010 hatte sie die Professur für Südslawistik an der Universität in Jena inne. Sie ist schriftführende Herausgeberin der Zeitschrift für Balkanologie.

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Editorial

Hoffnung in Krisenzeiten

Elisabeth Lukas schreibt im gemeinsam mit Alexander Batthyány verfassten Buch «Die Welt ist nicht heil, aber heilbar», dass sich sinnvolle Aufgaben in Notstandsepochen deutlicher abzeichnen als in Wohlstandsepochen. «Für geistbegabte Wesen wie uns sind unangenehme Herausforderungen nahrhafter als angenehmer Stillstand.» So wohltuend es ist, wenn es im Leben rundläuft, so viel lehrreicher sind Krisenzeiten und Herausforderungen. Das nehme ich in meinem eigenen Leben wahr. Lukas beobachtet, dass nach einer Phase des Jammerns über die Verluste und der Schockstarre über die desaströsen Entwicklungen sich bei vielen Betroffenen die Fähigkeit ausbildet, den Krisen und Katastrophen die Stirn zu bieten und kreativ auf die Herausforderungen zu antworten. Ihre Beobachtungen geben mir Hoffnung. Hoffnung, dass die politischen, gesellschaftlichen und auch kirchlichen Krisen uns aufrütteln und wir nicht in einen Fatalismus oder eine Lethargie verfallen. Dass die Krisen uns helfen, den Blick auf die Werte zu richten, die es zu bewahren und zu fördern gilt. Dass die Krisen der Kirche neu unseren Blick auf ihr Fundament lenken: das Geschenk der Erlösung durch Jesus Christus und durch ihn die Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Wie bewahren und pflegen wir dieses Geschenk und geben es weiter? Lukas schreibt: «Wer Liebe erfahren hat, muss kein Liebender sein. Aber wer Liebe austeilt, der ist ein Liebender.»

Maria Hässig