Der Gedanke zur Gründung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) wurde zuerst – man möchte fast sagen, gut schweizerisch – nicht von Geistlichen, sondern von Laien aufgebracht, nämlich 1843 vom Luzerner Ratsherrn Josef Leu von Ebersol, der das Gedankengut von Niklaus Wolf von Rippertschwand weitertrug, und vom Luzerner Schultheissen Rudolf Rüttimann. Die Schweizer Bischöfe nahmen in diesen kirchenpolitisch sehr schwierigen Jahren diesen Gedanken noch nicht auf. Es war schliesslich dem 1848 inhaftierten und erst 1856 nach Freiburg i. Ü. zurückgekehrten Bischof Etienne Marilley und dem Bündner Generalvikar Theodosius Florentini zu verdanken, dass Anfang Dezember 1861 die Generalvikare der Schweizer Bistümer sich zu einer vorbereitenden Sitzung trafen und 1862 die Schweizer Bischöfe einen ersten gemeinsamen Hirtenbrief veröffentlichten.
Gründung in Solothurn
Am 1. Dezember 1863, am Tag der Bischofsweihe des neuen Basler Bischofs Eugène Lachat – dieser wurde 1873 in den Kulturkampfwirren von seinem Bischofssitz in Solothurn verjagt – versammelten sich die Schweizer Bischöfe zur Gründung ihrer Konferenz in Solothurn. Ziel der Schweizer Bischofskonferenz war eine Vereinheitlichung in der Führung der einzelnen Bistümer und in der kirchlichen Disziplin, dann wollte die Bischofskonferenz auch einen Beitrag zum Wohle der Religion leisten und Antworten auf die Bedürfnisse der Zeit liefern, und zwar durch den Einsatz für den katholischen Glauben und die katholische Disziplin.
Die Entwicklung der SBK
Dass die vor 150 Jahren gegründete Schweizer Bischofskonferenz die älteste der Welt sei, wie schon behauptet, ist etwas zu hoch gegriffen. Denn die belgischen Bischöfe traten bereits 1830 zu einer Konferenz zusammen, deutsche Bischöfe 1848 ausserdem in Köln. Die Schweizer Bischofskonferenz darf aber für sich in Anspruch nehmen, gleich vom Anfang an bis heute regelmässig zusammenzutreten. Bis 1952 war eine jährliche eintägige Sitzung üblich. 1863 bis 1875 wirkte der Walliser Pierre François de Preux, der amtsälteste Bischof, als Dekan der Bischofskonferenz, in den drei darauffolgenden Jahren der bereits erwähnte Lausanner Bischof Etienne Marilley (erst 1924 wurde das Bistum Lausanne zu Bistum Lausanne, Genf und Freiburg umbenannt). Ab 1880 bis heute steht der Schweizer Bischofskonferenz ein Präsident vor. 1880 war dies der profilierte Bischof Karl Johann Greith, 2013 ist es mit Markus Büchel wiederum ein St. Galler Bischof. Als Präsidenten wirkten in der Zwischenzeit die Bischöfe aus der ganzen Schweiz, und zwar bis 1965 mit zum Teil langen Amtszeiten. 1876 sowie 1881 bis 1915 tagte die Bischofskonferenz meistens im Kolleg Maria Hilf in Schwyz. Von 1926 bis 1965 war das Kloster Einsiedeln der bevorzugte Sitzungsort.
Für die ersten Jahrzehnte standen Fragen aus dem im 19. Jahrhundert extrem belasteten Spannungsfeld Kirche–Staat im Vordergrund. Anfänglich war die Medienarbeit der Schweizer Bischofskonferenz sehr bescheiden. Eine erste Pressemeldung erschien erst 1866 in der «Schweizerischen Kirchenzeitung». 1948 bis 2010 veröffentlichen die Schweizer Bischöfe jeweils am Bettag einen gemeinsamen Hirtenbrief. Seit zwei Jahren erscheint nun ein Wort zum 1. August zu aktuellen Themen.
Das Zweite Vatikanische Konzil
Die Gründung von Bischofskonferenzen nationalen Zuschnitts war im 19. Jahrhunderts nicht vorgesehen, denn Rom fürchtete sich vor der Bildung von Nationalkirchen. Das war auch der Grund, dass in der Schweiz keine Kirchenprovinz errichtet wurde; bis heute ist jedes Schweizer Bistum direkt dem Papst unterstellt – eine aussergewöhnliche, ja anormale Situation. Erst das Zweite Vatikanische Konzil brachte wichtige Änderungen. Die Liturgiekonstitution sah erstmals vor, dass in gewissen Fragen die Bischofskonferenz entscheiden kann. Das Dekret «Christus Dominus» legte schliesslich in Artikel 38 fest: «Die Bischofskonferenz ist gleichsam ein Zusammenschluss, in dem die Bischöfe eines bestimmten Landes oder Gebietes ihren Hirtendienst gemeinsam ausüben, um das höhere Gut, das die Kirche den Menschen bietet, zu fördern, besonders durch Formen und Methoden des Apostolats, die auf die gegebenen Zeitumstände in geeigneter Weise abgestimmt sind.» Damit erhielt auch die Schweizer Bischofskonferenz eine andere Stellung, sie wurde von der «Tagsatzung» schweizerischer Prägung zu einem Organ mit eigenen Kompetenzen. Dies hatte mehrere Konsequenzen: 1967 wandelte sich die Schweizer Bischofskonferenz im weltlichen Recht von einer einfachen Gesellschaft in einen Verein um. 1966 nahm mit dem Walliser Priester Paul Werlen der erste vollamtliche Sekretär der Bischofskonferenz seine Arbeit auf. 1974 wurde mit neuen Statuten das alte Protektoratssystem durch Arbeitsbereiche abgelöst und 1975 ein ständiges Sekretariat in Freiburg i. Ü. eingerichtet – der Gedanke, dieses Sekretariat nach Bern zu transferieren, wo eine grössere Nähe zur Politik, Medien und Gesellschaft gegeben wäre, wurde (noch?) nicht umgesetzt. 1983 schliesslich schrieb der neue «Codex iuris canonici», welcher der Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils dienen soll, in Kanon 447 die Bischofskonferenz für alle Länder vor: «Die Bischofskonferenz, als ständige Einrichtung, ist der Zusammenschluss der Bischöfe einer Nation oder eines bestimmten Gebietes, die gewisse pastorale Aufgaben für die Gläubigen ihres Gebietes nach Massgabe des Rechts gemeinsam ausüben, um das höhere Gut, das die Kirche den Menschen gewährt, zu fördern, besonders durch Formen und Methoden des Apostolates, die den zeitlichen und örtlichen Umständen in geeigneter Weise angepasst sind.» Zu ergänzen ist, dass das Konzil ein Schwergewicht auf die bischöfliche Kollegialität legte und die Verantwortung der Bischöfe über ihr Bistum hinaus für die Gesamtkirche betonte.
Und heute?
Vergleicht man die Organisation und das Wirken der SBK mit umliegenden Ländern, fällt sofort die geringe Dotierung des Sekretariats der SBK auf. Der Generalsekretär der SBK – seit 2010 erstmals ein Laie – kann sich auf acht Mitarbeitende abstützen, während das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 170 Mitarbeitende umfasst – auf die Katholikenzahl umgerechnet eine weit höhere Anzahl. Mit der Einführung von Arbeitsbereichen wurden 1974 zwar bischöfliche Kommissionen geschaffen – gegenwärtig sind es 19 Fachkommissionen, dazu vier ökumenisch ausgerichtete, gemischte Gesprächskommissionen. Ob diese Ressourcen aber genügend und zielgerichtet eingesetzt werden, ist eine andere Frage, obwohl auch für Bischöfe gilt, dass kein Mensch sich selbst genügt. In einer Zeit, wo wegen der grossen Mobilität für den Durchschnittskatholiken Bistumsgrenzen kaum mehr eine Rolle spielen, wäre eine starke und mit Fachkräften gut dotierte Bischofskonferenz kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um die Stimme der Kirche in der heutigen Gesellschaft besser und wirkungsvoller einsetzen zu können. Was sinnvollerweise gesamtschweizerisch oder zumindest sprachregional geregelt werden kann, sollte nicht auf Bistumsebene abgehandelt werden. Schert ein Bischof (unnötig) aus, wird die ganze Bischofskonferenz geschwächt.
Johannes XXIII. als Vorbild
Die Jubiläen 150 Jahre SBK und Inländische Mission und 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil sind nicht nur ein Anstoss, vertieft über die Zusammenarbeit von Laien und Klerus nachzudenken, sondern auch, kirchliche Institutionen zu stärken, die in einer Zeit der Entsolidarisierung nicht unterschätzt werden dürfen. In einer Kirche, wo das Wort «Gemeinschaft» in der Verkündigung sehr häufig auftaucht, ist es umso wichtiger, dass diese Gemeinschaft von uns auch gelebt wird – von den Bischöfen in der Bischofskonferenz in kollegialer Zusammenarbeit. Hier kann uns der selige Johannes XXIII., dessen Todestag wir am 3. Juni zum 50. Mal begehen, durch sein Lebens- und Glaubenszeugnis, mit seinem hoffnungsvollen Realismus, seinem Humor und mit seiner Bescheidenheit Vorbild und Anstoss sein.