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Mitteilung der der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und der Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens (KOVOS)

Zwischenstand der Massnahmen gegen sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz

Unabhängige Opferberatung seit Anfang Januar 2025 schweizweit in Kraft

Im Verlauf von 2025 setzt die römisch-katholische Kirche neue Kooperationen, Standards und Abläufe in Kraft, um sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung zu verhindern und Opfer überall in der Schweiz professionell zu unterstützen: Seit Anfang Jahr bieten die kirchlichen Meldestellen keine eigene Opferberatung mehr an, sondern verweisen konsequent an die kantonal anerkannten Opferberatungsstellen, wo Betroffene unabhängige Unterstützung und Beratung erhalten. Ein Leitfaden zur Führung von Personaldossiers und ein wissenschaftlich abgestütztes Assessment für angehende Seelsorgende schaffen im Personalmanagement Voraussetzungen, um Risiken zu minimieren. Sie werden im Lauf des Jahres eingeführt. Die nationale Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext verfügt seit Anfang Januar über mehr Ressourcen, um die Konkretisierung und Umsetzung des ganzen Massnahmenpakets voranzubringen.

Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und die Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens (KOVOS) erarbeiten auf nationaler Ebene eine Reihe von Massnahmen, mit denen die Aufarbeitung des Missbrauchs im kirchlichen Kontext fortgesetzt und institutionelle Mängel angegangen werden.

Schweizweit einheitliche und kirchenunabhängige Opferberatung in Kraft
Seit Anfang Januar 2025 ist die Opferberatung schweizweit von der Kirche unabhängig. Damit ist ein erster Meilenstein erreicht: In der ganzen Schweiz können sich Betroffene an die unabhängigen professionellen Beraterinnen und Berater der von den Kantonen anerkannten Opferberatungsstellen wenden. Die Beratungsstellen und ihre Angebote sind über www.opferhilfe-schweiz.ch erreichbar. Bis anhin hatten auch kirchliche Stellen diese Aufgabe übernommen, mit je nach Bistum unterschiedlichen Vorgehensweisen. Die Zusammenarbeit wurde zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) geregelt. Eine Fallpauschale von 1'500 Franken entschädigt die Stellen für Zusatzaufwand, der aufgrund der Komplexität der kirchlichen Strukturen und der Abklärungen mit verschiedenen kirchlichen Stellen entsteht.

Die Betroffenenorganisationen (IG-M!kU, SAPEC, GAVA) tragen die neuen Regelungen mit und auch die Anlaufstelle für verjährte Fälle in der Westschweiz CECAR nimmt sie zur Kenntnis. Sie werden eine zentrale Rolle bei der Bekanntmachung der neuen Zuständigkeiten und Abläufe spielen, da der Erstkontakt mit Betroffenen vielfach über sie erfolgt.

Nationale kirchliche Informationsstelle ist bereit
Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit den kantonal anerkannten Opferberatungsstellen war die Schaffung einer Informationsstelle seitens der Kirche, welche die unabhängigen Beraterinnen und Berater in sämtlichen kirchenspezifischen Fragen unterstützt. Sie nimmt die Anfragen der Opferberatungsstellen entgegen und beantwortet diese mit Unterstützung eines Pools von Fachpersonen, die mit kirchenrechtlichen Fragen sowie mit den Strukturen und Institutionen der katholischen Kirche in der Schweiz vertraut sind. Angelica Venzin ist als Ansprechperson der deutschen Schweiz tätig, für die lateinische Schweiz ist es Béatrice Vaucher. Der Aufbau des Pools an Fachpersonen ist in Gang.

Das Zusammenwirken der Opferberatungsstellen mit der kirchlichen Informationsstelle wird nach einer zweijährigen Pilotphase evaluiert.

Grundlagen für die Professionalisierung des Personalmanagements sind erarbeitet
In den letzten Monaten wurde mit dem für HR-Fragen spezialisierten Unternehmen von Rundstedt ein Leitfaden erarbeitet, der Standards zur Führung und Archivierung von Personaldossiers sowie der Weitergabe von Personalinformationen formuliert. Um die Praxistauglichkeit auf allen Ebenen sicherzustellen, werden nun Rückmeldungen bei Personalverantwortlichen eingeholt. Schulungsangebote zur Umsetzung des Leitfadens starten voraussichtlich Mitte 2025.

In Zusammenarbeit mit Prof. Jérôme Endrass, Leiter Forschung & Entwicklung beim Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich, und seinem Team wurde ein psychologisches Assessment (Abklärungsverfahren) ausgearbeitet. Dieses dient als Basis für ein sorgfältiges und schweizweit einheitliches Auswahlverfahren. Priesteramtskandidaten sowie angehende Seelsorger und Seelsorgerinnen werden dieses Assessment künftig standardmässig durchlaufen.

Die katholische Kirche hat dafür verbindliche Standards festgelegt. Grundlage bilden Basiskompetenzen, die für den Erwerb seelsorgerischer Fertigkeiten und eine erfolgreiche Berufsausübung erforderlich sind. Ziel des Assessments ist die Überprüfung dieser Kompetenzen sowie die Identifikation möglicher Risiken für Dritte. Die Bischofskonferenz hat der flächendeckenden Einführung und Umsetzung der Assessments ab Mitte 2025 zugestimmt. Dazu sind nun Fragen zu Organisation und Kommunikation zu klären.

Weitere Massnahmen sind in Arbeit (mehr dazu im nachstehenden Faktenblatt):

  • Im Herbst 2024 haben die zuständigen vatikanischen Stellen in Rom der Schaffung des nationalen kirchlichen Straf- und Disziplinargerichts zugestimmt. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Bischof Joseph Maria Bonnemain erarbeitet nun die rechtlichen Grundlagen. In dieser Arbeitsgruppe wirken neben kircheninternen Kirchenrechtsexperten auch Prof. Dr. Brigitte Tag (Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der Universität Zürich) und Pierre Cornu (Richter am Obergericht des Kantons Neuenburg) mit. Bereits in Gang ist auch die Suche nach dem künftigen Gerichtspersonal. Ziel des Gerichts ist, die Gefahr der Befangenheit zu reduzieren und die korrekte und schweizweit einheitliche Anwendung der kircheneigenen Richtlinien und Strafnormen im Umgang mit Missbrauchsfällen zu gewährleisten. Analog zum staatlichen Strafverfahren sollen im kirchlichen Strafverfahren die Schutz-, Informations- und Verfahrensrechte der Betroffenen definiert und garantiert werden. Dabei haben die zivilen schweizerischen Strafgesetze und das Einschalten der Strafverfolgungsbehörden weiterhin in jedem Fall Vorrang.
  • Seit Januar 2024 läuft die dreijährige historische Fortsetzungsstudie, welche die Kirche bei der Universität Zürich in Auftrag gegeben hat und mit 1,5 Mio. Franken finanziert. Die Resultate werden 2027 präsentiert.
  • Bereits 2023 haben sich die Bistümer und Landeskirchen sowie zahlreiche Ordensgemeinschaften verpflichtet, künftig keine Akten mehr zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen stehen.

Nationale Dienststelle neu mit Dreierteam für alle drei Sprachregionen

Im Juli 2024 hat die nationale Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext unter der Leitung von Stefan Loppacher ihre Arbeit aufgenommen. Seit Anfang Januar 2025 verstärken Annegret Schär und Mari Carmen Avila das Team. Mit 140 Stellenprozenten wird die Dienststelle im Auftrag der drei kirchlichen Institutionen die gemeinsam beschlossenen Massnahmen zur Verhinderung von Missbrauch und dessen Vertuschung bearbeiten und koordinieren.

Statements der drei kirchlichen Auftraggeberinnen
«Die Betroffenen von Missbrauch im kirchlichen Umfeld sowie die gesamte Gesellschaft sollen sich vergewissern können, dass die katholische Kirche in der Schweiz Machtmissbrauch bekämpft und griffige Präventionsmassnahmen umgesetzt hat. Den Worten und Versprechungen sind Taten gefolgt. Der Prozess der wirkungsvollen Verhinderung von Missbrauch jeglicher Art wird dennoch niemals beendet sein. Die Kirche, wie die gesamte Gesellschaft, muss sich dem Thema auf allen Ebenen und in jeder Form ihrer Auswüchse fortlaufend annehmen, um gemeinsam die nötigen präventiven Massnahmen auszuarbeiten und umzusetzen.» Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur und Themenverantwortlicher der SBK

«Gewisse erste Meilensteine wurden 2024 erreicht; die Intensität der Weiterarbeit an der Umsetzung dieser Massnahmen wird nicht abnehmen und uns noch lange beschäftigen. Wir wollen das gesamtschweizerische Umfeld mit unseren verschiedenen Sprachen, Kulturen, Erfahrungen und rechtlichen Strukturen nutzen, um, mit Einbezug der Betroffenenorganisationen, breitabgestützte Lösungen für unsere Kirche zu finden.» Roland Loos, Präsident der RKZ

«Die Ordensgemeinschaften – insbesondere die Männerorden, in deren Reihen sich erwiesenermassen bereits verstorbene oder noch lebende Täter finden – tragen nach wie vor eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern von sexuellem und anderen Formen von Missbrauch. Obwohl sich viele Ordensgemeinschaften in einer personell prekären Lage befinden, sind sie sich der Pflicht bewusst, die beschlossenen Massnahmen mitzutragen und sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten und in ihren Zuständigkeitsbereichen umzusetzen. Trotz ihres fragilen Zustandes wollen sie auf ihre ordensspezifische Weise den für die gesamte Kirche überfälligen Kulturwandel aktiv mitgestalten und voranbringen.» Pater Peter von Sury, Mariastein, Themenverantwortlicher der KOVOS


Faktenblatt zum Stand der Umsetzung der 2023 beschlossenen Massnahmen und weiteres Vorgehen

Im September 2023 haben die Schweizer Bischofskonferenz SBK, die Römisch-katholische Zentralkonferenz RKZ und die Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens KOVOS Massnahmen gegen sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung beschlossen. Damit werden bestehende Massnahmen ergänzt und weiterentwickelt. Weitere Massnahmen werden folgen müssen. Das vorliegende Papier gibt einen Einblick in die Arbeiten. Es handelt sich um einen Bericht aus einem laufenden Prozess.

Professionelle Opferberatung, Melde- und Fallbearbeitungsstrukturen
In den vergangenen 20 Jahren haben kirchliche Institutionen eigene Anlaufstellen für Betroffene von sexuellem Missbrauch geschaffen. In den Bistümern wurden Beratungs- und Meldestrukturen (Diözesane Fachgremien) etabliert. Wie der Schlussbericht zum Pilotprojekt der Universität Zürich zum Missbrauch im kirchlichen Kontext festhält und die Erfahrung Betroffener zeigt, erweisen sich diese in verschiedener Hinsicht als unzureichend. Zwar wird viel gute und engagierte Arbeit geleistet. Dennoch war und ist eine professionelle Begleitung von betroffenen Menschen nicht in der ganzen Schweiz gewährleistet. Zudem ist die Voraussetzung für eine unabhängige Beratung von Betroffenen nicht gegeben, weil diese Gremien bisher teilweise sehr kirchennah angesiedelt sind.

Aus fachlicher Sicht sind Opferberatung und Meldestrukturen organisatorisch und personell klar voneinander zu trennen. Betroffene sollen nicht in derselben Organisation beraten werden, in der sie Opfer von Machtmissbrauch und Gewalt wurden. Die Schweiz verfügt über ein Netz professioneller Opferberatungsstellen, die auf der Basis des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG vom 23. März 2007) mit staatlichem Auftrag tätig sind.

Zielsetzung und Lösungsansätze
– Oberstes Ziel ist die bestmögliche unabhängige Beratung und Unterstützung der Betroffenen.
– Opferberatung, Meldestellen und Fallbearbeitung (Intervention) werden entflochten.
– Die unabhängige Opferberatung erfolgt durch die kantonalen Opferberatungsstellen (Pfeiler 1).
– Damit die Opferberatungsstellen diese Aufgabe adäquat wahrnehmen können, schafft die Kirche eine nationale Informationsstelle. Diese unterstützt die Beraterinnen und Berater in kirchenspezifischen Fragen unentgeltlich (Pfeiler 2).
– Die bestehenden Melde- und Interventionsstrukturen in den Bistümern werden auf der Basis gemeinsamer Standards in diözesane Fallbearbeitungsstellen transformiert (Pfeiler 3).
– Die Beratung der Betroffenen und die Meldestrukturen bestehen in allen drei Sprachregionen nach einem national einheitlichen Modell.

Stand der Arbeiten
Zusammenarbeit mit den kantonalen Opferberatungsstellen (Pfeiler 1):
– In Zusammenarbeit mit kirchenexternen Fachleuten aus dem Bereich der Opferberatung wurde ein Konzept entwickelt. Dieses wird seit Anfang Januar 2025 umgesetzt.
– Die Modalitäten für die unabhängige Opferberatung wurden mit der Schweizerischen Opferhilfekonferenz (SVK-OHG) und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) geklärt.
– Der Zusatzaufwand, der bei den Opferberatungsstellen wegen der Komplexität der kirchlichen Strukturen und Zuständigkeitsfragen entsteht, wird mit einer Fallpauschale von CHF 1‘500 abgegolten.

Kirchliche Informationsstelle zur Unterstützung der Beraterinnen und Berater (Pfeiler 2):
– Die kirchliche Informationsstelle hat ihre Tätigkeit Anfang Januar 2025 aufgenommen. Für die deutschsprachige Schweiz ist Angelica Venzin, für die französisch- und die italienischsprachige Schweiz Béatrice Vaucher die Ansprechperson.
– Die Informationsstelle dient ausschliesslich der Unterstützung der Beraterinnen und Berater der kantonalen Opferberatungsstellen. Sie nimmt keine Missbrauchs-Meldungen entgegen und ist nicht für die Beratung von Gewaltbetroffenen zuständig.
– Die Informationsstelle behandelt sämtliche Anfragen vertraulich. Sie hat keine Auskunftspflicht gegenüber kirchlichen Stellen. Sichere Kommunikationswege und der Datenschutz sind gewährleistet.
– Ein multidisziplinärer und mehrsprachiger Pool von Fachpersonen, die mit kirchenrechtlichen Fragen sowie mit den Strukturen und Institutionen der katholischen Kirche in der Schweiz vertraut sind, ist im Aufbau. Er dient der Unterstützung der beiden Verantwortlichen mit Knowhow und Erfahrungswerten.

Weiteres Vorgehen und Herausforderungen
– Für die Weiterentwicklung und Professionalisierung der bestehenden kircheninternen Melde- und Fallbearbeitungsstrukturen werden mit externer Expertise zuerst einheitliche Standards für Meldestellen, interne Abklärungen und Fallbearbeitung definiert. Die Umsetzung wird als anspruchsvoll erachtet. Es ist von einem mehrjährigen Transformationsprozess auszugehen.
– Die Vorarbeiten haben im Herbst 2024 begonnen, die personelle Verstärkung der Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Kontext» seit Anfang 2025 ermöglicht es, den Ressourceneinsatz für dieses Vorhaben 2025 zu erhöhen.
– Zentral für die Umsetzung der Massnahmen ist eine konstruktive und auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtete Zusammenarbeit zwischen den Akteuren auf nationaler Ebene und in den Bistümern.
– Die veränderten Zuständigkeiten und Abläufe müssen verständlich kommuniziert werden. Eine wichtige Rolle kommt dabei den Betroffenenorganisationen in allen Sprachregionen zu (Interessengemeinschaft für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld IG-M!kU, Soutien aux personnes abusées dans une relation d’autorité religieuse Groupe SAPEC, Gruppo di ascolto per vittime di abusi in ambito religioso GAVA sowie die Anlaufstelle für verjährte Fälle in der Westschweiz – Commission Ecoute–Conciliation–Arbitrage–Réparation CECAR), da der Erstkontakt mit Betroffenen vielfach über sie erfolgt.

Assessment (Abklärungsverfahren für die Zulassung zum kirchlichen Dienst)

Ausgangslage
Im Rahmen der Ausbildung von Priestern und anderen Seelsorgenden finden schon heute psychologische Abklärungsgespräche statt. Die Umsetzung und der Umgang mit den Resultaten sind schweizweit nicht einheitlich geregelt. Nicht generell überprüft werden heute bereits Ausgebildete, die neu in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz arbeiten wollen, und weitere neu anzustellende kirchliche Mitarbeitende, die in sensiblen Bereichen mit Menschen arbeiten.
Zielsetzung und Lösungsansätze
– Sämtliche Priesteramtskandidaten und Personen, die eine Ausbildung als Seelsorgerin oder Seelsorger absolvieren oder in der Schweiz erstmals eine Stelle als Priester bzw. Seelsorgende antreten, werden in schweizweit einheitlichen Assessments auf ihre Eignung für den pastoralen Dienst hin geprüft.
– Dies trägt dazu bei, ihre psychologische Eignung für den pastoralen Dienst abzuklären, sowie bestimmte Risiken frühzeitig zu identifizieren und geeignete Vorkehrungen zu treffen.
– Zusammen mit kirchenexternen Spezialistinnen und Spezialisten werden Basiskompetenzen festgelegt, die für die Ausübung eines Seelsorgeberufs als grundlegend erachtet werden und ein Konzept für das Assessment entwickelt, das speziell auf diese Berufsgruppe zugeschnitten ist.

Stand der Arbeiten
– Fachpersonen aus dem Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich haben in Zusammenarbeit mit einer kircheninternen Arbeitsgruppe, in der auch die verschiedenen Sprachregionen vertreten waren, ein mehrstufiges Assessment entwickelt. Es besteht aus einer testpsychologischen Abklärung, einem kompetenzorientierten Gespräch sowie einer weiteren, vertieften psychologischen Abklärung. Mit diesen drei Bausteinen werden die für eine erfolgreiche Tätigkeit als Priester oder Seelsorgende erforderlichen Basiskompetenzen überprüft.
– Die Schweizer Bischofskonferenz hat einstimmig entschieden, das Assessment ab Sommer 2025 für ausgewählte Berufsgruppen auszubildender bzw. neu anzustellender Personen im kirchlichen Dienst einzuführen.

Weiteres Vorgehen und Herausforderungen
– Eine kircheninterne Arbeitsgruppe wurde beauftragt, für die schweizweite Umsetzung der Massnahme insbesondere folgende Fragen zu klären:
• Von welchen Personengruppen und nach welchen Kriterien wird für die Zulassung zu einer Ausbildung, für eine Anstellung oder Weiterbeschäftigung ein Assessment verlangt?
• Welche Institutionen und Fachpersonen werden mit der Durchführung beauftragt?
• Wie werden die Weitergabe von relevanten Informationen aus dem Assessment an Personalverantwortliche und Vorgesetzte sichergestellt und gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte jener gewahrt, die das Assessment durchlaufen haben?
• Was geschieht mit Personen in Ausbildungsgängen oder im kirchlichen Dienst, bei denen im Assessment Entwicklungsbedarf oder Risiken erkannt werden?
• Wer koordiniert und überprüft die Umsetzung der Massnahme und deren Wirksamkeit?
• Wie wird die Massnahme, die vorerst nur für angehende Seelsorgende verpflichtend ist, auf weitere kirchliche Mitarbeitende ausgedehnt?

Standards für Personaldossiers und Informationsaustausch

Ausgangslage
Der durch das Pilotprojekt der Universität Zürich belegte, in manchen Fällen grobfahrlässige Umgang mit Sexualstraftätern (Passivität, Versetzung und dergleichen) ist auch Ausdruck einer teils mangelhaften Professionalisierung des HR-Bereichs in den Bistümern, Landeskirchen und Ordensgemeinschaften. Notwendige Schritte wurden unterlassen, relevante Informationen nicht dokumentiert oder nicht weitergegeben. Es fehlt an einem institutionalisierten Informationsaustausch zwischen den diversen kirchlichen Anstellungsinstanzen. Eine professionelle Führung des Personals und der Personaldossiers ist aktuell nicht flächendeckend gewährleistet.

Zielsetzung und Lösungsansätze
– Personaldossiers dokumentieren in rechtskonformer Art alle Informationen, die für das Thema «sexueller Missbrauch/Grenzverletzungen» relevant sind.
– Die zuständigen Instanzen seitens der Bistümer, kantonalkirchlichen Organisationen, Kirchgemeinden und Ordensgemeinschaften stellen sicher, dass sie bei der Personalauswahl, bei Stellenwechseln und Anstellungen die für sie relevanten Informationen erhalten bzw. weitergeben.
– Die Massnahme trägt zur Professionalisierung im HR-Bereich der kirchlichen Akteure aller Ebenen bei.

Stand der Arbeiten
– Das auf HR-Fragen spezialisierte Unternehmen von Rundstedt hat einen Leitfaden entwickelt, der Standards zur Führung und Archivierung von Personaldossiers sowie die Weitergabe von Informationen formuliert.
Weiteres Vorgehen und Herausforderungen
– Um die Praxistauglichkeit sicherzustellen, werden nun Rückmeldungen bei Personalverantwortlichen eingeholt.
– Nach der Genehmigung des Leitfadens durch die Auftraggeberinnen wird dieser bekanntgemacht und eingeführt.
– In der Startphase wird die Firma von Rundstedt Webinare für die zuständigen Personen in kantonalkirchlichen Organisationen, Bistumsleitungen und Ordensgemeinschaften anbieten. Diese sind anschliessend aufgefordert, den Standard im Rahmen ihrer Möglichkeiten in ihre Vorgaben für die Kirchgemeinden und Pfarreien einzubauen und Schulungen für die Personalverantwortlichen anzubieten.

– Zu klären:
• Wie werden angesichts der Autonomie der Diözesen und der staatskirchenrechtlichen Körperschaften einheitliche Standards möglichst verbindlich umgesetzt?
• Wie wird der Informationsaustausch angesichts komplexer Berufsbiographien und hoher Mobilität über Kantons-, Bistums- und Landesgrenzen sowie der Vielfalt der Akteure (Bistümer, Ordensgemeinschaften, staatskirchenrechtliche Körperschaften, andere Anstellungsträger) durchgängig und wirksam sichergestellt?

Umgang mit Missbrauchsakten (Selbstverpflichtung)

Ausgangslage
Wie das Pilotprojekt der Universität Zürich zeigt, wurden in der Vergangenheit in Anwendung der kirchenrechtlichen Vorgaben und teilweise auch weit darüber hinaus systematisch Missbrauchsakten vernichtet. Im Rahmen der historischen Forschungsprojekte (Pilotprojekt 2022/23 und Folgeprojekt 2024–26) erhalten die Forschenden erstmals in der Schweiz vollen Zugang zu solchen Akten. Die Gewährung von Aktenzugang aufgrund berechtigter Anfragen, beispielsweise von Betroffenen oder zu weiteren Forschungszwecken, ist hingegen noch nicht geregelt.
Zielsetzung und Lösungsansätze
– In einer schriftlichen Selbstverpflichtung erklären alle kirchlichen Verantwortlichen an der Spitze von Bistümern, Landeskirchen und Ordensgemeinschaften, keine Akten mehr zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen stehen oder den Umgang damit dokumentieren, soweit nicht Datenschutzgesetze deren Vernichtung vorschreiben. Das bedeutet auch, dass die kirchenrechtliche Vorschrift, regelmässig Akten aus Archiven und Geheimarchiven zu vernichten (can. 489 § 2 CIC), für solche Akten nicht mehr angewendet wird.
– Die Aufbewahrung von Akten und der Verzicht auf Aktenvernichtung dient sowohl der Dokumentation einzelner Fälle als auch der grundlegenden Aufarbeitung und der Forschung.
– Es werden schweizweit Regelungen für die Gewährung von Einsicht in Archivakten für Betroffene und den Zugang zu den Archiven zu Forschungszwecken entwickelt.

Stand der Arbeiten
– Die Selbstverpflichtung aller Bistümer und kantonalkirchlicher Körperschaften liegt vor. Auch über dreissig Ordensgemeinschaften haben sie unterzeichnet.
– Der Text der Selbstverpflichtung ist einsehbar auf der Projektwebseite.

Weiteres Vorgehen
– Im Laufe von 2025 wird ein Schweizer Musterreglement entwickelt, das anschliessend von den Bistümern, Kantonalkirchen und Ordensgemeinschaften in jeweils eigenen Prozessen zu adaptieren ist.

Kirchliches Straf- und Disziplinargericht

Ausgangslage
Die römisch-katholische Kirche verfügt seit über 1000 Jahren über ein eigenes Rechtssystem, das stark vom römischen Recht geprägt und eng mit der europäischen Rechtsgeschichte verwoben ist. Die oberste richtende Gewalt liegt in jedem Bistum beim Bischof. Es gibt keine Gewaltentrennung. Jedes Bistum verfügt in der Regel über ein eigenes Kirchliches Gericht, das sich hauptsächlich mit Ehenichtigkeitsverfahren und mit Strafverfahren gegen kirchliche Angestellte beschäftigt. Bei einer Meldung an die Kirche entscheidet der Bischof, ob eine Untersuchung eröffnet und ob Anklage erhoben wird. Das Gericht trifft seine Entscheidungen anschliessend autonom vom Bischof. Doch Interessenkonflikte zwischen kirchlichem Gerichtspersonal und dem Bischof als Auftrags- und Arbeitgeber können unabhängige Ermittlungen und die Urteilsfindung erschweren. Hinzu kommt, dass seit langem ein erheblicher Fachkräftemangel besteht. Kontrollinstanz für die Gerichtstätigkeit ist das Höchste Gericht der Apostolischen Signatur in Rom.
Bei allen Fällen von Missbrauch oder anderen Straftaten im kirchlichen Umfeld haben die zivilen schweizerischen Strafgesetze Vorrang und es müssen die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet werden. Die Gerichte der Bistümer befassen sich ergänzend dazu mit Verstössen gegen das Kirchenrecht.

Zielsetzung und Lösungsansätze
– Es wird ein nationales kirchliches Strafgericht geschaffen, bei dem Experten und Expertinnen im kirchlichen Straf- und Prozessrecht wirken, die ausreichende Praxis und Erfahrung in diesem Bereich besitzen. Dadurch wird eine einheitliche Rechtsprechung in allen Bistümern der Schweiz erreicht.
– Ermittlungen und Verfahren werden von dieser zentralen Stelle koordiniert, professionell durchgeführt und genügen rechtsstaatlichen Standards.
– Das nationale Gericht ersetzt im Bereich der Straf- und Disziplinarverfahren die Gerichte der Bistümer.
– Das nationale Strafgericht setzt sich nicht nur aus Priestern zusammen. Es wirken auch kirchenrechtlich kompetente Frauen und Männer im Richterkollegium mit. Zudem werden weitere Fachpersonen aus Psychologie und Rechtswissenschaft eingebunden.
– Analog zum staatlichen Strafverfahren sind im kirchlichen Strafverfahren die Schutz-, Informations- und Verfahrensrechte der Betroffenen definiert und garantiert.

Stand der Arbeiten
– Die für die Entwicklung eines solchen Gerichtes erforderliche Zustimmung der Apostolischen Signatur in Rom (Oberster Gerichtshof und kirchliches Justizministerium) wurde von der Schweizer Bischofskonferenz eingeholt und liegt seit Oktober 2024 vor.
– Die Rechtsgrundlage für das Gericht wird zur Zeit von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Bischof Joseph Maria Bonnemain erstellt. Dieser Arbeitsgruppe gehören Dr. Stefan Müller (Rechtsanwalt und langjähriger Präsident der katholischen Landeskirche des Kantons Glarus), Prof. Dr. Brigitte Tag (Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der Universität Zürich) und Pierre Cornu (Richter am Obergericht des Kantons Neuenburg), lic. iur. can. Urs Brosi (Kirchenrechtler und Generalsekretär der RKZ) und Dr. Stefan Loppacher (Kirchenrechtler und Leiter der Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Kontext»), an.

Weiteres Vorgehen und Herausforderungen
– Sobald die rechtlichen Grundlagen von der Schweizer Bischofskonferenz beschlossen und die erforderlichen Fachpersonen gefunden sind, muss erneut die Zustimmung der Apostolischen Signatur eingeholt werden.
– Anschliessend werden die für den Aufbau und die Finanzierung des Gerichts erforderlichen Beschlüsse gefasst und die Umsetzung in die Wege geleitet.

– Zu klären ist unter anderem:
• Wie lassen sich in einem neuen System gesamtkirchliche Vorgaben berücksichtigen und zugleich eine möglichst starke Annäherung an rechtstaatliche Grundsätze verfolgen?
• Wie lassen sich Verfahrensrechte für Betroffene in die neue Gerichtsordnung einführen?
• Welche Kriterien müssen Richter und Richterinnen sowie weitere Fachpersonen erfüllen?
• Wo wird der Sitz des nationalen Gerichts sein und wie wird es finanziert?

Weiterführung der Forschung

Ausgangslage
Im Juni 2023 haben SBK, RKZ und KOVOS entschieden, die Zusammenarbeit mit dem Historischen Seminar der Universität Zürich fortzusetzen und ihm den Auftrag für ein weiteres Forschungsprojekt 2024–2026 im Umfang von 1,5 Mio. Franken zu erteilen.

Stand der Arbeiten
– Im Januar 2024 hat das Forschungsteam der Universität Zürich seine Arbeit aufgenommen.
– Die im Rahmen des Pilotprojekts gewonnenen Erkenntnisse sollen vertieft, erweitert und systematisiert sowie weitere Archivrecherchen durchgeführt werden. Es geht insbesondere darum, die gesellschaftlichen Kontexte, die kirchlichen Strukturen und die Verantwortlichkeiten, die zum sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung beigetragen haben, eingehend zu beleuchten. Die Perspektive von Betroffenen und anderen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen soll dabei verstärkt einfliessen. Die Resultate werden 2027 präsentiert.
– Das Forschungsteam ruft Betroffene auf, an der Studie mitzuwirken: Wenn Sie bereit sind, über sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche zu berichten, melden Sie sich bitte unter , oder .
– Die neuen Verträge sind auf der Projektwebseite veröffentlicht.

Instanzen des gemeinsamen Projekts «Missbrauch im kirchlichen Kontext»

Mitglieder der nationalen Arbeitsgruppe (Projektsteuerung)
– Für die SBK: Bischof Charles Morerod, Präsident, Bischof Joseph Maria Bonnemain, Davide Pesenti, Generalsekretär
– Für die KOVOS: Pater Daniel Brocca, Präsident, Pater Peter von Sury
– Für die RKZ: Roland Loos, Präsident, Urs Brosi, Generalsekretär
– Weitere Mitglieder: Stefan Loppacher, Leiter Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Kontext», Daniel Kosch (Moderation), Annegret Schär (Dienststelle)

Mitarbeitende der Dienststelle seit 1. Januar 2025 (140 Stellenprozente)
– Dr. Stefan Loppacher (Leitung)
– Annegret Schär (Fachmitarbeiterin)
– Mari Carmen Avila (Fachmitarbeiterin und Ansprechperson für die französischsprachige Schweiz)

Weitere Auskünfte
Dr. Stefan Loppacher, Leiter Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Kontext», Tel. 044 266 12 05, .

Schweizer Bischofskonferenz (SBK)
Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ)
Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer
Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens (KOVOS)


Im historischen Folgeprojekt 2024–2026 beziehen die Forschenden der Universität Zürich die Perspektive von Betroffenen und anderen Zeitzeuginnen und -zeugen verstärkt ein. Wer bereit ist, mit dem Forschungsteam über sexuellen Missbrauch und den Umgang der Kirche damit zu sprechen, kann über folgende Adressen Kontakt mit den Forschenden aufnehmen: , oder

Weitere Informationen
Projektwebseite der Auftraggeberinnen: www.missbrauch-kath-info.ch
Pilotprojekt zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts, Universität Zürich: Schlussbericht des Forschungsteams



Nationale Wallfahrt nach Maria Einsiedeln

Inspiriert von der Einladung Papst Franziskus', sich auf den Weg der Hoffnung zu machen, laden die Schweizer Bischofskonferenz und das Kloster Einsiedeln am Samstag, 17. Mai, herzlich zur nationalen Wallfahrt zur Muttergottes nach Einsiedeln ein. Neben der Eucharistiefeier zur Eröffnung gibt es verschiedene Gemeinschafts- und Familienaktivitäten, eine Begegnung mit den Schweizer Bischöfen sowie die Möglichkeit, das Sakrament der Beichte zu feiern. Sie können sich für diesen nationalen Tag der Gemeinschaft und des Gebets entweder einzeln oder als Familie, Pfarrei oder Gemeindegruppe anmelden.

Weitere Informationen und Anmeldung: www.bischoefe.ch/nationale-wallfahrt-2025

Schweizer Bischofskonferenz SBK