Das Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft, welches der Universität Freiburg i. Ue. angeschlossen ist, möchte Brücken schlagen zwischen akademischer Theologie, Ausdrucksformen christlicher Spiritualität und Gemeindepraxis sowie dem gesellschaftlichen Leben. In diesem Geist führt es jedes Jahr einen Studientag durch. Im 2017 war das Thema «Komm, heiliger Geist» und zog 600 Teilnehmer an. Das Interesse an akademischer Bildung war nicht zu übersehen. Unter einigen am Studientag Beteiligten entstand spontan die Idee, eine Art «Glaubenskurs» mit bewusst theologischem Inhalt anzubieten. Es brauchte noch eine Weile, bis diese Idee ihren Weg durch die verschiedenen akademischen Hürden genommen hatte. So blieben den Veranstaltern am Schluss nur noch gerade zwei Monate, um Werbung für den Kurs zu machen.
Gute Theologie verbindet
Samstagmorgen, kurz vor 9 Uhr. Rund fünfzig Menschen versammeln sich in den Räumen der Christuskirche in Biel. Bei Kaffee und Gespräch herrscht eine lockere Atmosphäre unter den zumeist jüngeren Teilnehmern des Kurses «Grundfragen christlicher Existenz». Auffallend hoch ist der Männeranteil. Heute steht «Christologie und Trinität II» auf dem Programm. Dr. Stefan Wenger begrüsst die Anwesenden und lädt zu einer kurzen Besinnung zu Eph 1,3–14 ein, dem längsten Satz des Neuen Testaments, damit alle nicht nur physisch, sondern auch gedanklich und seelisch ankommen. Nach einigen Erläuterungen zum Text und persönlichen Glaubensworten liest er den Bibeltext erneut und lädt ein, im Anschluss daran das Vaterunser zu beten. Alle erheben sich und stimmen in das konfessionsverbindende Gebet ein.
Ökumene ist ein gutes Stichwort. Die Dozenten gehören unterschiedlichen Konfessionen an und unterrichten die verschiedenen Themen gemeinsam. «Gute Theologie, die menschlich fruchtbar gemacht wird, überschreitet die konfessionellen Grenzen», ist Wenger überzeugt. Dass der Kurs ökumenisch durchgeführt wird, verhindert zudem, dass der Abschluss zu einem Dienst in einer Pfarrei oder Gemeinde berechtigt. Dies haben die Organisatoren bewusst in Kauf genommen, auch um so eine Verzweckung des Kurses zu verhindern.
Mit Respekt und Humor
Inzwischen ist einer der Teilnehmer nach vorne zum Rednerpult gekommen und referiert über das Buch «Hinführung zum Glauben an den drei-einen Gott» von Gisbert Greshake, welches das letzte Mal als Hausaufgabe aufgegeben wurde. Die gute und sichere Zusammenfassung des nicht leichten Inhalts überrascht. Aber auch die anschliessende Diskussion über das Buch zeigt, dass bei den Teilnehmern bereits ein fundiertes Wissen zur Trinität vorhanden ist. Spätestens wenn Dr. Martin Brüske die offenen Fragen vom letzten Mal beantwortet und dabei von Zeugung, Hauchung, Hervorgang oder von der Unterscheidung durch Relation spricht, wird klar: Dies ist kein normaler Glaubenskurs, hier wird Theologie betrieben.
Ein Teilnehmer meldet sich zu Wort: «Trinität ist meines Erachtens ein zentrales Thema. Warum habe ich in den letzten 20 Jahren keine Predigt dazu gehört?» Brüske findet das nicht erstaunlich: «Viele Theologen haben Angst, darüber zu predigen, da sie selber die Trinität nicht wirklich verstehen. Am Dreifaltigkeitssonntag beginnen deshalb die Predigten meist mit den Worten: Die Rede über die Dreifaltigkeit ist sehr schwierig.» Wenger wirft mit einem Augenzwinkern ein, dass dies selbstverständlich nur bei den Katholiken so sei, und erntet dafür Gelächter.
Die Chemie zwischen den Referenten stimmt, was die Teilnehmer spüren. Konfessionelle Unterschiede werden mit Humor und gegenseitigem Respekt behandelt. Dieses gute Zusammenspiel der Referenten ist sehr wichtig, werden die Kurse doch nach Themen und nicht nach Fächern angeboten. So wird das aktuelle Thema «Trinität» durch Prof. Gregor Emmenegger (Patristik und alte Kirchengeschichte), Dr. Martin Brüske (Dogmatik) und Dr. Stefan Wenger (Neues Testament) unterrichtet. Die Vernetzung der einzelnen Fächer, die im Studium den Studenten überlassen wird, geschieht hier automatisch. Einerseits durch das Ergänzen und Vertiefen des Gesagten durch die anderen Dozenten, andererseits durch die Fragen der Teilnehmer.
Theologie ins Leben integrieren
«Unterbrechungen sind wie immer erwünscht», beginnt Emmenegger seinen Teil zur Frage «Wer ist Gott?». Kaum hat er Joh 14,6-7 zitiert, kommt auch schon die erste Frage: «Wie kann ich als Laie erkennen, welche Bibelübersetzung korrekt ist?», will eine Frau wissen. Emmenegger erinnert daran, dass nicht die Bibel als solche das Wort Gottes ist, sondern allein Jesus Christus. Die Bibel ist ein Wegweiser zum Ziel. Während er die Teilnehmer durch die Trinitätsgeschichte (Adoptianismus, Doketismus usw.) führt, wird er immer wieder durch Fragen unterbrochen. Umgekehrt stellt er auch seinerseits Fragen, um die Teilnehmer zum Mitdenken anzuregen.
Fragen, die nicht das eigentliche Thema betreffen, sind jederzeit erlaubt, geht es doch nicht nur um die Vermittlung von theologischem Wissen, sondern auch um deren Vernetzung mit dem konkreten Leben der Teilnehmenden. Das setzt eine hohe Fachkompetenz der Dozenten voraus. Sie können nicht einfach ihren aktuellen Stoff vortragen, sondern müssen jederzeit in der Lage sein, auf Fragen zu anderen Gebieten Auskunft zu geben. Wenn es um Fragen zur Umsetzung in der Praxis geht, geben die Referenten auch Zeugnis ihres persönlichen Glaubens.
Was motiviert die Dozenten, diese Aufgabe zu übernehmen? Denn Lohn erhalten sie dafür nicht, nur eine kleine Spesenentschädigung. «Ich mache es, weil es mir Spass macht», meint Brüske und ergänzt ein wenig ernster: «Theologische Bildung für Nichttheologen ist meines Erachtens sehr wichtig.» Dies sieht auch Emmenegger so: «Unsere Pfarreien sterben langsam aus. Viele Gläubige haben keinen Bezug zur Theologie, und doch sind es gerade sie, die einen Beitrag zur Kirchenerneuerung leisten müssen.» Wenger meint ergänzend: «Eine Motivation für mich ist auch die gute Zusammenarbeit im Team.»
Nach den guten Erfahrungen mit dem ersten Kurs ist für den Herbst 2019 eine erneute Durchführung geplant. Als Kursort wurde wiederum Biel gewählt, obwohl er nicht zentral gelegen ist. Dieses Mal sind Teilnehmer aus der Ostschweiz und sogar aus Berlin dabei, doch nicht alle Menschen sind bereit, regelmässig eine so lange Reise auf sich zu nehmen.
Der nur aus Männern bestehende Dozentenkreis wünscht sich zudem für die Zukunft ein paar Kolleginnen.
Rosmarie Schärer