Das RPI Luzern feierte am 12. und 13. September 2014 sich selbst und die vielen Menschen, die das Institut in der Vergangenheit prägten und heute noch ausmachen. Begangen wurde das Jubiläum in zwei Teilen: mit einer Fachtagung am Freitag und einem Festanlass am Samstag. Den roten Faden bildete dabei das Motto «sehen und gesehen werden» das durch den Pantomimen Christoph Schwager immer neu aufgegriffen wurde, sich thematisch durch die beiden Tage zog und zum Nach- und Weiterdenken einlud.
Die Fachtagung: verwurzelt, am Puls der Zeit, offen für die Zukunft
Am Freitag stand das «Sehen» im Mittelpunkt. Die Aspekte Hinschauen, Wahrnehmen, Ansehen, Rückblick und Ausblick fanden sich sowohl in der inhaltlichen Gestaltung des Tages als auch im informellen Rahmenprogramm.
«Religiöse Sprachkrise – Gastvortrag» – Den inhaltlichen Einstieg in das Thema bildete ein Vortrag von Prof. Dr. Georg Langenhorst, Religionspädagoge aus Augsburg. Unter dem Titel «Sein Name Kendauchdich – Sehen und gesehen werden als elementare religionspädagogische Bewegung» schilderte er die religiöse Sprachkrise als ein Problem der Theologie, das seit Jahrzehnten bestehe und noch nicht gelöst werden konnte, weil bisherige Versuche an einer Anpassung der Sprache ansetzten, ohne zu verstehen, dass diese untrennbar mit den Inhalten verwoben ist. Prof. Langenhorst stellte fest, dass wir uns in einem «Theotop» befänden, einem geschützten Bereich theologischer, sprachlicher Selbstverständigung. Dieses Theotop werde jedoch immer kleiner, und die Vermittlung zur Welt ausserhalb misslinge zunehmend. Mit einem Experiment führte Langenhorst den Anwesenden vor Augen, dass mit der Frage, wie wir uns von Schuld befreien können, eine Religion entfaltet wird, deren Antwort für die wenigsten Menschen eine Bedeutung hat. Viel wichtiger als die Frage nach Erlösung sei in der heutigen Zeit die Frage nach Identität. Mit Verweis auf den Philosophen George Berkeley führt er aus, dass Sein sich als wahrgenommen werden bestimmen lässt («esse est percipi»). Der Mensch werde demnach erst zum Menschen, wenn er wahrgenommen wird. Und da Menschen einander nur in Facetten wahrnehmen könnten, sei Gott als oberste Wahrnehmungs-Instanz der Garant für das Sein aller Menschen.
Hierauf baut Langenhorst auf und erläutert, dass ein zentraler Unterschied zwischen Kindern und Jugendlichen (und später Erwachsenen) die Umkehrung der Blickrichtung ist. Entscheidend für das Selbstbild wird, wie andere einen wahrnehmen. Blogs und Social Media seien Ausprägungen dieses Bedürfnisses, und Casting-Shows zeigten den Wunsch der Menschen, aus der Masse herauszustechen und wahrgenommen zu werden. Letztlich vermag nur das Gewahrsein dessen, dass ich von Gott angesehen werde, mir Frieden zu verschaffen. In der Folge plädiert Langenhorst für einen Religionsunterricht, der den Zuspruch Gottes vor jeden Anspruch stellt. Um dies zu leisten, brauche es eine aktuelle Sprache, die bestehende Theotope sprenge, im Wissen darum, dass eine Änderung der Sprache immer auch den Inhalt aktualisiere. Wie können wir heute vom Christentum und von Gott sprechen, ohne naiv, unhistorisch und unzeitgemäss zu sein? Wie können wir heute Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei der Entwicklung einer ihnen entsprechenden reflektierten Sprache vom Christentum und von Gott unterstützen? Dies, so Langenhorst, sind zentrale Fragen heutiger Religionspädagogik.
Sieben Workshops zu Brennpunkten der Religionspädagogik
Am Nachmittag luden sieben verschiedene Workshops ein, sich mit aktuellen Fragestellungen der Religionspädagogik auseinanderzusetzen und sich im Hinsehen zu üben. Eva Ebel und Kuno Schmid stellten die Frage in den Raum, ob der bekenntnisunabhängige Religionsunterricht eine Chance oder eine Bedrohung für den konfessionellen Religionsunterricht darstellt. Unter dem Titel «Tatort kirchliche Erwachsenenbildung» präsentierte Gregor Schwander, wie mit neuen Programmformaten heute Erwachsene gezielt angesprochen werden können.1 Peter Michalik und Markus Arnold beleuchteten mit Verweis auf die Selfie-Debatte den Narzissmus als ethisches Problem in den Neuen Medien. Ein weiteres aktuelles Thema boten Linus Brändle und Eugen Trost: Sie untersuchten Gewalt und sexuelle Übergriffe im Licht von Theologie und Psychologie. Auch biblische Sichtweisen wurden geboten. So zeigte Detlef Hecking, wie man von den Rändern her schauen lernt, damit Randständige ihren Platz in der Kirche haben.2 Simone Rosenkranz und Veronika Bachmann setzten unter dem Titel «Vom Wiederhopf und behaarten Frauenbeinen» die interreligiöse Brille auf und betrachteten den Besuch der Königin von Saba bei Salomo im Spiegel jüdischer, christlicher und islamischer Deutungen. Schliesslich zeigten Barbara Kückelmann und Nicola Ottiger mit ihrem Workshop «Gott sieht Dich!» auf, wie liturgische Sprache heiligend und heilend sein kann, ohne zu belehren und moralisieren.
Die Anwesenden besuchten jeweils zwei der sieben Workshops. Angeregte Diskussionen während, zwischen und nach den Workshops liessen darauf schliessen, dass das Programm den Geschmack der Teilnehmenden getroffen hat und Impulse für die Praxis setzen konnte.
50 Jahre RPI: Rück- und Ausblick
In einer dialogischen Präsentation blickten die Institutsleiterin Prof. Monika Jakobs und Dr. Urs Winter, langjähriger emeritierter Dozent, am Ende der Fachtagung zurück auf die 50-jährige Geschichte des RPIs und wagten auch einen Ausblick auf dessen Zukunft. Dabei wurde an die pragmatische Gründung des damaligen KILs 1964 in der Aufbruchsstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Impulse der Synode 1972 und die Gründung der katechetischen Arbeitsstellen, deren Leitende im KIL ausgebildet wurden, erinnert. Erwähnt wurden international besuchte religionspädagogische Tagungen mit vielen Teilnehmenden und die Bedeutung des Grenchener Arbeitskreises für die Entwicklung der Religionspädagogik in der Schweiz. Die beiden Studienreformen 1993 und 2004 zeigten auf, dass das damalige KIL und heutige RPI stets wandelbar war und sich den Erfordernissen der Zeit anpasste.3 Monika Jakobs betonte, dass die Geschichte des Instituts untrennbar mit den zahllosen Menschen verwoben sei, die das Institut prägten und heute noch prägen. Da die Bedeutsamkeit der einzelnen Personen wohl unterschiedlich gewichtet würde, sollten möglichst alle sichtbar werden: So bildete ein riesiger Sternenhimmel, auf dem die Namen von mehr als 1000 Menschen ein- und ausgeblendet wurden, den visuellen Rahmen des Dialogs, den Jakobs und Winter mit einem Ausblick auf ein prosperierendes Institut an einer lebendigen Fakultät einer erfolgreichen Universität schlossen. Eine Vision verstärkter ökumenischer, vielleicht sogar interreligiöser Zusammenarbeit. Als weitere Kompetenzbereiche, um den aktuellen Erfordernissen der Praxis zu entsprechen, wurden die Arbeit mit Erwachsenen und der Bereich Diakonie genannt, ergänzt durch religiöses Lernen in sozialen Netzwerken. Dass dies gelingen kann, so waren sich Jakobs und Winter sicher, zeige das enorme Engagement der Menschen, die das RPI bislang prägten. Das RPI sei bestens aufgestellt, um die aktuellen Veränderungsprozesse in Kirche und Gesellschaft als Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis zu begleiten.
Sich sehen und sich begegnen
Für viele Teilnehmende fand das zentrale Geschehen am Rande des offiziellen Programms statt: Die Atmosphäre war von viel Herzlichkeit und Verbundenheit geprägt. Einige der 100 Teilnehmenden am Freitag sahen sich zum ersten Mal nach vielen Jahren wieder und nutzten die Gelegenheit, alte Freundschaften zu pflegen und neue Kontakte zu knüpfen. In den Gesprächen wurde deutlich: Es ist gut, heute hier zusammenzukommen. Einige der ehemaligen und aktuellen Studierenden beschrieben, wie schön es ist zu merken, dass man sich nicht alleine engagiere und alleine sei, sondern sich verbunden wisse mit zahlreichen anderen, die in der Praxis vor den gleichen Herausforderungen stünden. Von aktuellen Studierenden hörte man, dass es beeindruckend sei, an einem Ort zu studieren, dem sich so viele Menschen auch nach Jahren noch verbunden fühlen.
Andere Gäste sagten, dass das RPI seit jeher ein Ort war, von dem wichtige und prägende Impulse für die Praxis ausgingen und an dem man durch den Einbezug unterschiedlicher Lehrbeauftragter immer um Vielfalt bemüht war.
Schliesslich war es auch für die Mitarbeitenden des RPIs ein freudiges Jubiläum, für das sich die Anstrengungen im Vorfeld gelohnt haben. Von ihnen war Freude über die vielen Gäste zu hören, mit denen sich eine teils lange gemeinsame Geschichte verbindet. Die Fachtagung bildete einen idealen Rahmen, um in immer neuen Konstellationen zusammenzukommen, sich wahrzunehmen und in Gespräche zu vertiefen. Die gemeinsame Verbundenheit zeigte sich auch daran, dass nach dem Apéro, dem eigentlichen Tagungsschluss, noch mehr als 80 Personen blieben, um gemeinsam im Rütli-Saal in Luzern zu essen und zu feiern.
Der Festakt am Samstag: Vergegenwärtigung und Gesehen-Werden
Am Samstag fand der eigentliche Festakt statt. Nach dem Sehen am Vortag standen nun Vergegenwärtigung und Gesehen-Werden im Vordergrund.
Zelebrant Bischof Felix Gmür fand in seiner Predigt im Festgottesdienst in der Jesuitenkirche viele Worte des Dankes und des Lobes. Die Professionalisierung der Katechese sei damals richtig gewesen und sei es auch heute noch. Katechetinnen und Katecheten konnten und können nicht bei der Vermittlung gewussten Glaubens stehen bleiben, sondern müssten den Blick weiten: auf die Kinder, auf die Welt und reflektierend auf sich selbst. Dazu müsse man sehen lernen, bevor man urteile und handle. Denn wer sehe, so Gmür, schöpfe die Möglichkeiten aus, das Kleine gross zu machen. Gmür wünschte dem RPI, das mit 50 Jahren bereits gross sei, dass es sehr gross werde.
In den Lesungen, den Worten ehemaliger Studierender und den Liedern des Ad-hoc-Chores, geleitet von Udo Zimmermann, wurden die Impulse von Georg Langenhorst vom Vortag aufgegriffen. Verbunden mit allen Ehemaligen des Instituts wüssten wir um Gottes Gegenwart und darum, von ihm angesehen zu werden und dadurch Ansehen zu haben. In diesem Bewusstsein heisse es, gemeinsam an der Zukunft des RPIs zu bauen und in der Kirche zu wirken.
Geschirmte See-Promenade
Der Aspekt Gesehen-Werden fand seinen Höhepunkt bei der geschirmten See-Promenade im Anschluss an den Gottesdienst. Die etwa 150 Gäste des Gottesdienstes erhielten alle einen Regenschirm in Magenta, der Farbe der Universität Luzern. Zusammen zog die Festgemeinschaft mit geöffneten Schirmen durch Luzern, vorbei an Posten, gestaltet von Eva-Maria Pfaffen, Christoph Schwager und Team, und wurde so zum Hingucker für Passantinnen und Passanten. Das RPI will sich zeigen und gesehen werden. Das ist, nicht nur mit dieser Aktion, eindeutig gelungen.
Gute Worte – der Festakt
Im gut gefüllten Hörsaal 1 der Universität Luzern fand von den Teilnehmenden des Jubiläums und Gästen aus Kirche, Gesellschaft und Forschung der Festakt statt. Rektor Paul Richli betonte das Doppeljubiläum, da nicht nur 50 Jahre KIL, sondern auch zehn Jahre RPI zu feiern seien. Als Staatsrechtler blickte er auf die kantonalen Schulgesetze und stellte fest, dass zwar in den meisten Kantonen das Wort «Gott» aus der Schulgesetzgebung verschwunden sei, die christlichen Wurzeln aber immer noch betont würden.
Iva Boutellier, Synodenpräsidentin der römisch-katholischen Kirche im Kanton Luzern, überbrachte die Glückwünsche der Landeskirche und betonte, dass die Absolventinnen und Absolventen des RPIs in den Pfarreien stets geschätzt seien. Sie führte aus, wie sie als Theologin im Pfarreipraktikum die Studierenden des KILs um ihre Kompetenzen in Bezug auf die Praxis beneidet hätte. Sie wünschte dem RPI Kraft, Mut, Elan, langen Atem, schöne Momente wie diese und weiterhin gute und erfolgreiche Jahre.
Martin Mark, Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Luzern, stellte die Bedeutung des RPIs für die Theologische Fakultät heraus. Das RPI gehöre zum Profil der Fakultät und trage dazu bei, dass der Praxisbezug gewährleistet sei. Die Absolventinnen und Absolventen des RPIs arbeiteten mit Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft, nähmen diese wahr und begegneten ihnen auf Augenhöhe. Annelies Stadelmann, Präsidentin des Religionspädagogischen Verbands RPV, blickte auf eine spannende und prägende Ausbildungszeit zurück, in der sie und andere sich breites Wissen und vielfältige Kompetenzen aneignen konnten. Im Beruf erlebe sie sich als Bindeglied zwischen Gemeinde und Fachlichkeit und erfahre bei ihrer Tätigkeit viel Wertschätzung. Der RPV diene als Austauschplattform und Sprachrohr zum RPI.
Monika Jakobs beendete den Festakt mit einem Blick nach vorne. Ob es das RPI auch nach 100 Jahren noch gebe, sei sie mehrfach gefragt worden. Darauf könne sie nur sagen, sie wisse es nicht. Jede Generation müsse zur Weiterentwicklung beitragen und dürfe nicht nur das Bestehende verwalten. Doch die Voraussetzungen seien gut, was sich auch in den Wünschen für das RPI widerspiegle, die gestern unter den anwesenden Gästen gesammelt wurden. Auffallend oft enthielten diese das Wort «weiterhin». Dies motiviere, mit einer vielfältigen Geschichte im Rücken offen voranzugehen und immer wieder Neues zu wagen. Mit diesen Gedanken verabschiedete Jakobs die Gäste in den abschliessenden Apéro riche, bei dem die Anwesenden sich und das RPI weiterfeierten.
Wünsche für das RPI
Im Rahmen der beiden Jubiläumstage wurden zahlreiche Teilnehmende gefragt, was sie dem RPI zum 50-jährigen Bestehen wünschen. Hier finden Sie eine Auswahl der Wünsche, die genannt wurden:
- Ich wünsche dem RPI zum 50-Jahr-Jubiläum:
- weiterhin eine offene und lebensnahe Einstellung;
- sich weiterhin so gut an sich verändernde Lernlandschaften anzupassen;
- weiterhin so motivierte Leute fürs Studium aus allen Regionen der Schweiz;
- eine gute Vernetzung;
- eine weiterhin gute Begleitung der Auszubildenden;
- dass es flexibel und anpassungsfähig bleibt;
- weiterhin die Gabe, am Puls der Zeit zu sein;
- dass es innovative Erkenntnisse und Weiterentwicklungen auch in die Praxis überführen darf, ohne sich künstlich zähmen zu müssen;
- noch mehr Studierende;
- dass es auch weiterhin Haupt- und Nebenamtlichen hilft, einen guten Platz für das berufliche Wirken zu finden;
- weiterhin einen so nahen, persönlichen Kontakt;
- dass alle Auszubildenden und Ausbildenden mit ihrem Potenzial wahrgenommen werden;
- Beweglichkeit und Kreativität;
- Offenheit für die Zeichen der Zeit;
- eine breite und gute Vernetzung mit verschiedenen Organisationen und Institutionen;
- weiterhin so gute Dozierende, kompetent und kollegial;
- mehr ökumenische Zusammenarbeit;
- eine Vorreiterrolle in der Umsetzung von Theorien in der Praxis;
- auf Augenhöhe mit aktuellen Medien zu unterrichten;
- dass auch weiterhin Impulse der Studierenden aufgenommen und umgesetzt werden;
- ganz biblisch ein Erlassjahr, nach dem alle befreit in die Zukunft gehen können;
- immer neue Ausbrüche aus dem Theotop.
Haben auch Sie Wünsche zum 50-Jahr-Jubiläum des RPIs? Dann schreiben Sie diese doch einfach auf die Facebook-Seite www.facebook.com/rpiunilu oder dem RPI auf Twitter @RPILuzern unter #RPI50