SKZ: Herr Höger, wie ist es zu dem neuen Kurs gekommen?
Christian Höger*: Auf der Basis meiner guten kollegialen Zusammenarbeit am RPI mit Eugen Trost, dem jetzigen Leiter Bildung und Kultur des Seminar- und Bildungszentrums Mattli, Niklaus Kuster als Lehrbeauftragtem für Kirchengeschichte und Nadia Rudolf von Rohr, der Geschäftsstellenleiterin des Franziskanischen Laienordens in der deutschsprachigen Schweiz, kam 2022 die Idee auf, diesen neuen CAS ins Leben zu rufen. Nach mehreren Gesprächen, einer Marktanalyse und ausführlichen strategischen und administrativen Vorbereitungen – massgeblich unterstützt von Nadja Jatsch – konnten wir ein überzeugendes Konzept entwickeln und erfolgreich in der Fakultätsversammlung zur Abstimmung bringen. So freuen wir uns jetzt sehr darauf, im Frühjahrssemester 2024 die ersten Studierenden, die sich bereits angemeldet haben, an der Universität Luzern begrüssen zu dürfen. Es sind auch noch Plätze frei und weitere Anmeldungen sind willkommen.
Was beinhaltet der Kurs und warum braucht es ihn?
Die Teilnehmenden werden durch den Kurs zu kompetenten spirituellen Begleitenden weitergebildet. Das betrifft einen gegenwärtig zentralen pastoralen Bereich. Denn wenn man in das Arbeitsfeld von Seelsorgenden schaut, dann ist eine grosse Sehnsucht nach einem gelingenden und erfüllten Leben zu spüren. Die biblische Botschaft lehrt uns, dass Leben dann besonders gut gelingt, wenn Menschen sich der Auseinandersetzung mit sich selbst stellen. Dazu gehört auch die Begegnung mit anderen, dem gemeinsamen Ringen um zukunftsfähige Antworten und die individuelle und gemeinschaftliche Sinnsuche. Unser CAS und der darin inkludierte Lehrgang «Lebens- und Glaubensfragen spirituell begleiten – franziskanisch» der INFAG eröffnet dazu Räume der Reflexion und ermöglicht anhand von eigenen Erfahrungen ein tieferes Verständnis des eigenen Lebens- und Glaubensweges. Zudem werden theologisch und religionspädagogisch passende Themenfelder und Inhalte erschlossen und auf wissenschaftlichem Niveau bearbeitet. Die beiden aufeinander abgestimmten Weiterbildungen bieten somit Instrumente, um selbst zielgerichtet unterwegs zu sein und um andere prozesshaft zu begleiten. Die Kursteilnehmenden lernen dabei, die entsprechenden Werkzeuge zu analysieren, zu überprüfen, weiterzuentwickeln und sie situationsgerecht einzusetzen. Besonders der Lehrgang der INFAG orientiert sich an der christlich spirituellen Vielfalt und einem christlich-humanistischen Menschenbild, wobei die franziskanische Spiritualität tragend und wegweisend ist. Der CAS ermöglicht den Teilnehmenden eine Vertiefung der akademischen Theologie auf einem Feld, das während des Studiums und im Beruf möglicherweise brach liegen blieb. Grundsätzlich geht es darum, ausgehend vom eigenen Selbst die Tiefe und Weite der eigenen Lebensgeschichte auszuloten. Mit Hilfe verschiedener Referenzmodelle sollen diese analysiert und ihre Anwendung eingeübt werden. Ausgehend von den Begriffen «Betroffenheit – Identifikation – Partizipation», entlehnt aus der soziokulturellen Animationsarbeit, werden Zugänge zu einer gelungenen Motivationsarbeit gesucht. Sie sollen bei der Begleitung von Menschen helfen und diese in ihrer aktiven Lebensgestaltung unterstützen. Weiterführend werden Methoden aus der Animationsarbeit, der Kommunikationslehre und der Hinterfragung von prägenden Menschen- und Gottesbildern als Grundlagen einer gelungener Begleitarbeit untersucht. Dies soll den Absolventinnen und Absolventen ein kundiges und einfühlsames Mitgehen in verschiedensten Lebenssituationen ermöglichen. Ein grosses Thema wird auch die Abgrenzung zwischen Psychotherapie und geistlicher Begleitung sein, um eine Kompetenzüberschreitung vermeiden zu helfen. Über allen Teilthemen steht letztlich die Frage: Wie können wir heute eine geeignete spirituelle Sprache sprechen, damit wir Menschen in ihrer Suche optimal unterstützen können? Zudem wird immer wieder auch Freiraum für offene Themen und Fragen aus dem Kreis der Teilnehmenden vorhanden sein.
An wen richtet sich diese Weiterbildung, welche Voraussetzungen müssen Interessierte mitbringen und was kostet sie?
Mit dem CAS-Lehrgang erwerben Theologinnen und Theologen sowie Religionspädagoginnen und -pädagogen wie auch Personen mit entsprechender Ausbildung, aufbauende und spezialisierende Fach- und Vermittlungskompetenzen für eine erfolgreiche Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Bereich der seelsorgerlichen und spirituellen Begleitung. Für den Lehrgang benötigen Interessierte ein abgeschlossenes Studium auf Bachelorstufe in römisch-katholischer, evangelisch-reformierter oder christkatholischer Theologie, Religionspädagogik oder einen Bachelor mit Major in Religionswissenschaft o.Ä. und Minor in Theologie. Zudem sind religionspädagogische Praxiserfahrungen erforderlich. Die Studiengebühren für den CAS betragen CHF 6000 (inklusive Lehrgang INFAG).
Wie ist der Kurs aufgebaut und wie lange dauert er?
Der CAS umfasst insgesamt 15 ECTS-Punkte, von denen 8 ECTS am Lehrgang INFAG absolviert werden, der in der Regel zwei Jahre dauert und Veranstaltungen à 3 Tagen sowie eine Intensivwoche beinhaltet. Insgesamt sind folgende 8 Module in diesem Lehrgang enthalten: Biographiearbeit; die Kunst der Motivation; eine Bibelwerkstatt; die Kunst der Begleitung; eine Gebetswerkstatt; die Kunst der Unterscheidung; ein Open-Space und die Intensivwoche in Assisi (I). In dieser gehen die Teilnehmenden speziell der Franziskanischen Spiritualität nach und tauchen in die Lebenswelt von Franz und Klara ein, um Inspirationen für die Gestaltung von spiritueller Lebensgestaltung zu finden. 5 ECTS-Punkte werden in den Wahlpflicht-Lehrveranstaltungen am RPl und an der Theologischen Fakultät erworben, was zeitgleich oder zeitversetzt zum INFAG-Lehrgang erfolgen kann. Die CAS-Teilnehmenden stellen sich in Absprache mit der Studienleitung ein für sie persönliches und qualifizierendes Studienprogramm aus den Lehrveranstaltungen der Fachbereiche Religionspädagogik und Theologie zusammen: So können sie auf dem Hintergrund ihrer bisherigen Qualifikation passende Vorlesungen und Seminare aus u.a. folgenden Fächern wählen: Religionspädagogik (Einführung in die Didaktik des Religionsunterrichts, Lernfelder religiöser Bildung); Pastoraltheologie (Theorien zu Gemeinde, Seelsorge, Diakonie und Leadership); Liturgiewissenschaft (Liturgiegestaltung, Sakramentenkatechese, Einführung Rituale); Kirchliche Jugendarbeit und Gemeindeanimation; Dogmatik (Anthropologie, Eschatologie) und Kirchengeschichte (Spiritualitätsgeschichte).
Wer sind die Dozierenden?
Von der Theologischen Fakultät und dem Religionspädagogischen Institut RPI der Universität Luzern bieten u.a. folgende Dozierende passende Lehrveranstaltungen an:
• Prof. Dr. Christian Preidel, Professor für Pastoraltheologie an der TF, Institutsleiter RPI;
• Prof. Dr. Ursula Schumacher, Professorin für Dogmatik an der TF;
• Prof. Dr. Nicola Ottiger, Dozentin für Dogmatik, Fundamentaltheologie sowie Liturgiewissenschaft am RPI, Leiterin Ökumenisches Institut Luzern;
• Dr. Damian Pfammatter, Dozent für Kirchliche Jugendarbeit und Gemeindeanimation am RPI;
• Prof. Dr. Christian Höger, Professor für Religionspädagogik und Katechetik an der TF und am RPI
Die Kurseinheiten im Lehrgang der INFAG werden begleitet von:
• Br. Dr. theol. Niklaus Kuster, Kapuziner, Dozent und Franziskus-Forscher;
• Sr. Beatrice Kohler, Baldegg, Kunstpädagogin und Geistliche Begleiterin;
• Dipl. theol. Eugen Trost, Soziokultureller Animator FH und Bildungsleiter Mattli Antoniushaus;
• Lic. phil. Nadia Rudolf von Rohr, Co-Vorsteherin der Franziskanische Gemeinschaft, Bibliodrama-leiterin und Theologin i.A.;
• Dr. theol. Winfried Bader, Katholisches Bibelwerk Schweiz;
• Sr. Dr. M. Anna Franziska Kindermann, OSF, Fachärztin für psychotherapeutische Medizin;
• Br. Helmut Schlegel, Franziskaner, Psychologe, Theologe und spiritueller Autor
Was bietet der CAS den Absolventinnen und Absolventen?
Nach Abschluss des «CAS Lebens- und Glaubensfragen spirituell begleiten» sind die Absolventinnen und Absolventen in der Lage, ihre eigene Lebens- und Glaubensgeschichte zu analysieren und sich damit auseinanderzusetzen, diese zu bewerten und gewinnbringend für die seelsorgerliche Begleitung zu nutzen. Sie lernen Lebens- und Glaubenserfahrungen im Alltag bewusst aufzugreifen, sie auszuformen und diese in der seelsorgerlichen Begleitung zur Sprache zu bringen. Sie können aufdecken, dass innere Wegerfahrungen und Glaubenskommunikation miteinander verbunden sind. Sie entwickeln ihre vorhandene Fähigkeit, zusammen mit den zu Begleitenden deren spirituelle, soziale und kommunikative Kompetenzen weiterzuentwickeln. Sie können nach Abschluss Begleitungs- und Bildungsarbeit in einem konkreten Anwendungsfeld kompetent planen und adäquat anwenden. Die Teilnehmenden profitieren darüber hinaus von der kompetenten Praxisberatung am Religionspädagogischen Institut RPI. Vor Beginn des Lehrgangs wird mit den Teilnehmenden eruiert, wo ihre Bedürfnisse, ihre Defizite und ihr Verbesserungspotential liegen. So wird besprochen, welche Lehrveranstaltungen besucht und wie die neu gewonnenen Erkenntnisse in die Praxisarbeit umgesetzt werden können.
Worin unterscheidet sich der CAS zu anderen Ausbildungsangeboten wie z.B. jenen des das Lasalle-Hauses?
Typisch für unseren CAS an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern ist zum Einen der Akzent auf der Franziskanischen Spritualität. Darin liegt ein echtes Alleinstellungsmerkmal und ein Kernunterschied zum Lasalle-Haus, das sich eher auf die ignatianische Spritualitätsform bezieht. In den dort angebotenen spiritualitätsbezogenen Lehrgängen (CAS, MAS, DAS) kooperiert das Lasalle-Haus entweder mit der Universität Zürich, die keine katholische Theologie im Programm hat, oder mit der Universität Fribourg. Ohne die sicherlich attraktiven Angebote des Lasalle-Hauses aus der Binnenperspektive beurteilen zu können, erscheinen mir diese Lehrgänge zum Anderen nicht speziell darauf ausgerichtet zu sein, um Personen zur pastoralen Begleitung von Lebens- und Glaubenswege zu befähigen. Vielmehr geht es dort mehr um die eigene Selbstreflexion, Geschichte und Praxis der christlichen Spiritualität.
Wie sieht es hinsichtlich der Einordnung des CAS mit Blick auf die Module (Begleitung/Spiritualität) der Berufseinführung aus?
Die neue modularisierte Berufseinführung des Bistums Basel hat unterschiedliche Module. Von Seiten der Theologischen Fakultät und des RPI bieten wir hier die beiden Ergänzungsmodule «Kirchliche Jugendarbeit» und «Religionsunterricht und Katechese» an. Hierzu kommen die BE-Teilnehmenden jeweils an zwei Blocktagen an die Universität Luzern und werden in der Praxis begleitet. Diese beiden Ergänzungsmodule haben Spiritualität und geistliche Begleitung nicht zum Gegenstand. Inwiefern in der Berufseinführung des Bistums Basels und der anderen Bistümer, z.B. St. Gallen oder Chur, diese Thematik im Ausbildungsprogramm vorkommt, müsste im Einzelnen geprüft werden. Möglicherweise könnten Komponenten des CAS auch für Berufseinführung interessant sein, schliesslich werden angehende Seelsorger:innen in diesem Feld eingesetzt.
Wo situiert die UNI den CAS im Weiterbildungsfeld Spiritualität/geistliche Begleitung usw.?
An der Uni Luzern existiert eine Vielzahl von CAS-Studiengängen, die sich aus den sechs unterschiedlichen Fakultäten speisen (https://www.unilu.ch/weiterbildung/weiterbildungsakademie/). Die Palette der Angebote reicht von Leadershipkursen für Offiziere des Schweizer Militärs bis hin zu juristischen Weiterbildungen für Anwälte und Richter. Die bisherigen drei CAS-Studiengänge der Theologischen Fakultät und des RPI (Religionsunterricht, Katechese sowie kirchliche Jugendarbeit und Gemeindeanimation) haben den Fokus auf Spiritualität und geistliche Begleitung bislang noch nicht abgedeckt. Insofern schliesst der neue CAS eine Lücke. Für die Weiterbildungen des Bistums Basel können hier einzelne Module des Lehrgangs der INFAG synergetisch genutzt werden.
Interview: Brigitte Burri