In Christus erschaffen und geheiligt

Bischof Vitus nimmt in seinem Neujahrswort Jesus Christus als Urgrund, Träger und Ziel der Schöpfung in den Blick. Ochs und Esel an der Krippe werden zum Vorbild.

«Er ist [...] der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden» (Kol 1,15.16), so heisst es über Christus im Brief an die Gemeinde in Kolossä. Als Erstgeborener der ganzen Schöpfung betitelt, ist Jesus Christus ihr Urgrund, Träger und auch ihr Ziel. Er selber aber ist vor aller Schöpfung (Kol 1,17). Entsprechend lautet das Glaubensbekenntnis von Nicäa und Konstantinopel: «Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater ...»

Unter dem Titel «Erstgeborener der Schöpfung» betrachtet, ist die Geburt des Sohnes Gottes als Mensch ein Neubeginn für die ganze Schöpfung. Christus ist kraft seiner Geburt in der Zeit nicht nur Urgrund und Träger, sondern er geht selber in die Schöpfung ein. Sie wird durch sein Kommen geheiligt. Genauer: Sie wird von Neuem geheiligt. Denn sie stand unter dem Segen Gottes (vgl. Gen 1). Doch der Mensch hat bald einmal Fluch auf sich und die ganze Schöpfung geladen (vgl. Gen 3,17). Die Neuschöpfung durch den Sohn Gottes wurde notwendig. Sie erfolgte durch die Geburt des Sohnes Gottes als Mensch in der Zeit.  

Neubeginn für die ganze Schöpfung! Was kann das bedeuten? Ein Schlüssel dazu ist das Wort «hören». Der Mensch hat im Urzustand nicht auf Gott gehört. Gehör schenkte er einem Geschöpf (Gen 3,17) und brachte so den Fluch über sich und die Welt: «Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir geboten hatte, davon nicht zu essen, ist der Erdboden deinetwegen verflucht. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens» (Gen 3,17). Der Neubeginn durch Jesus Christus schenkt uns die Möglichkeit, von Neuem zu hören, diesmal auf den Sohn zu hören und statt des Fluches Segen über uns und die Welt zu bringen.

Üblicherweise werden mit Jesus in der Krippe Ochs und Esel dargestellt. Dieses Bild geht auf den Propheten Jesaja zurück. Bei Jes 1,2–4 lesen wir: «Hört, ihr Himmel, horch auf, Erde! Denn der HERR hat gesprochen: Ich habe Söhne grossgezogen und emporgebracht, doch sie sind mir abtrünnig geworden. Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht. Wehe der sündigen Nation, dem schuldbeladenen Volk, der Brut von Übeltätern, den Söhnen, die Verderben bringen! Sie haben den HERRN verlassen, den Heiligen Israels verschmäht, und ihm den Rücken zugekehrt.»

Das Tier wird zum Vorbild für den Menschen. Instinktiv finden Ochs und Esel zur Krippe. Sie spüren, wo Nahrung zu suchen ist. Sie finden den Weg zur Quelle des Lebens. An der Krippe Jesu stehend oder liegend, werden sie für uns zum Mahnmal. Hier ist Nahrung! Hier ist Leben, Leben in Fülle! In der Krippe ist der Sohn Gottes zu finden, nicht anderswo! Hierher müsst ihr kommen, nicht anderswohin laufen! Die Stimme vom Himmel wird später den Hinweis geben: «Auf ihn sollt ihr hören» (Mt 17,5). Mit dieser Aufforderung Gottes wollen wir ins neue Jahr schreiten.

+ Vitus Huonder, Bischof von Chur


Vitus Huonder

Vitus Huonder (Jg. 1942) ist seit 2007 Bischof von Chur.