Josua Boesch, der am 10. Juli 2012 in Zürich verstorben ist, gehört zu den Gestalten, die der Ökumene in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten ein eigenes Gepräge gaben. Ohne seine reformierte Herkunft zu verleugnen, führte ihn sein Weg weit in die katholische Welt hinein und hinterliess in ihr bleibende Spuren. Geboren in Niederweningen an der Grenze zwischen dem reformierten Zürich und dem katholischen Aargau, wählt Josua Boesch zunächst einen kunsthandwerklichen Beruf und absolvierte an der Zürcher Bahnhofstrasse die Lehre zum Gold- und Silberschmied. Nach einer Berufungserfahrung entscheidet er sich mit 21 fürs Theologiestudium. Er tritt damit in eine alte Tradition ein: Seine Vorfahren hatten im Jahre 1621 eine Stiftung gegründet, um das Theologiestudium ihrer Nachkommen zu finanzieren. Das Studium in Zürich, Basel und Bethel bringt ihn in Kontakt mit führenden Theologen seiner Zeit: Emil Brunner, Eduard Schweitzer, Eduard Thurneysen und Karl Barth. Von 1951 bis 1979 arbeitet Josua Boesch als Pfarrer in Rothrist, Mathon, Stallikon-Wettswil, Schaffhausen- Buchthalen und Affoltern am Albis. Besonders in seinen letzten beiden Gemeinden bemüht er sich, angeregt u. a. durch Aufenthalte in Taizé, intensiv um ein ökumenisches Miteinander und sucht nach neuen Wegen des Pfarrdienstes. Bereits 1969 schreibt er in sein Tagebuch: «Damals, als ich einundzwanzig Jahre alt war, hast DU mich mit ausdauernden Fragen zum Busch herausgeklopft, bis ich einen neuen Beruf wählte. Aber wozu bin ich eigentlich Pfarrer geworden? Sicher nicht zur Bewahrung eines traditionellen Standes innerhalb der Gesellschaft. Wohl eher, um zur schöpferischen Verwandlung dieses Berufes und der Kirche beizutragen. Aber wie? Kunsthandwerk und Pfarrdienst? Wie könnte das zusammen gehen? Die Churer-Dokumente des Bichofssymposiums und der europäischen Priesterkonferenz vom 5.–10. Juli 1969 weisen in diese Richtung. Ist der Arbeiterpriester in der reformierten Kirche möglich? »1 Ende 1973 entdeckt Josua Boesch seinen ersten Beruf neu und beginnt wieder, mit Metallen zu arbeiten.2 Dabei lässt er die Konventionen der klassischen Goldschmiedekunst hinter sich zurück und experimentiert mit neuen Verbindungen von Gold, Silber, Messing und Kupfer. Später kommen noch weitere Materialien hinzu: Keramik, Holz, Stein u. a. m. Das Experiment des reformierten Arbeiterpriesters, dem die reformierte Kirchgemeinde Affoltern 1978 zustimmt, dauert nur ein Jahr. Im Frühjahr 1979 nimmt Josua Boesch die ökumenische Einladung an, als Dauergast im toskanischen «Eremo di Camaldoli» mitzuleben. Das traditionsreiche Kloster trägt die Prägung des reformfreudigen Abtes Don Benedetto Calati (1914–2000), der sich für den ökumenischen und interreligiösen Dialog starkmacht und dem reformierten Künster-Theologen die Erlaubnis gibt, während der Eucharistiefeiern der Kommunität zu konzelebrieren. Das abgeschiedene Leben und der monastische Rahmen erlauben es Josua Boesch, seine kontemplative Kunst weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Inspiriert durch ost- und westkirchliche Traditionen, findet er zu einer eigenen Form der Metall-Ikonografie, deren Gehalt er in spirituellen Texten herausarbeitet. Durch viele ökumenische Kontakte, Ausstellungen, Kurse und Publikationen wird Josua Boesch in den folgenden beiden Jahrzehnten in der Schweiz zunehmend bekannt und als ein Zeichen lebendiger Ökumene wahrgenommen. Sucht man in seinem Werk nach einer ökumenischen Vision, so finden sich zum einen eine Reihe von Ikonen, die den mitunter schmerzlichen Prozess des ökumenischen Zueinander-Findens widerspiegeln. Zum anderen stösst man auf die Vision einer kontemplativen Ökumene, die aus dem gemeinsamen Schauen entsteht: «Es steht viel auf dem Spiel: das Leben auf dieser Erde. Zu viele Bilder und Worte überschwemmen die Welt. Eine wahre Sintflut von Wörtern und Bildern. Wo ist die rettende Arche? Wo ist noch Raum für die Stille? (…) Gibt es eine Arche des Schweigens, in der Worte atmen und Bilder verweilen dürfen, urfrisch und lebendig? Wo ist diese Arche?»3 Nach Josua Boesch sind es die kontemplativen Menschen selbst, die gemeinsam eine Arche bilden, indem sie sich vom Geschauten verwandeln lassen und das Geheimnis einer grösseren Einheit entdecken. In einer Meditation zu einer Ikone mit einem zerbrochenen Kelch und einem davonfliegenden Vogel reflektiert der reformierte Ikonograf über die Spannung von notwendiger Institution und unverfügbarem Geist: «Ohne Form und Gefäss können wir gar nicht zusammenleben. Man muss die Vielfalt ordnen, gestalten.»4 Doch w as, wenn diese notwendigen Gefässe sich als zu eng für das neue Leben erweisen, das Gottes Geist hervorruft? Was, wenn institutionelle Gefässe zerbrechen oder erodieren? Das Werk Josua Boeschs gibt keine leichten Antworten auf schwierige kirchliche und ökumenische Probleme. Seine Ikonen und Texte legen jedoch Spuren, die zum gemeinsamen Unterwegssein ermutigen. Sie verweisen auf die mitgehende Präsenz des Auferstandenen. Ihre stille Prophetie liegt in der Einladung zur verweilenden Schau, zu einem Aus- und Hindurch- Schauen, das die Ankunft und Gegenwärtigkeit von Gottes Wirklichkeit wenn nicht erspäht, so doch erahnt. Am 5. Februar 1986 schreibt Josua Boesch in sein Tagebuch: «Ein Prophet ist kein Voraus-Sager. Er schaut nur das Heute Gottes. Er durchschaut das Heute der Menschen und spürt dahinter Seine verborgene Präsenz.»