Leserbrief

Zur Ausgabe «Erneuerung der Ehe- und Familienpastoral» (11/2021)

«Amoris Laetitia» nicht ohne «Deus Caritas est»

Im Heft 11/2021 der SKZ wird das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus über die Liebe in der Familie unter verschiedenen wünschenswerten Aspekten der römischen Kurie, von drei Bistümern und einem Eheseminar thematisiert. Davon spricht einzig das Bistum St. Gallen in seiner Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie (PEF) von nicht gelungenen Partnerschaften, nämlich von «Menschen in Trennung-Scheidung», weil in der Schweiz 2020 bei 34'940 Eheschliessungen 16'091 (!) zivilrechtliche Scheidungen mit etwa 12'000 unmündigen Kindern registriert wurden. Eine konfessionelle Unterscheidung liegt nicht vor. Deshalb macht das PEF sich nicht nur Gedanken, zum Gelingen der Ehe beizutragen, sondern auch beim Gegenteil. «Wie gelingt es uns, unsere Beziehungen in den Herausforderungen des Alltags lebendig zu gestalten? Was hilft uns, wenn unsere Ehe in die Brüche geht?» 1 Kor 13 mag sicher hilfreich sein, aber eben nicht immer für beide Partner überzeugend: «doch am grössten unter ihnen ist die Liebe.»

Hier hilft Papst Benedikt XVI. weiter, der das deutsche Wort Liebe hinterfragt: «Gehören alle diese Formen von Liebe doch letztlich in irgendeiner Weise zusammen, und ist Liebe doch – in aller Verschiedenheit ihrer Erscheinungen - eigentlich eins, oder aber gebrauchen wir nur ein und dasselbe Wort für ganz verschiedene Wirklichkeiten? Der Liebe zwischen Mann und Frau, die nicht aus Denken und Wollen kommt, sondern den Menschen gleichsam übermächtigt, haben die Griechen den Namen Eros gegeben» (DC 2,3) Benedikt sieht das Wort Eros zum Laster entartet, beiseitegeschoben durch das Wort Agape, die neue Sicht der Liebe in der Christenheit. «Das ist nicht Absage an den Eros, […] sondern seine Heilung zu seiner wirklichen Grösse hin» (DC 5) «Der Mensch wird dann ganz er selbst, wenn Leib und Seele zu innerer Einheit finden; die Herausforderung durch den Eros ist dann bestanden, wenn diese Einung gelungen ist […] Nur so kann Liebe – Eros – zu ihrer wahren Grösse reifen» (DC 5). Benedikt will aber die Trennung Eros und Agape nicht gelten lassen. «Je mehr beide in unterschiedlichen Dimensionen in der einen Wirklichkeit Liebe in die rechte Einheit miteinander treten, desto mehr verwirklicht sich das wahre Wesen von Liebe überhaupt» (DC 7). Das zeigt sich auch bei Gott beim «Ehebruch», dem Bruch des Bundes Israels. «Die leidenschaftliche Liebe Gottes zu seinem Volk – zum Menschen – ist zugleich vergebende Liebe. Sie ist so gross, dass sie Gott gegen sich selbst wendet, seine Liebe gegen seine Gerechtigkeit» (DC 10). «Der Eros verweist von der Schöpfung her den Menschen auf die Ehe, auf eine Bindung, zu der Einzigkeit und Endgültigkeit gehören […] die Art, wie Gott liebt, wird zum Massstab menschlicher Liebe» (DC 11).

Beim Gespräch mit den Eheleuten wird das unter Punkt 26 festgehalten: «Sind Sie sich bewusst, dass auch zur christlichen Ehe die Fähigkeit zur geschlechtlichen Vereinigung gehört?»

Genau dieser Punkt wird zum Angelpunkt der PEF-Pastoral bei den sogenannten «wiederverheiratet Geschiedenen». Nach jetzigem Verständnis ist einem solchen Paar die Absolution dieser ständigen Sünde der geschlechtlichen Vereinigung zu verweigern. Solche Seelsorgegespräche enden beidseitig unbefriedigend unter Tränen, wohl gemerkt, bei einem sich auf Dauer neu gebildeten Paar, nicht bei einem «zum Sex degradierten Eros», «sondern wenn die Liebe zwischen Mann und Frau […] den Menschen gleichsam übermächtigt.»

Hier kommt noch der dritte Papst, Johannes Paul II., versteckt in der Fussnote 174 im nachsynodalen Schreiben Franziskus' zu Wort: «die von einem anderen menschlichen Wesen als Person hervorgerufene Emotion strebt […] nicht an sich den ehelichen Akt an.»

Papst Johannes Paul II. versucht, mit seiner Feststellung die ständige Sündhaftigkeit durch seine andere Sichtweise abzumildern, wie man es auch bei Papst Benedikt XVI. mit der Übermächtigung «nicht aus Denken und Wollen» spürt. Beide Päpste wollen damit («nicht an sich» und «gleichsam übermächtigt») in der Bewertung einer nicht zu vergebenden Sünde die Permanenz des geschlechtlichen Aktes nehmen und sehen so die neue Liebesverbindung von Frau und Mann quasi als Josephsehe, die temporär gebrochen werden kann.

Dies ist durch unsere Kirche den betroffenen Paaren in versöhnender Weise zu vermitteln, abgesichert mit der Zusage der Gnade Gottes durch den letzten Canon 1752 des CIC.

Maximilian G. Kroiß, Pfarrer in Urdorf
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