Es gibt mindestens so viele Beweggründe, der sonntäglichen Eucharistiefeier fernzubleiben, wie es Getaufte gibt, die genau dies tun. So kann es auch das Konzept oder die Strategie nicht geben, unsere Kirchenbänke wieder zu füllen, wenn man im Blick behält, dass in einer heterogenen Gesellschaft sehr viele Twens und erst recht die meisten Teens nicht mehr die geringste Ahnung haben, was eine Messe ist. Eines aber ist sicher: Ein recht grosses Segment von jungen Erwachsenen (v. a. Männer) surft täglich länger im Internet, als andere beten. Es kann deshalb nicht erstaunen, dass auf einschlägigen Internet- Video-Foren inzwischen jede Menge von religiöser Apologetik zu finden ist. Messfeiern auch. Oft begegnet einem dort die ausserordentliche Form des römischen Ritus.
Die Idee
Böte das Internet über solche Clips hinaus nicht auch die Chance, interaktiv, spielerisch und selbstbestimmt mit der Messe in Berührung zu kommen? Aber dann so, dass der User (so nennt man den potenziellen virtuellen «Gottesdienstbesucher» wohl am besten) vom neugierigen Hin- und Herklicken motiviert wird, nach tieferen Informationen zu graben. Warum sich also nicht ihres Mediums bedienen und eine Art Messerklärung anbieten, die eher über ästhetische Andockstellen funktioniert? So etwa kam bei mir die Ausgangsidee des früheren Bischöflichen Beauftragten für Radio und Fernsehen, Willi Bühler, zu einer interaktiven Messe im Internet vor rund zwei Jahren hinüber (vgl. seine Ankündigung der Site in SKZ 181 [2013], Nr. 4, 49). Daraus entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit mit ihm, dem Katholischen Mediendienst und dem Liturgischen Institut. www.die-messe.org ist seit dem 1. Februar 2013 online.
Ziel und Methode
Von der Vorstellung einer «ideal» nachgestellten Messe im Studio kam man schnell weg. Authentizität war gefragt. Aber auch Varietät. Heisst es nicht dauernd, die Messe sei doch irgendwie immer dasselbe? P ositiv gewendet heisst d as aber auch: Jede Art Messerklärung begegnet der Herausforderung, die grosse Kraft zu vermitteln zu versuchen, die von einem religiösen Ritual ausgeht, das ja nichts weniger behauptet, als eine umfassende Weltdeutung zu bieten, die den Menschen angesichts Gottes und kraft dessen Geistes zu seinem wahren Selbst finden lässt. Also: das immer gleiche – eigentlich ja dasselbe – wirkmächtige Mysterium in je neuer Aktualisierung virtuell zur Darstellung zu bringen – ohne auch nur den Hauch einer Illusion aufkommen zu lassen, eine Online-Messe ersetze das reale Mitfeiern einer Eucharistiefeier.
Wie geht www.die-messe.org?
Dieser Zielsetzung folgend wird der User auf www. die-messe.org von Beginn weg damit konfrontiert, dass es die Messe nur je konkret, kontingent und von daher auch ästhetisch nie zweimal gleich gibt. Schon auf der Eingangsseite wird ihm spielerisch ein Entscheid abgerungen: Er muss eine Kirche wählen, um die Messe (neu) kennen zu lernen. Üppiger Barock oder nüchterne Betonskulptur oder ländliche Roman(t)ik? Aber nach erfolgter Wahl des virtuellen Kirchenraumes als Bildschirmhintergrund erkennt der User erst recht, wie «bunt» die Messe daherkommen kann. Aus mehreren Fernsehgottesdiensten sieben verschiedener Pfarreien stammen die Video-Clips, die, nacheinander angeschaut, die ganze Messe zur Darstellung bringen. Verschiedene Kirchenräume, unterschiedliche musikalische Gestaltungsästhetiken, unterschiedliche Zelebrationsstile der Liturgen und je anders zusammengesetzte Feiergemeinden: Auf dieser ersten Ebene des Angebots wird der User vor allem intuitiv angesprochen. Andrea Meier führt als junge Theologin mit kurzen Intros durch die Kapitel der Messe und personalisiert damit das sonst «kalte» Medium. Sie vertieft zudem im Gespräch mit dem (schreibenden) Liturgie- Fachmann gewisse Themen in Hintergrund-Clips, verteilt über die Messsequenzen. Auf dieser zweiten Ebene wird den Interessierten mehr abverlangt. Scholastische Terminologie wird weitgehend vermieden und dafür mehr auf biblische und anthropologisch nachvollziehbare Argumentation gesetzt. Trotzdem sind die Gespräche anspruchsvoll. Auf dieser Ebene siedeln sich auch Textdateien an, die den entsprechenden Teil der Messe erläutern und auch Gebetstexte wiedergeben. Verlinkungen führen zu einschlägigen Artikeln auf dem Liturgieportal www.liturgie.ch weiter, wo sich das Team des Liturgischen Instituts bekanntlich seit Jahren bemüht, differenziert und z. T . ausführlich zu einem tieferen Verständnis von Liturgie hinzuführen. D ie Rubrik «Hinter den Kulissen» liefert weitere Informationen zur Messe. Grundsätzliche Themen werden hier im schon bekannten Setting zwischen Theologin und Liturgiker diskutiert. Der Kirchenmusik kommt in der Gestaltung der sonntäglichen Eucharistiefeier und in der Liturgie überhaupt eine wesentliche Rolle und den Zuständigen eine entsprechende Verantwortung zu. Das zeigen schon die Videos mit den Fernsehgottesdienstsequenzen gut auf. Den Usern wird hier ein breites Repertoire auf hohem Niveau präsentiert. Hinter den Kulissen gibt ein eigenes Unterkapitel Einblick in kirchenmusikalische Fragestellungen, in Probearbeit mit verschiedenen Chören nebst Interviews und Orgelklangbouquet. Im wörtlichen Sinn hinter den Kulissen finden die Interessierten sich schliesslich im Video Sakristei vor, wo liturgische Geräte und Paramente erklärt werden.
Interaktive Messerklärung
Die Gattung Messerklärung ist alt. Während Jahrhunderten galt es zum einen, die Barriere zwischen Ritus- und Volkssprachen zu überbrücken. Zum anderen bedurften viele Ritenelemente der Erläuterung, da sie, durch Überformung bedingt, nicht mehr aus sich selbst verständlich waren. Jetzt ist wohl der Ritus dank der Liturgiereform, die das Zweite Vatikanische Konzil angeordnet hat, wesentlich zugänglicher, und die Sprache wäre verständlich. Der weitgehend abgerissene Tradierungsfaden jedoch macht es nötig, dass sich die Kirche der neuen Kommunikationsmittel bedient, wie sie das – vorsichtig, aber entschieden – immer getan hat. Denn es ist dringend, neue Zugänge zu unseren Schätzen zu legen, damit das Geheimnis des Glaubens nicht (noch) mehr als Geheimniskrämerei missverstanden wird. Mit der Verlinkung von www.die-messe.org a uf d as F acebook-Konto des Liturgischen Instituts ist mindestens ein konkretes Gesprächsangebot signalisiert. Ob es neben kirchlichen Mitarbeitenden auch von eher Fernstehenden, die wir ja erreichen wollen, genutzt werden wird, wird sich zeigen.
Alles über die katholische Messe?
www.die-messe.org ist also nicht das ultimative Konzept der Neuevangelisierung. Es ist ein Pilotprojekt, das Angebot einer Andockstelle mitten im Kommunikationsgestrüpp www. Eine unaufdringliche Pädagogik des Accueils führt den User vom Einfachen ins Profundere bis hin zu den Fragen nach Realpräsenz, Trinität und Zulassung zur Kommunion. Die differenzierte Verlinkung auf Artikel unseres Liturgieportals garantiert, dass bewusst einfach gehaltene Erklärungen theologisch verantwortet aufgefangen werden. Früher oder später sucht jeder www-Surfer wieder die Realpräsenz. Es ist zu hoffen, dass er dann weiss, wo sie zu finden ist. Eine unserer kleinen Hoffnungen ist, dass wer dereinst «messe» googelt, weil er eine Warenmesse sucht, auf der wahren Messe landet: www.die-messe.org! In diesem Netz klug mitzuspinnen, ist keine Option mehr. Es ist missionarisches Gebot der Stunde. Und macht durchaus Spass, wie man neudeutsch sagt.