Nie wieder Krieg

Der Krieg in der Ukraine ist Anlass zu weltweiter Besorgnis. Krieg, und das bei uns hier in Europa – ein Alptraum. Franz Kreissl ruft dazu auf, diesem «Verbrechen vor Gott und an den Menschen» keine Chance zu geben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Europa eine Generation von Politikern und Politikerinnen, die egal in welchem politischen Streit immer glaubhaft die Haltung vertrat, dass der Krieg kein geeignetes Mittel der Politik sei. Diese Generation hatte den Krieg am eigenen Leib erlebt. Mit den Kriegen auf dem Balkan war diese gemeinsame Basis zerstört, und heute erleben wir den Krieg in einem Ausmass und in einer Nähe, die mir den Atem nimmt. Obwohl in diesem Fall völlig klar zu sein scheint, wer der Aggressor ist und wer damit auf der anderen Seite das Recht auf Notwehr und Selbstverteidigung hat, stellt sich mir doch die Frage, ob der Friede überhaupt eine Chance hat.

Ist nicht die Rede vom Frieden und der Einsatz für die friedliche Lösung von Streitigkeiten im besten Fall idealistisch, aber letztlich doch umsonst und vergeblich?

Ich sage NEIN – und ich hoffe, dass auch die Kirchen wieder dahin kommen, Nein zu sagen. Ich sage NEIN – und erinnere gleichzeitig daran, dass Friede nicht umsonst zu haben ist. Auch Friede kostet Energie und Einsatz. Friedenserziehung, die friedliche Beilegung von Konflikten, das Begehen von Versöhnungswegen – das alles muss gelernt sein und geübt werden. Mahatma Gandhi hat einmal sinngemäss gesagt, wenn die Menschheit all die Energie, die sie für Krieg und Waffen aufbringt, in den Frieden investieren würde, hätte dieser Friede eine Chance.

Woher also die Kraft nehmen, um immer wieder und gerade heute für den Frieden einzustehen?

«Die aber auf den Herrn hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Flügel. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt.» Was für eine Provokation des Propheten Jesaja, eine echte Zumutung! Wo ist denn dieser Gott, auf den wir hoffen sollen? Warum lässt er den Wahnsinn des Krieges immer noch zu? Warum lässt er Machthaber, die Lügen verbreiten, nicht verstummen? Warum zerreisst er nicht den Schleier der Heuchelei, der bei allen schönen Reden doch oft verbirgt, worum es eigentlich geht, nämlich um Rohstoffe und Macht, um Öl und Einfluss?

Im Wort «Zumutung» steckt das Wort Mut. Diesen Mut brauche ich, denn ich erlebe die Müdigkeit und den Zweifel. Aber aus Müdigkeit muss keine Resignation werden. Gott möchte mich herausreissen aus der Müdigkeit – und zwar in voller Kenntnis meiner Schwäche – und zur Feststellung, dass die Kraft dann wohl nicht mehr meine ist, sondern von woanders herkommt: «Sie laufen und werden nicht müde … wandern und werden nicht matt.» Mitten ins Herz sollte dieser Satz alle Zweifelnden treffen und die Mauern der Bedenken und Einwände einstürzen lassen.

Gottvertrauen ist kein bequemer Weg, um alles loszuwerden. Gottvertrauen verdeckt die eigene Verantwortung nicht – und auch nicht die Frage, was jede und jeder von uns tun kann, um Frieden zu schaffen. Wir Menschen können zwischen Gut und Böse unterscheiden. Auf uns kommt es an, wenn wir am Frieden interessiert sind und nicht in Kriegen untergehen wollen, die wir selber durch Unterlassung mitverursacht haben.

Als Christinnen und Christen sollten wir noch einmal und immer wieder sagen, ganz laut, was Krieg ist: ein Verbrechen vor Gott und an den Menschen. Laut, nicht müde und matt. Wir sollten nahe zusammenrücken, denn wir sind nicht allein, und laut sagen: Nie wieder Krieg – und dann wieder anfangen, alles zu tun, damit wir mit allen Menschen den Frieden lernen und Gerechtigkeit erfahren.

Franz Kreissl


Franz Kreissl

Franz Kreissl (Jg. 1958) ist verheiratet, hat vier erwachsene Kinder und sechs Enkel. Er studierte Theologie in München und Freiburg i. Br. Im Bistum St. Gallen arbeitet er seit 1986, zunächst als Pastoralassistent, dann als Seelsorger in der Psychiatrie. 2007 übernahm er die Aufgabe als Pastoralamtsleiter.