Personal um jeden Preis?

(Bild: Stephanie Hofschlaeger/pixelio.de)

 

Die Personalsituation in den deutschschweizer Bistümern ist – sorgfältig ausgedrückt – herausfordernd. Im Fokus steht der rückläufige Personalbestand. Und nach einem durchgeführten Personalmonitoring im Bistum Chur liegt es nun auf dem Tisch: Im Bistum Chur werden 43 Prozent der Mitarbeitenden in den Pfarreien in den nächsten 10 Jahren pensioniert, 63 Prozent in den nächsten 15 Jahren. In anderen Bistümern siehts wohl ähnlich aus. 

Nun ja – nicht so schlimm, könnte man sagen: Der Mitgliederschwund und die finanziellen Ressourcen gehen ja auch zurück – so zeigen es uns die aktuellen Kirchenstudien zu diesem Thema. Gemeinsam retour – wäre ja eine Taktik. Aber eigentlich doch keine Perspektive. Wir müssen auch im Kleinerwerden innovativ bleiben.

Deshalb braucht es eine Perspektivenerweiterung nicht nur in der Pastoral, sondern auch bezüglich Personal. Es geht darum, einige «Stellschrauben» aktiv zu gestalten. Wichtig wird u. a. sein, wie eine gegenwärtige und zukünftige Seelsorgeausbildung gedacht wird. Einig ist man sich, dass die Qualitätsfrage gestellt bleiben muss. Aber: Lohnenswert ist es, bisherige Ausbildungskonzepte erweitert zu denken. Dabei kann der Kompass hilfreich sein, dass erstens Aus- und Weiterbildung zusammengedacht werden muss und zweitens für die Steuerung ein einfaches, wissenschaftsorientiertes Kompetenzmodell für die Seelsorge angewandt wird. Entsprechende Dokumente gibt es schon, sie können dafür als eine hilfreiche Grundlage gesehen werden. Viele Mitarbeiter/-innen haben eine Offenheit, sich für neue Funktionen, vorab für die Pfarrei- und Spezialseelsorge zu qualifizieren. Das ist ein Resultat aus dem Monitoring. Dieses Potenzial gilt es mit entsprechenden Aus- und Weiterbildungsangeboten weiter zu nutzen. Der zukünftige duale Studiengang nimmt dieses auf. Wichtig dabei: Die Formate müssen mit den zeitlichen Möglichkeiten kongruent sein. Die zukünftige Frage wird auch sein, wie Quereinsteiger/-innen als Seelsorgende aktiv tätig sein werden. Viele Menschen verfügen über Qualifikationen, welche für die Seelsorge und Pfarreiarbeit fruchtbar gemacht werden können. Zu beachten dabei: Die Ausbildungszeit muss entsprechend praktikabel sein und die qualifizierte Weiterbildung als integrativer Teil der Entwicklung der eigenen Profession verstanden werden. Ebenfalls stellt sich die Frage der Qualifikation von Freiwilligen. Freiwillige verstehen ihr Engagement heute projektbezogen und die eigene Qualifikation, um die Arbeit gut zu machen, ist ihnen wichtig. 

Wir leben in einer sich stetig veränderten Welt, deren Komplexität sich erhöht, die Unsicherheit und Mehrdeutigkeit nimmt zu und nicht ab. In einer solchen Situation müssen wir eingestehen, dass wir die Kontrolle und Steuerung im Kern dann verlieren, wenn wir zu starre Konzepte verfolgen. Agilität und Anpassungen sind gefordert, damit die biblische Vision der befreienden und lebensbejahenden Botschaft Gottes auch in unserer Zeit wachgehalten werden kann.

Guido Estermann*

 

* Dr. Guido Estermann (Jg. 1967) ist Beauftragter für Pastoral des Generalvikars Zürich/Glarus.