Bruder Klaus dienten das bekannte Meditationsbild und eine Radskizze der Vertiefung seines Glaubensweges. Othmar Frei geht den geschichtlichen Zeugnissen nach (Teil II. Siehe auch SKZ 25/2017, S. 327 ff).
Das in der Sachsler Kirche aufbewahrte Meditationsbild ist zwischen 1460 und 1480 entstanden und war während seiner letzten Lebensjahre im Besitz von Bruder Klaus. Wer es ihm geschenkt hat, ist nicht bekannt. Um die Mitte des Bildes sind sechs Medaillons angeordnet: Verkündigung, Geburt, Schöpfung, Gefangennahme, Kreuz, Eucharistie. Die beiden Medaillons Jesus am Kreuz und Priester bei der Konsekration lassen an die Passions- und Eucharistiefrömmigkeit des Eremiten denken. Aber aus dem Bild lässt sich nichts über sein Verständnis dieser Glaubensinhalte eruieren. Bruder Klaus hat sich nie über die Medaillons des Bildes geäussert.
In dem von Max Rüedi kreativ um- und neugestalteten Betrachtungsbild mit ebenfalls sechs Medaillons konzentriert der Künstler das Messmedaillon "auf die Erinnerung an das letzte Abendmahl und auf die Verehrung der konsekrierten Hostie, die für Bruder Klaus zweifellos zentral war. Erinnert wird an die vielen Mahlzeiten, bei denen Jesus sein Leben und seine Botschaft mit andern teilte …"1. Dieses Medaillon hätte Bruder Klaus nicht missfallen können, da er ja "in jedem Brot die Gnade Gottes verborgen" sah.
Meditationsbild: zweimal erwähnt
In den Quellen bis zur Biografie Wölflins wird das Meditationsbild nur zweimal erwähnt: im Pilgertraktat und in Heinrich Gundelfingens Biografie (Lobrede). Nach der Erklärung der Vaterunser-Bitte habe Bruder Klaus gesagt: "Wenn es dich nicht verdriesst, so will ich dich auch mein Buch sehen lassen, worin ich lerne und die Kunst dieser Lehre zu verstehen suche. Und er trug eine Zeichnung herbei mit einer Figur, die aussah wie ein Rad mit sechs Speichen, in der Art, wie es hier abgebildet ist".2 Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass Bruder Klaus keine Radskizze, sondern nur das Bild hatte, dass also das Vorzeigen des "Buches" eine Fiktion des Pilgers ist und er die Radskizze (nach der Grundstruktur des Bildes) selber erfunden und publiziert hat.3 Wie Bruder Klaus dem Pilger sein "Buch" erklärt hat, kann aber im Kern seinen tatsächlichen Aussagen entsprechen. Sie betreffen vor allem die Trinitätslehre. Hier sei nur darauf verwiesen, was er zur zweiten "Speiche, die beim inneren Ring breit ist und nach aussen hin, gegen den äusseren Ring klein wird", sagt: "Den gleichen zarten Leib (wie des kleinen Kindleins bei der Geburt) gab er uns zur Speise mitsamt seiner ungeteilten Gottheit (…) auf diese Weise ist die grosse Kraft Gottes, des allmächtigen, in dieser geringen Substanz der Hostie".4
Niklaus vor dem Einsiedlerleben
Die (nicht zahlreichen) Quellen, die nach dem Eucharistieverständnis von Bruder Klaus befragt werden können, betreffen die Zeit seines Einsiedlerlebens. Aber was er dem Dominikaner knapp zwei Jahre nach dem Abschied von der Familie gesagt hat, betrifft die vorangehende Zeit und belegt, dass Nikolaus schon vor dem Einsiedlerleben die Eucharistie hochschätzte.
"Als ich ein Jüngling war, nahm ich eine Frau und war mächtig in Gericht und Rat und in den Regierungsgeschäften dieses meines Vaterlandes. Dennoch erinnere ich mich nicht, mich jemandes so angenommen zu haben, dass ich vom Pfade der Gerechtigkeit abgewichen wäre, und vor allen Menschen schätzte und ehrte ich das königliche und priesterliche Geschlecht, das heisst die Priester Christi, so dass, so oft ich einen Priester sah, es mir schien, ich sähe einen Engel Gottes. Erst dadurch, glaube ich, kam ich zu der grossen Ehrfurcht und Verehrung für das heiligste Sakrament des Leibes und Blutes Jesu Christi".5
Nachgedanken
Die Aussagen zur Trinität bei der Erklärung des Radbildes (oder auch in der Pilgervision) scheinen mir Bruder Klaus viel eher "zumutbar" als die bei der Erklärung des Vaterunsers gleichsam in einem Atemzug verwendeten fachtheologischen Begriffe und Wendungen: "Hostie / verwandelt / kein natürliches Brot mehr / sondern allein Fleisch und Blut / mit unaussprechlicher Gnade / wahrer Gott und wahrer Mensch / unsichtbar / in jeder Hostie bleibt die Gottheit ungeteilt / und zwar in jedem Partikel voll und ganz". Vermutlich hat da der Pilger als Verfasser des Traktats massgebend nachgeholfen. Auch der bei der passionis memoria in indirekter Rede des Niklaus verwendete Ausdruck "Scheidung von Leib und Blut Christi" scheint auf den Kleriker Wölflin zu weisen, es sei denn, man könnte diese Wendung als damals allgemein üblich nachweisen.
Die zentralen Themen der katholischen Eucharistielehre des Mittelalters und bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil sind die wirkliche Gegenwart Christi in den Gestalten von Brot und Wein (Realpräsenz) und die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Christi in der Messe (Messopfer). In den alten Quellen findet sich nur im Pilgertraktat eine Aussage zur Realpräsenz. Bruder Klaus habe erklärt, die verwandelte Hostie sei "kein natürliches Brot mehr, sondern allein Fleisch und Blut Christi". An der besprochenen Stelle zur geistlichen Kommunion sagt er vom Sakrament nur, dass er davon gestärkt werde. Nirgends spricht Bruder Klaus vom "Messopfer", sehr wohl aber vom Kern dieser theologischen Aussage, nämlich vom Leiden Christi (und seiner Lebenshingabe). Und vom Leiden Christi hat Niklaus nicht nur gesprochen, sondern es betrachtend mitvollzogen.