Verzichten, so könnte man meinen, ist in unserer Konsumgesellschaft aus der Mode gekommen. Es scheint, als ob wir auf nichts mehr verzichten müssen, denn wir können uns hierzulande beinahe alles leisten. Dass sich dies nicht immer so verhält, erfährt, wer zum Beispiel von einer schweren Krankheit betroffen ist. Auch gibt es viele, welche sich gegen dieses Konsumdenken stellen und sich deswegen bewusst einschränken. Ich kenne Menschen, die auf Fleischgenuss, Reisen mit dem Auto oder Flugzeug oder in Plastik eingepackte Lebensmittel verzichten, um die Umwelt zu schonen. Mein Bruder führt freiwillig ein Leben ohne feste Anstellung und Wohnung, um frei zu sein und zu Fuss durch die Welt ziehen zu können. Ein mir bekanntes Ehepaar hingegen gründete eine Familie. Obwohl die beiden gerne ungebunden sind und Neues entdecken, verzichten sie nun zum Wohl ihrer fünf Kinder darauf, immer wieder ihren Wohnort zu wechseln, und wahrscheinlich noch auf vieles mehr.
Ich selbst bin eine Ordensfrau. Auch dieses Leben ist voll von freiwillig gewähltem Verzicht. Mein vor ein paar Jahren abgelegtes Gelübde des Gehorsams gegenüber unserer Oberin und unserer Regel bringt mit sich, dass ich ein Leben ohne Ehepartner, Kinder und eigenes Bankkonto führe, in einem kleinen Zimmer wohne und mich einem ziemlich stark geregelten Tagesablauf füge. Durch mein Gehorsamsgelübde erkläre ich mich bereit, nach einem Prozess des gemeinsamen Suchens auf eigene Ideen und Vorstellungen zu verzichten. Manchmal möchten Menschen mit einem mitleidigen Unterton von mir wissen, was wir im Kloster alles dürfen bzw. nicht dürfen. Ich jedoch empfinde die Einschränkungen, die das Ordensleben mit sich bringt, nicht als etwas, das ich nicht darf. Die Verzichte nehme ich freiwillig und gerne auf mich. Gegen nichts in der Welt würde ich die innere Freiheit, die ich verspüre, wenn ich mich darauf einlasse, austauschen wollen. Neben der tiefen Freude, die ich dadurch immer wieder erfahre, ist diese innere Freiheit zudem Voraussetzung dafür, dass ich Entwicklungen in der Gemeinschaft mitgehen kann, welche nötig sind, damit unsere Gemeinschaft lebendig bleibt und sich immer neu den Bedürfnissen der Menschen um uns herum und den Fähigkeiten ihrer Mitglieder anpassen kann.
All die oben genannten Beispiele zeigen letztlich, dass verzichten nur kann, wer nicht den Verzicht ins Auge fasst, sondern das grössere Gut, das der Verzicht mit sich bringt. Dies kann eine bewohnbare Erde sein, Freiheit, das Wohl der Kinder und Mitmenschen oder wie in meinem Fall die Freude daran, ganz Gott zu gehören und die damit verbundene innere Freiheit und Gelassenheit gegenüber vergänglichen Dingen. Den Prozess des Verzichts könnte man mit folgendem Bild beschreiben: Wenn ein Kind auf mich zuläuft und ich in jeder Hand eine Einkaufstasche halte, dann stelle ich ohne zu zögern die Taschen hin, um das Kind in die Arme zu schliessen.
Sr. M. Manuela Gächter*