Karl Lehmann, Mit langem Atem. Wege – Erfahrungen – Einsichten. Der Kardinal im Gespräch mit Markus Schächter, Herder, Freiburg Basel Wien 2016, 272 Seiten.
In einem langen spannenden Gespräch mit dem Medienethik- Professor Markus Schächter entwirft Kardinal Karl Lehmann ein klares Bild der heutigen Kirchensituation: Vornehm, ohne Häme, dankbar, aber schlicht und offen.
Als Professor in Mainz und Freiburg i. Br. und dann als Bischof von Mainz (eben zurückgetreten) und Präsident der deutschen Bischofskonferenz war er intellektuell und institutionell in die Weltkirche eingebunden. Seine Grundüberzeugung: miteinander reden, vermitteln, redlich planen, deutlich zur Überlieferung stehen und sie in die Moderne tragen und «langer Atem». Ohne abschätzige Bemerkungen kann er von der grössten Enttäuschung seines Lebens reden: als «die römische Kurie» (wer ist das jeweils genau?) einen pastoralen Text zur Situation Geschiedener von ihm, Kardinal Kasper und Erzbischof Saier brüsk ablehnt. Oder die harte Diskussion mit Joh. Paul II., der von ihm beim Antrittsbesuch als Präsident der DBK barsch verlangt, die «Königsteiner Erklärung», das pastorale Wort der DBK nach «Humanae vitae» 1968, das dem Gewissen den gebührenden Platz einräumte, zurückzuziehen (was er nicht tut). Oder wenn Benedikt XVI. 2014 in einer Neuausgabe einen sehr guten Aufsatz Joseph Ratzingers über die «Unauflöslichkeit der Ehe» von 1972 in den Schlussfolgerungen abändert, die nicht mehr zur vorhergehenden Argumentation passen. Anderseits war es nicht Joh. Paul II., der seine Kardinalsernennung hinauszögerte, er hat sie «gegen Widerstände durchgesetzt», wie Kardinal Dziwisz ihm sagte. Klug auch die Bemerkungen zu Heidegger, den Lehmann sehr gut kannte, auch persönlich. Er steht ganz zum Konzil, das nicht für «die Krise» verantwortlich gemacht werden kann, tritt ein für den Dialog (auch in der Theologie – er kann durch Verbote nicht gestoppt werden), die Kirche muss synodaler werden und sich vor theatralischen Inszenierungen hüten. Eine lehrreiche, erfrischende Lektüre.