Am 8. März 1971 veröffentlichte Paul VI. die Bulle Paroecialis et collegialis. Sie beendete «jegliches Band der Vereinigung» zwischen den Bischofssitzen Basel und Lugano und verlieh Monsignore Martinoli offiziell den Titel «Bischof von Lugano». Der 50. Jahrestag lässt mit Dankbarkeit auf die bisherige Treue eines Volkes zu seiner eigenen religiösen Tradition blicken. Während das Erbe unserer Kirchen als Erinnerung an unsere Herkunft unverändert bleibt – vom ältesten, noch vollständig erhaltenen christlichen Sakralbau der Schweiz, dem Baptisterium in Riva San Vitale, bis zur Kathedrale in Lugano –, ist die religiöse Situation eine andere und erfordert einen dynamischen und kreativen Umgang. Als die Pilgernde Gottesmutter 1949 durch das Tessin zog, unterzeichneten 120'000 Tessinerinnen und Tessiner persönlich die Weiheurkunde an die Jungfrau Maria. Damals zählte der Kanton 160'000 Einwohner. Heute erodiert die Zahl der römisch-katholischen Bevölkerung beträchtlich. Gemäss den jüngsten Daten des Bundesamtes für Statistik wächst der Anteil der Bevölkerung, der sich als «konfessionslos» bezeichnet. Er macht aktuell 22,8 Prozent der Tessiner Bevölkerung aus gegenüber 63 Prozent Katholiken.
Ein junger Bekannter fragte mich: «Wozu ist Religion gut?» Eine Frage, die eine weit verbreitete Sichtweise auf die Religion zeigt. Im Evangelium gibt es eine unserer Situation entsprechende Szene, wie Jesus am Kreuz von Passanten verspottet wird: «Wenn du Gottes Sohn bist, hilf dir selbst und steig herab vom Kreuz» (Mt 27,40). Der zeitgenössische Mensch ist oft versucht, Fragen in demselben Tenor zu stellen: «Warum zeigt sich Gott nicht mit der Evidenz mathematischer Logik? Warum löst Christus nicht unsere Probleme und hat nicht die der Menschheit vor uns gelöst?» Aber Jesus steigt nicht vom Kreuz herab, er «zeigt» sich nicht, weil Gott sich nicht aufdrängt, sondern sich anbietet und in seinem Angebot etwas von sich selbst offenbart: die Allmacht einer Liebe, die die Welt nicht mit Gewalt verändert, sondern allenfalls in der Annahme der Zerbrechlichkeit zu den Herzen spricht.
Bischof Lazzeri rief in seinem Hirtenbrief «Von Herzen neu anfangen» (2020) dazu auf, über die Entwicklung von «kleinen und bescheidenen Werkstätten der Hoffnung nachzudenken, Orte, an denen der Glaube an den toten und auferstandenen Christus nicht nur der allgemeine Bezugspunkt für gewohnheitsmässige religiöse Treffen ist, sondern ein Sauerteig [...] der gegenseitigen und geschwisterlichen Gegenwart, der Aufmerksamkeit für alle Formen der Not, des Elends und der Armut». Dieser Traum des Bischofs von solchen Orten kann auch ein Wunsch für den 50. Jahrestag sein.
Cristina Vonzun*