Papst Franziskus lässt die Synode 2023 weltweit beginnen. Die Bischofssynode werde von einem Ereignis zu einem Prozess (Mario Kard. Grech). Die Reaktionen füllen das Spektrum von «Die Gunst der Stunde» bis zu «Das bringt nichts». Den Unterschied machen «nur» und «auch». Wer «nur» mitredet, damit sich nichts verändert, wird genauso enttäuscht sein wie jene, die «nur» ihre Veränderungspostulate durchbringen wollen. Begeisterte werden jene sein, die im Mitreden «auch» Gemeinsames entdecken (Gemeinschaft), Eigenes einbringen (Partizipation) und Überzeugungen stärken (Mission).
Mario Kard. Grech schreibt im Brief an die Bischöfe (20. Mai 2021): «Wir sind alle ‹vernetzt› und daher ist der Beitrag aller wertvoll in diesem Prozess des aufeinander Hörens im Heiligen Geist.» Er stellt drei Wegweiser auf: Prozess, aufeinander Hören, im Heiligen Geist.
Prozess
«Evangelii gaudium» (222–225) enthält einen Verständnisschlüssel für das Anstossen von Prozessen. Was Papst Franziskus den Völkern sagt, gilt auch für das Volk Gottes:
«222 Die Bürger leben in der Spannung zwischen dem Auf und Ab des Augenblicks und dem Licht der Zeit, dem grösseren Horizont, der Utopie, die uns für die Zukunft öffnet, die uns als letzter Grund an sich zieht. Daraus ergibt sich ein erstes Prinzip, um beim Aufbau eines Volkes voranzuschreiten: Die Zeit ist mehr wert als der Raum. 223 Dieses Prinzip erlaubt uns, langfristig zu arbeiten, ohne davon besessen zu sein, sofortige Ergebnisse zu erzielen. Es hilft uns, schwierige und widrige Situationen mit Geduld zu ertragen oder Änderungen bei unseren Vorhaben hinzunehmen, die uns die Dynamik der Wirklichkeit auferlegt. Es lädt uns ein, die Spannung zwischen Fülle und Beschränkung anzunehmen, […] Dem Raum Vorrang geben bedeutet sich vormachen, alles in der Gegenwart gelöst zu haben und alle Räume der Macht und der Selbstbestätigung in Besitz nehmen zu wollen […] Der Zeit Vorrang zu geben bedeutet, sich damit zu befassen, Prozesse in Gang zu setzen anstatt Räume zu besitzen.»
Aufeinander hören
Das wird uns zu einer Anstrengung, weil wir gewohnt sind, Dienstleistungen einzufordern und Kurznachrichten zu checken. Hier aber ist das gemeint, was ein Weisheitswort aus Nordamerika formuliert: «Wenn du nicht 1000 Meilen in den Mokassins des anderen gegangen bist, hast du kein Recht, über ihn zu urteilen.» Aufeinander hören heisst, sich selbst Perspektivenwechsel aufzuerlegen. Offen zu werden für das, was sich allen zeigt, was hervor-tritt (pro-cedere).
Im Heiligen Geist
Synodale Prozesse gelingen, wenn die gemeinsamen Wurzeln unbestritten bleiben. Der Apostel Paulus verwendet dafür das Bild von dem einen Leib und den vielen Gliedern (1 Kor 12). Sie gelingen, wenn die Gesprächshaltung von der Frucht des Heiligen Geistes geprägt ist, u. a. Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue (Gal 5,22).
«Was fehlt, wenn die Christen fehlen?», fragt Matthias Sellmann in seinem gleichnamigen Buch (Echter Verlag 2021). Er antwortet: «Geistliche Lebensklugheit.» Ihr spricht er drei Kompetenzen zu, die sich den Wegweisern zuordnen lassen: nicht wegrennen müssen (Prozess), die eigenen Grenzen übersteigen (aufeinander hören), Kraft von aussen aufnehmen (im Heiligen Geist).
Markus Thürig