Alles in Christus neu sehen

Das JHS ist gleichsam das «Logo» des Jesuitenordens. Ein Leseart davon ist «Jesum Habemus Socium» – wir haben Jesus als Gefährten. (Bild: Bruno Brantschen SJ)

 

Oft staunen wir im Rückblick, wie einzelne Ereignisse unserem Leben eine entscheidende Wende gegeben haben. Dies gilt nicht nur im Kleinen, sondern auch im Grossen. So lässt sich mit Recht feststellen, dass die Bekehrung des heiligen Ignatius von Loyola (1491–1556), Spanier und Gründer des Jesuitenordens, die Kirche und Gesellschaft der Neuzeit entscheidend geprägt hat. Am 20. Mai 2021 jährte sich der Tag der Kriegsverletzung von Ignatius. Bei der Verteidigung der Stadt Pamplona gegen die Franzosen zerschmetterte eine Kanonenkugel sein Bein und setzte damit seinen überrissenen Träumen von ritterlicher Karriere, Ruhm und Ehre ein jähes Ende. Die folgende Genesungszeit wurde für Ignatius eine Phase der inneren Wende und Umkehr. Allmählich öffnete sich sein Blick für einen neuen Gefolgsherrn, Jesus Christus. Durch die Meditation des Lebens des «fleischgewordenen Wortes» (vgl. Joh 1,14) lernte Ignatius, die Welt neu zu sehen. Sie wurde für ihn zu einem Ort, wo Gott in allem gesucht und gefunden werden kann.

Die Bekehrung ihres Ordensgründers nahmen die Jesuiten zum Anlass, vom 20. Mai 2021 (Gedenktag der Verwundung) bis zum 31. Juli 2022 (kirchlicher Festtag von Ignatius) ein Ignatianisches Jahr zu feiern. In diesem Jubiläum soll es jedoch nicht so sehr um Ignatius gehen, sondern um die neue Wahrnehmung der Wirklichkeit, die ihm geschenkt wurde. Ignatius «ist gleichsam ein Weg, durch den wir zu Christus gelangen. Christus sollte immer im Zentrum dieses Ignatianischen Jahres sein. Wenn wir unsere Augen während dieses Jubiläums nicht auf Christus richten, dann hat dieses Jahr keinen Sinn für uns», unterstreicht Arturo Sosa SJ, der Generalobere des Jesuitenordens. Daher lautet das Motto des Jubeljahres: Alles in Christus neu sehen.

Um Menschen zu helfen, im Blick auf Christus die Welt neu wahrzunehmen, schuf Ignatius einen einmaligen spirituellen Weg – die Geistlichen Übungen, die Exerzitien. Auf diesem Übungsweg meditieren und verinnerlichen Menschen die Gesinnung Christi, seine Weise, die Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe als Einheit zu sehen und zu leben. Wird der innere Mensch geprägt, wirkt dies nach aussen. Diese Prägung trieb die Mitglieder der 1540 gegründeten «Gesellschaft Jesu», so der ursprüngliche Name der Jesuiten, förmlich dazu an, mit einer Spiritualität der «Weltfreudigkeit» (Karl Rahner) Gott in allem zu suchen und zu finden. Diese Perspektive führte sie zu den verschiedensten sozialen Brennpunkten: den Schaltstellen von Bildung und Wissenschaft, den Hotspots gesellschaftlicher Versöhnung, im Dialog mit Andersdenken und -gläubigen. Dabei verstanden sie es stets, mit dem «Werkzeug» der Exerzitien Geist und Herz, Verstand und Hand miteinander zu verbinden.

Bruno Brantschen SJ*

 

* Bruno Brantschen (Jg. 1965) ist Jesuit und lebt und arbeitet im Lassalle-Haus Bad Schönbrunn bei Zug. Hier ist er zuständig für die Bereichen Exerzitien und Geistliche Begleitung. Er leitet den Lehrgang «Ignatianische Exerzitien und Geistliche Begleitung», den das Lassalle-Haus in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg i. Ü. durchführt.