Nicht erst seit Beginn der Pandemie und des Krieges in der Ukraine sind mir ab und zu Texte und Melodien aus Mendelssohns Oratorium «Elias» in den Ohren nachgeklungen: ein grossartiges Werk, bei dessen Aufführung in der Tonhalle ich in jungen Jahren als Sängerin mitwirken durfte.
Seit vielen Jahren verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass wir in den grossen Aufgaben, die sich unserer Weltgemeinschaft stellen, keinen Schritt weitergekommen sind. Ich erinnere mich an das vor 50 Jahren herausgekommene Buch des Club of Rome mit dem Titel «Die Grenzen des Wachstums» und die engagierten Diskussionen darüber an unserem Gymnasium. In den 1980er-Jahren lernte ich als junge Theologiestudentin Basisgruppen in verschiedenen Ländern der Welt kennen, deren Mitglieder sich gestärkt durch ihren Glauben für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einsetzten. In der Missionsgesellschaft Bethlehem und später bei der Bethlehem Mission Immensee fand ich gleichgesinnte engagierte Männer und Frauen. Voll Freude erinnere ich mich an die erste Europäische Ökumenische Versammlung im Mai 1989 in Basel. Gläubige aus dem damals noch geteilten Europa kamen zusammen, um sich mit überlebenswichtigen Themen im Bereich Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung (GFS) zu befassen. Ich war mitten unter ihnen. Es herrschte eine pfingstliche Stimmung. Die politischen Ereignisse – der Fall der Berliner Mauer im November 1989 und der Fall des eisernen Vorhangs – verstärkten den Zukunftsoptimismus.
Wo stehen wir heute? Wohl an einem ähnlichen Scheidepunkt wie der Prophet Eliah, wenn er seufzt «Es ist genug, Herr».
Eigentlich ist diese Erzählung aus dem Ersten Testament eine österliche Geschichte. In Mendelssohns Oratorium folgt auf diesen Seufzer der Verzweiflung der ermutigende Gesang der drei Seraphine: «Deine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuss nicht gleiten lassen und der dich behütet, schläft nicht.» Mitten in der Krise, mitten in der Wüste, findet Eliah zurück ins Leben und begegnet Gott.
Ich habe es mehrfach erlebt, wie Menschen mitten in der grössten Krise durch ihren Glauben an Jesus, den Auferstandenen, eine unglaubliche Kraft entwickeln. Ich erinnere mich an eine Begegnung in einem Elendsviertel Manilas mit Mitgliedern einer Basisgruppe. Nie vergesse ich die Zuversicht, die sie ausstrahlten. Vor kurzem sprach ich mit einer aus der Ukraine geflüchteten jungen Frau. Ihr Gottvertrauen machte mir Eindruck und noch mehr die Kraft, die von ihr ausging, als sie davon sprach, dass sie nach Kriegsende zurückreisen werde, um ihr Land wieder aufzubauen.
Wie der Prophet Eliah sollen wir aufstehen, essen und trinken und darauf vertrauen, dass Gott alles zum Guten lenkt. Mit unseren Osterliedern können wir der Hoffnung an eine Welt, in der Friede, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung an erster Stelle stehen, eine Stimme geben und uns neuen Mut machen.
Brigitte Fischer Züger