Ziel des irdischen Lebens nach christlichem Verständnis ist es, uns mehr und mehr Gott anzunähern, um schliesslich einmal mit ihm eins zu sein. Das Eins-Sein mit Gott geht mit dem Eins-Sein mit sich selber einher. Darum beinhaltet ein erster Schritt des christlichen Lebens die Annahme seines Lebens, um mehr mit sich selber eins zu werden. Dazu gehört, sich selber mit seinem eigenen Körper und mit seinen Schwächen anzunehmen, seine Familie und die eigene Geschichte in dieser anzunehmen, sein Land und dessen Kultur anzunehmen, seine eigene Religion mit ihren Begrenztheiten anzunehmen. Solange wir hier etwas ablehnen, lehnen wir etwas von uns selber ab. Und solange wir etwas von selber ablehnen, lehnen wir teilweise Gott ab. Sich selber und Gott (und den Nächsten) annehmen und lieben zu können ist eines. Diesem Verständnis läuft eine Haltung zuwider, in der man sein Geschlecht selber bestimmen will und dazu sein seelisches Leben mit Medikamenten manipuliert oder seinen Körper mit Eingriffen verstümmelt. Da verharrt der Mensch, der sich in Teilen nicht annehmen kann, in seinem Geteilt-Sein.
Bei der Rede von der Geschlechtervielfalt ist Folgendes zu beachten: Das biologische-körperliche und das sogenannte soziale Geschlecht beziehen sich auf unterschiedliche Realitäten. Das soziale Geschlecht entsteht aus all den Rollen, die Frauen und Männer in den vielfältigen Bereichen der Gesellschaft spielen. Von daher spricht man in einem metaphorischen Sinn von einem sozialen Geschlecht. Dies ist kein Geschlecht im eigentlichen Sinn. Vielfalt im sozialen Bereich bedeutet also nicht, dass es Vielfalt im biologischen Geschlecht gibt. Da geschieht eine Vermengung verschiedener Realitätsebenen aufgrund des Gebrauchs desselben Begriffs. Bei den Geschlechtern Mann und Frau ist beachten, dass alle Menschen beide „Geschlechter“ in sich tragen, diese aber bei Frau und Mann umgekehrt priorisiert und somit zwischen diesen polarisiert sind. Daraus sollte im Zusammenleben ein polares Zusammenspiel entstehen, das die (tieferliegende) Polarität im Einzelwesen zum Schwingen bringt. Letztlich ist die Polarität in Gott begründet, der die Liebe selber ist. Dafür haben die Chinesen ein feineres Gespür als wir Europäer. Dass Mann und Frau im körperlichen und seelischen Bereich komplementär zueinander sind und in ihrer Polarität das Leben zu zeugen vermögen, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Gott den Menschen als Frau und Mann wollte. Die Tatsache, dass das Frau- und Mann-Sein auf mehreren Faktoren beruht wie Genitalien, Hormonen usw. bedeutet nicht, dass es nicht klar zwei Geschlechter gäbe. Das ist keine logische Schlussfolgerung. Desweitern: Es gibt Frauen, die starke männliche Züge haben und umgekehrt Männer, die starke weibliche Züge haben. Da wurde die nicht priorisierte, zweite Seite in Mann und Frau durch Konstellationen im Leben stark ausgeprägt. Frauliche Züge beim Mann und männliche Züge bei der Frau bedeuten nicht, dass der Übergang von einem Geschlecht zum andern fliessend ist. Eine gewisse Nähe zwischen diesen braucht es. Wenn nicht jeder Mensch einen Anteil des andern Geschlechts in sich trüge, könnten Männer und Frauen gar nicht aufeinander eingehen, sondern wären isoliert voneinander.
Es wird gesagt, dass Leute, die mit Hormonen oder einer körperlichen Umwandlung einen Geschlechtswechsel vorgenommen haben, oft mit grossen psychischen Problemen zu kämpfen haben und gehäuft Suizidversuche unternehmen. Ob das stimmt, weiss nicht. Es wäre interessant, dazu verlässliche statistische Daten zu haben.
Wendelin Fleischli, Flüeli-Ranft (per E-Mail)