Die Fastenopfer-Projektpartnerin Atucsara hat das Leben vieler Menschen verbessert, auch das von Sabina Majil Manrique. Geboren und aufgewachsen ist Sabina Majil Manrique in Vereda Río Sucio in der Gemeinde El Tambo, angesiedelt im Departement Cauca. Sie ist leidenschaftliche Landwirtin und koordiniert zudem für Atucsara ein landwirtschaftliches Programm für Seniorinnen und Senioren. Doch genauso gerne arbeitet sie auch mit Kindern. Ihre Türen, so sagt sie, stehen immer offen und oft versammelt sich klein und gross in ihrem Haus oder in ihrem Garten. Ihre Heimat, das Departement Cauca, befindet sich im Südwesten Kolumbiens und ist eine der vielfältigsten Regionen des Landes. Von den höchsten Bergen bis zum Pazifik reicht das Gebiet. Doch die Region im Südwesten Kolumbiens ist auch eine der gefährlichsten des Landes. El Tambo, 1641 mit dem Ziel gegründet, die in der Gegend lebenden indigenen Gemeinschaften besser zu kontrollieren, bekam 1914 schliesslich den Status einer Gemeinde.
Obwohl sich der damalige Präsident Juan Manuel Santos und Farc-Kommandant Rodrigo Londoño 2016 die Hände zum Frieden reichten und das mit einem Abkommen schriftlich bekräftigten, ist El Tambo nach wie vor von Gewalt gezeichnet. Heute wird Kolumbien von Iván Duque Márquez regiert.
Auch nach fünf Jahren noch kein Frieden
Als das Friedensabkommen 2016 nach zahlreichen gescheiterten Verhandlungen endlich unterzeichnet war, hatten die dort lebenden Gemeinschaften grosse Hoffnung, dass der über 50 Jahre dauernde Krieg endlich beendet sein würde. Doch das Gegenteil ist der Fall, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen haben weiter zugenommen. Grund dafür sind verschiedene Faktoren. Bewaffnete Gruppierungen setzen alles daran, das Gebiet zu kontrollieren; die Menschen werden bedroht und unter Druck gesetzt. Noch immer boomt – trotz gesetzlichem Verbot – der Anbau von Kokablättern. Der Grund: Der Verkauf dieser Blätter bringt den armen Bäuerinnen und Bauern höhere Erträge als der Verkauf von Mais. Weitverbreitet ist auch der Streit zwischen dem Staat und den indigenen Gemeinschaften über den Anspruch auf Landrechte. Land, das den Gemeinschaften gehörte, wurde ihnen vom Staat weggenommen. Sei es für den Bau von Minen oder Monokulturen. In diesem Spanungsfeld zwischen Armut, Gewalt und fehlenden Möglichkeiten, müssen sich die Bewohnerinnen und Bewohner von Vereda Río Sucio zurechtfinden. Zentral ist deshalb die Arbeit der Fastenopfer Partnerorganisation Atucsara, die den Menschen ganz konkrete Unterstützung bietet, damit sie ihren Alltag besser bewältigen können und zu ihrem Recht kommen. Dazu gehören das Lernen von agrarökologischen Anbaumethoden und der sorgfältige Umgang mit Umwelt und Ressourcen, das Aufzeigen ihrer Möglichkeiten als Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Vermittlung der Notwendigkeit von Gleichstellung. Sabina Majil Manrique erinnert sich gerne an die Workshops zur Gleichstellung von Mann und Frau. «Da wurde mir klar, dass dies genau in die Richtung geht, nach der ich gesucht hatte, zu erkennen, dass Frauen jeden Prozess leiten können und auch die Fähigkeit dazu haben sollten, nicht nur, wenn die Männer nicht da sind.»
Diese Workshops richten sich an die ganze Familie. Atucsara setzt mit anderen Kursen bereits bei den Jüngsten an. So lernen Schülerinnen und Schüler, wie Recycling geht, wie Komposterde hergestellt und organischer Dünger produziert wird. In der Region gibt es mittlerweile zahlreiche Familien, die ihre Gärten gemeinsam bewirtschaften.
Durch Monokulturen bedroht
Für die Menschen ist der Schutz der Mutter Erde ein zentrales Thema. Denn Mutter Erde schenkt, nährt und schützt Leben. Kommt man nach Vereda Río Sucio, das auf über 1800 Meter über Meer liegt, scheint denn auch auf den ersten Blick die agrarökologische Landwirtschaft weit verbreitet zu sein. Üppige Gemüse- und Obstgärten, Bananen- und Kaffeeplantagen bestimmen das Bild. Geht man jedoch hoch in die Berge, finden sich dort grosse Ausdehnungen von Waldmonokulturen. Tausende von Hektar sind bepflanzt mit Kiefern. In ganz Kolumbien baut die Firma Smurfit Carton de Colombia im grossen Stil Kiefern, Pinien und Eukalyptus an, um daraus Karton zu produzieren, aus dem schliesslich Verpackungsmaterial wird. In Río Sucio arbeiten viele der Männer für Smurfit Carton de Kolombia als schlecht bezahlte Hilfskräfte ohne arbeitsrechtlichen Schutz.
Auch im Garten von Sabina Majil Manrique wachsen Gemüse neben Obst und Kräutern. «Seit meiner Kindheit hatte ich immer einen Garten. Früher pflanzten wir hauptsächlich Tomaten, Karotten und Koriander. Ich hätte Mühe, auf dem Land zu leben und trotzdem das Gemüse zu kaufen. Ich habe also schon mein ganzes Leben meinen Garten. Heute pflanze ich vor allem Koriander, Zimt, Mais, Mangold und Spinat, aber auch Aloe Vera an. Eine wunderbare Pflanze, mit der ich unterschiedliche Heilmittel herstelle.» Die Arbeit zusammen mit der Gemeinschaft macht sie glücklich. Dank der Arbeit mit Atucsara, hat sich, wie sie überzeugt feststellt: «Meine Beziehung zur Agrarökologie als Lebensphilosophie bekräftigt und vertieft. Gesunde Ernährung, Erhaltung und Pflege der natürlichen Ressourcen als freiwillige Entscheidung fördern die Harmonie mit dem Territorium. Davon bin ich überzeugt.» Auch kommt bei Sabine Majil Manrique ausschliesslich organischer Dünger zur Pflege ihrer Pflanzen in den Garten. «Das ist sehr wichtig, denn alles, was in der Stadt verkauft wird, ist mit einer Menge Chemikalien versetzt und das ist nicht gesund». Mit den angepassten agrarökologischen Methoden, die auf das sich verändernde Klima angepasst sind, wächst und gedeiht in den Gärten von Rio Sucío mittlerweile oft mehr, als die Menschen zum Leben benötigen. Überschüsse verkaufen sie an den Wochenmärkten und erwirtschaften so ein Einkommen. Ein weiterer Grund, weshalb Sabina Majil Manrique sich wünscht, dass in Zukunft jede und jeder in der Gemeinde seinen eigenen Hausgarten haben soll. Dabei sei auch nicht wichtig, wie gross er sei, denn auch auf einem kleinen Stück Erde liessen sich viele verschiedene Gemüse und Früchte anpflanzen.
Gleichstellung auf mehreren Ebenen
Die Fastenopfer-Partnerorganisation Atucsara verbessert die Lebensbedingungen von mehreren Tausend Menschen und ihrer Gemeinde in der Region El Tambo in Cauca. Geplant sind, dass Familien aus acht weiteren Dörfern die Ernährungssouveränität und das Familieneinkommen durch die Einbeziehung agroökologischer Techniken, Sparpraktiken und die Vermarktung von Produkten und/oder Überschüssen verbessern können. 20 Familien aus zwei weiteren Dörfern werden sogenannte Öko-Parzellen einrichten. Das sind Parzellen, die neben der agrarökologischen Bewirtschaftung und dem an das Klima angepasste Techniken erneuerbare Energien einführen, um die Nutzung der Flächen zu optimieren, den Energiebedarf zu decken, um dank des Zugangs zu Energie sogar Einkommensquellen für die Familien zu fördern oder zu verbessern. Zudem erwerben Menschen Kenntnisse und Strategien, um das Recht auf Bürgerbeteiligung auszuüben. Die Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Aufgabenverteilung sowie bei den Ressourcen oder der Beteiligung wird ebenfalls gefördert und trägt zu einer Verringerung der geschlechtsspezifischen Gewalt in Familien bei.
Colette Kalt