Zum Karwochenopfer zugunsten des Heiligen Landes
Das diesjährige Karwochenopfer stärkt die palästinensische Gesellschaft dort, wo Hilfe am nötigsten ist: bei der Arbeit mit traumatisierten Kindern und bei der Handwerkerausbildung.
Dass Schüler stolz auf ihre Schule sind, ist in Palästina der Normalfall. Doch so viel Begeisterung wie bei den Schülern des «Holy Child Program» in Beit Sahour bei Bethlehem ist dennoch aussergewöhnlich. Hier lernen und spielen bis zu 30 Mädchen und Buben zwischen vier und 16 Jahren, die die reguläre Schule nicht besuchen können. Man trifft dort etwa den neunjährigen Jacoub Samir Pisaat, der sieben Jahre seines Lebens meist in Spitälern verbracht hat. Von jüdischen Israelis wurde ihm eine Leber gespendet, doch nach all den Spitalaufenthalten fand er keinen Platz in einer Schule und sass ein Jahr lang zuhause herum, bis er in Beit Sahour seine Tür in die Zukunft fand. Gut eine Stunde dauert für ihn jeden Morgen die Fahrt von Jatta am Südende des Westjordanlandes bis Beit Sahour – freilich nur, falls die israelische Besatzungsmacht keine ausserordentlichen Checkpoints errichtet hat. «Ich stehe gerne um fünf Uhr auf, denn ich habe viele Freunde hier – und ich hoffe, nach einem Jahr in eine normale Schule gehen zu können», erklärt er.
Die meisten der 30 Kinder, die im Programm aufgenommen werden, haben Konzentrationsschwierigkeiten aufgrund der äusserst schwierigen politisch-ökonomischen Situation. Hoher Druck am Arbeitsplatz und Existenzängste führen in einzelnen Familien zu häuslicher Gewalt. Traumatisierend können aber auch Begegnungen mit israelischen Soldaten sein.
Susan Elias begann im Programm als Lehrerin und ist nun wissenschaftliche Beraterin im Team. «Am Anfang wollte ich mit diesen Schülern aufgeben und kündigen», erinnert sie sich. «Aber dann begann ich die Arbeit zu mögen (…). Wenn man die Kinder liebt, will man ihnen mehr geben. Wenn man die Eltern mag, will man ihnen noch mehr helfen.» In der Elternarbeit ist unter anderem Hanni Schnydrig tätig, die Nichte des Babyhospital-Gründers Ernst Schnydrig. «Bevor Eltern und Kinder Probleme lösen wollen, müssen sie an ihrer Beziehung zueinander arbeiten», bringt sie einen der wesentlichen Eckpfeiler des aus den USA stammenden Ansatzes «The incredible years» auf den Punkt. «Das klingt einfach, ist aber in der Wirkung höchst faszinierend.»
Stets ist das zwölfköpfige Team sehr aufmerksam: Könnte ein Hausbesuch nötig sein? Erfahrungsgemäss sprechen Mütter offener, wenn sie sich in den eigenen vier Wänden befinden. Dem Programmdirektor Iskandar Khoury ist echte Begeisterung anzumerken: «Die Kinder kommen hoffnungslos zu uns, und wir geben ihnen Hoffnung. Sie sollen einen guten Weg finden, nicht damit jemand sie benützt und für schlechte Ziele missbraucht.»
Ein wichtiges Element ist das gemeinsame Gebet der christlichen und muslimischen Kinder. Die Christen machen dabei das Kreuzzeichen, die Muslime flechten einen Koranvers ein, und zusammen wird im kleinen Gemeinschaftsraum vor der Muttergottes- Ikone viel gesungen. Kein Verstecken, sondern ein Miteinander-Teilen des Kostbaren, wie es für europäische Schulen durchaus modellhaft sein könnte. Gerne würde Khoury die Kapazitäten des Hauses ausbauen, doch die Finanzlage stellt ihn schon jetzt immer wieder vor Herausforderungen: «Etwa 6000 Schweizer Franken kostet ein Kind pro Jahr, und von der Autonomiebehörde bekommen wir nur knapp einen Drittel», berichtet er. Darum unterstützt der Schweizerische Heiliglandverein mit dem Karwochenopfer das Programm.
Manche der Kinder kommen später an die Technische Schule der Salesianer in Bethlehem, die ebenfalls vom Heiliglandverein Hilfe erfährt. Tagsüber besuchen 139 Knaben bzw. junge Männer die Schule; abends kommen 147 bereits berufstätige Männer, um sich weiterzubilden. «Wir üben hier bereits eine Kultur des Friedens ein, wo alle einander respektieren. Niemand muss hier Christ werden, aber die Werte Respekt, Frieden und Würde gelten hier für alle», sagt der Leiter, Pater Daniel Barsali. Die Schule fülle eine Lücke in Palästina, wo als «richtige» Ausbildung weithin nur das Studium gelte – mit der Folge, dass an Handwerkern vielfach Mangel herrsche. 20 Lehrer bilden die Schüler zu Drehern, Automechanikern, Elektrikern, Mecha-tronikern und Schreinern aus. Auch für die Salesianer liegen dabei die Hauptschwierigkeiten in der Finanzierung: Die Schüler müssen in der Regel nur 40 Prozent der Ausbildungskosten von jährlich 1800 Schweizer Franken bezahlen, in Härtefällen noch deutlich weniger, so dass die Schule grossteils von Spenden finanziert werden muss. Zudem betreiben die Salesianer eine Bäckerei, in der fünf Angestellte 2500 bis 3000 Brote täglich backen und damit unter anderem auch 80 Familien gratis versorgen. Während der Belagerung Bethlehems im Frühling 2002 stellte diese Bäckerei für viele die Nahrungsmittelversorgung sicher.
Bethlehem – «Brothausen»: Nicht nur Arbeit und Brot gehen von dort aus, sondern, entgegen aller bedrückenden Nachrichten, auch Friede und Heil. Und das ist auch ein Teil der Botschaft der Heiligen Woche.
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Auf www.heiligland.ch sind zu den beschriebenen beiden Projekten Videos von kleinfilm zu sehen, die man für die Pfarreiarbeit auch herunterladen kann.