Biblisch glauben

Hier wird ein Buch1 vorgestellt, das sowohl in Bezug auf sein Thema, seine Systematik wie auch auf sein Zielpublikum Seltenheitswert hat. Es verstehe sich "als eine Einführung in den christlich, katholisch geprägten Glauben", erklärt der Verlagsleiter M. Zimmer eingangs.

Albert Mantel betont, dass er sich "nicht in erster Linie an Fachtheologen, sondern an Christinnen und Christen (wende), die sich ohne spezifisch theologische Ausbildung für theologische Erkenntnisse der neueren Zeit interessieren …" (265). Jedenfalls möchte er eine breite Leserschaft ansprechen, wie aus seinem "etwas grösseren Schlusswort" hervorgeht. Dieses Sachbuch kann Studierenden der Theologie ebenso wie Frauen und Männern im kirchlichen Dienst empfohlen werden, da es in einer Gesamtschau einen Zugang zur Geschichte des Glaubens biblisch, kirchen-, dogmen-und liturgiegeschichtlich eröffnet.

Grundlagen und Stationen biblischen Glaubens

Das Werk gliedert sich in zwei Teile. Der erste besteht aus fünf Kapiteln, die von den "Grundlagen biblischen Glaubens – Die biblische Offenbarung und die Verkündigung Jesu" handeln. Der zweite beschreibt in vier Kapiteln "Stationen auf dem Weg des Glaubens". Es ist die lange Weggeschichte von der "Institutionellen Kirchwerdung" der Jesus-Bewegung bis in die Gegenwart. Die richtungsweisenden Aggiornamento-Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) kommen adäquat zur Sprache.

Innovativ ist dieses Werk vor allem im ersten Teil, in dem Mantel die "Grundlagen biblischen Glaubens" anhand von fünf spannenden Themeneinheiten erarbeitet. Das Leitmotiv der jesuanischen Verkündigung von der Königsherrschaft Gottes klingt schon zu Beginn an. Es durchzieht die gesamte biblische Geschichte bis zur zeitgenössischen Theologie, insbesondere zur Befreiungstheologie. Dann wird zunächst der Bundesgedanke als zentrales Motiv vom Ersten bis zum Zweiten Testament ausgefaltet, gefolgt von einem vertieften Blick in die "Botschaft der Propheten" und die bis heute von den Psalmen inspirierte Gebetstradition des Juden- und Christentums. Mit dem Thema "Jesus von Nazaret: Zimmermannssohn, Messias und Herr" läuft das letzte Kapitel in sechs Schritten entlang der ersten vier Konzilien auf die zeitgenössische Gegenwart zu, um in der brisanten Frage zu münden: "Wer ist Jesus für uns heute?" Schon in der ersten Buchhälfte werden die aktuell wieder relevanten Fragen nach Gott, Versöhnung, Glaubensbekenntnis usw. artikuliert. Der Frage nach Gott und der Rede von Gott gibt der Verfasser auf den letzten Seiten nochmals überzeugend Raum (320 f).

Der zweite Teil bietet zunächst eine geraffte Übersicht über die Geschichte der Kirche von ihren Anfängen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil und den bis heute zwar identifizierten, jedoch nicht realisierten Reformen in Bezug auf Strukturen, Leitung, Amt, Mitsprache, Ökumene, Beziehung zu andern Religionen usw. Nachfolgend informiert der Autor detailliert über die Sakramente und die Liturgie und deren Geschichte. Mit der Hinführung zum Buch der Offenbarung des Johannes schliesst Mantel den Bogen seiner biblisch ausgerichteten Summa.

Aus pastoraler Perspektive

Der Autor referiert und interpretiert aus der pastoralen Perspektive und Erfahrung eines leidenschaftlichen Pfarrers und Seelsorgers, der lange Zeit für die theologische Fortbildung im Bistum Chur mitverantwortlich zeichnete. Nach seiner Pensionierung gab er sein fundiertes Wissen einem interessierten Publikum in einer Vortragsreihe unter dem Titel "Theologie am Nachmittag"2 weiter. Hier wie dort begegnen wir einem weltoffenen Zeitgenossen, der sein Wissen und Verstehen um Mensch und Gesellschaft nebst der Theologie auch der Literatur und Kunst verdankt. So gelingt es ihm, an relevanten Stellen immer wieder literarische und kunstgeschichtliche Bezüge herzustellen. In Bezug auf Theologie, Bibelwissenschaft, Kirchen- und Dogmengeschichte hält er sich an seine bewährten Lehrer. Erstaunlich, wie viel neuere Literatur da und dort einbezogen ist. Besondere Beachtung verdient die Hervorhebung der Sichtweisen der Befreiungstheologie quer durch das Buch (z. B. 37–42, 145, 204 ff, 236 f).

In diesem ansprechenden Werk, zu dessen Umschlaggestaltung ein Aquarell Mantels verwendet wurde, übt man Nachsicht bei wenigen vermeidbaren Fehlern. Eine Verwechslung auf S. 218 bedarf indes der Klärung. Der Wallfahrtsort mit "einer schönen kleinen Barockkirche" ist "Maria Dreibrunnen" bei Wil SG, statt "Maria Bildstein", der zu Benken SG gehört. Im Blick auf die anvisierte Leserschaft wären eine Zeittafel sowie eine geografische Karte des antiken Mittelmeerraumes und Vorderen Orients eine willkommene Hilfe gewesen. Dieser einmalig konzipierten "Geschichte der Botschaft Jesu" unter dem Anspruch "Biblisch glauben" wünscht man generationsübergreifend zahlreiche Lesende.

 

 

 

1 Albert Mantel: Biblisch glauben. Eine Geschichte der Botschaft Jesu, Zürich, Edition NZN bei TVZ, 2015. Zahlen in Klammern sind Seitenverweise.

2 Albert Mantel: Theologie am Nachmittag. Bd. 1: Der Kirche und ihren vielfältigen Ämtern begegnen; Bd. 2: Die Bibel lesen und deuten; Bd. 3: Erlöst durch Jesus Christus, Zürich, TVZ 2010, 2011.

Paul Stadler © zVg

Paul Stadler

Paul Stadler promovierte in Missionswissenschaft und war neun Jahre Dozent in Kinshasa/Kongo sowie neun Jahre Mitarbeiter am SPI in St. Gallen. Zudem leitete er acht Jahre das Ressort Mission der SMB in Immensee.