Tief verwurzelt und staatlich verordnet sei die Christenverfolgung in Ägypten, äussert ein in Kairo lebender Zeuge.1 Die SKZ veröffentlicht einen Auszug seiner Informationen.
Stellvertretend greife ich den Anschlag vom 26. Mai 2017 auf. Dabei wurden 29 Christen ermordet. Allein dieses Massaker zeigt die unerhört schwierigen Lebensumstände der Christen in Ägypten. Am frühen Morgen des 26. Mai 2017 bereiteten sich jugendliche und erwachsene Christen in den Dörfern des Bezirks Al-Minya auf einen Ausflug ins Kloster Sankt Samuel in Al-Minya Kalamon vor. Dort würden die Kinder hinter den Klosternmauern angstfrei spielen und musizieren können. In Bussen reisten Familien aus drei Dörfern an. Kurz vor dem Kloster wurden sie von einer Gruppe vermummter Islamisten gestoppt.
Mariam Adel ist eines der Opfer, das schwerverletzt mit mehreren Schusswunden überlebte. Auch ihr 18 Monate alter Sohn überlebte das Massaker mit Verletzungen an der rechten Hand. Mariam schilderte das Horrorerlebnis im staatlichen Fernsehen: «Auf dem Weg zum Kloster wurden wir von drei Autos überrascht. Unser Bus wurde gestoppt. Sechs maskierte Islamisten stiegen aus den Autos und eröffneten das Feuer, zerschossen die Fenster, bestiegen den Bus und forderten unsere Männer auf, das islamische Glaubensbekenntnis «El Shahada» zu sprechen. Diese weigerten sich. Daraufhin schlachteten sie unsere Männer regelrecht ab. Später kamen zwei von ihnen nochmals in den Bus, um nachzuschauen, ob alle Männer tot sind. Wieder schossen sie und töteten alle Männer und auch einige Kinder. Anschliessend verlangten sie von uns Frauen, das islamische Glaubensbekenntnis aufzusagen. Auch wir weigerten uns. Daraufhin schossen sie auf unsere Beine. Dann warfen sie einen Koran in den Bus und versuchten, den Bus in Brand zu stecken … Es gelang uns, die Polizei und das nahegelegene Kloster zu alarmieren. 16 Angestellte vom klostereigenen Landwirtschaftsbetrieb kamen mit einem Auto und wollten uns helfen. Als dies die Islamisten bemerkten, kehrten sie zurück, stoppten das Auto der Angestellten, fragten, ob sie Christen seien, und verlangten von ihnen, «El Shahada» zu sprechen. Auch die Angestellten des Klosters weigerten sich. Alle wurden hingerichtet. Sie nahmen uns und den Toten Schmuck und Wertsachen ab. Zum Schluss beschossen sie nochmals heftig den Benzintank, wieder ohne Erfolg. Dann flohen sie.»2
Die Polizei überliess die Opfer ihrem Schicksal. Nach über zwei Stunden traf die Sanität am Tatort ein. Die Islamisten waren vermummt. Bei drei Männern verrutschte während des Massakers die Maskierung, sodass einige Opfer die Gesichter der Täter sehen konnten. Bei einer späteren Gegenüberstellung wurden die Männer eindeutig als Einheimische aus Nachbardörfern identifiziert.
Ablenkungsmanöver
Das geschilderte Massaker zeigt, mit welcher Brutalität gegen Christen vorgegangen wird. Die Regierung machte für diesen Anschlag die Terrormiliz IS verantwortlich. Als Vergeltung wurde in der libyschen Hafenstadt Derna das Hauptquartier des Shura-Rats der Mujahedin bombardiert, was angeblich ein IS-Ausbildungslager gewesen sein soll. Dies war ein Ablenkungsmanöver. Damit sollte dem Ausland demonstriert werden, dass man hart gegen Terroristen vorgeht. In Wirklichkeit kommen diese Islamisten aber nicht aus dem Ausland, sondern aus den gleichen Dörfern wie die Opfer.
Die Toten wurden in umliegende Spitäler gebracht. Den Hinterbliebenen übergab man einen Totenschein mit der Todesursache «Schock». Weil das Töten von Christen im islamischen Recht kein Offizialdelikt darstellt und somit vom Staat nicht automatisch von Amtes wegen verfolgt wird, müssen die Hinterbliebenen bei der Polizei eine Anklage wegen Tötung einreichen. Dafür werden Beweise benötigt. Ein «Schock» genügt nicht als Beweis für ein Gewaltverbrechen, und die Täter gehen straffrei aus. Dies zeigt, mit welcher Systematik die Christen auch im politischen System unterdrückt werden.
Gebäude beschlagnahmt
Im Dorf Saft El Kharsa im Bezirk Bani Suef leben 50 christliche Familien. Mehrere ihrer Verwandten starben beim Anschlag. Am 15. Juni 2017 wollten die Angehörigen für die Opfer eine Beerdigungsfeier abhalten, um ungestört Abschied zu nehmen. Sie reichten bei der Polizei vergeblich ein Gesuch um eine Bewilligung zur Durchführung der Feier ein. Die Angehörigen hielten dennoch in einem Ökonomiegebäude bei befreundeten Familien des Nachbardorfs eine Abdankungsandacht ab. In der darauffolgenden Nacht räumte die Polizei das Gebäude und warf Kultgegenstände wie Kreuze, Kelche, Bilder, Messbücher und Kleider einfach auf die Strasse. In der Zwischenzeit hat die Polizei in dieser Gegend 13 weitere in Privatbesitz stehende Gebäude geschlossen, in denen sich die Christen jeweils zum Beten versammelt hatten.
Diese himmelschreiende Problematik muss öffentlich angesprochen werden.
Anonymer Verfasser (der Redaktion bekannt)