Hochfest Christi Himmelfahrt: Apg 1,1–11; Eph 1,17–23 oder 4,1–13; Mk 16,15–20.
Das Fest "Christi Himmelfahrt" geht bekanntlich auf den Evangelisten Lukas zurück: Am Ende seines Evangeliums (24,51) und erneut zu Beginn der Apostelgeschichte (1,2.9) erzählt Lukas gleich zweimal – und als einziger der Evangelisten – von der Aufnahme des Auferweckten in den Himmel (Mk 16,19, das als Evangelium vorgesehen ist, gehört zum sekundären Schluss des Mk; alternativ könnte Mt 28,16–20 gelesen werden). Lukas übersetzt mit seiner Himmelfahrtsszene christologische Bekenntnisse vom Sitzen Jesu zur Rechten Gottes in narrative Theologie und gestaltet, wiederum als einziger der Evangelisten, explizite Szenen vom Abschied des Auferstandenen. Lukas lehnt sich damit an alttestamentliche Vorbilder wie die Aufnahme des Henoch (Gen 5,24) und des Elija (2 Kön 2,1–18) in den Himmel an. Man sollte sich die Himmelfahrt Jesu deshalb nicht allzu konkret-anschaulich, sondern eher als mit der Auferweckung verbundenes Handeln Gottes an Jesus vorstellen und die Lk-Erzählung als narrative Theologie ernst nehmen.
Doppelter Abschied: Freude oder Verwirrung?
Auffällig ist nun, dass Lukas in seinen beiden Erzählungen von der Aufnahme Jesu in den Himmel ganz unterschiedliche Akzente setzt. Das beginnt schon mit dem Tag des geschilderten Geschehens: Während Lukas im Evangelium von einem einzigen, nicht endenden Ostertag mit intensiven Begegnungen mit dem Auferweckten erzählt (trotz der Erwähnung des "Abends" durch die "Emmausjünger" in Lk 24,29 wird im ganzen Kapitel kein neuer Tag genannt), legt derselbe Lukas in Apg 1,3 die Aufnahme Jesu in den Himmel ausdrücklich auf den 40. Tag nach der Auferweckung, was zur Gestaltung des kirchlichen Festkalenders geführt hat. Auch sonst sind die Akzente der Himmelfahrtserzählung unterschiedlich gesetzt, was den Charakter der Erzählungen als narrative Umsetzung eines Glaubensbekenntnisses (und nicht als Schilderung eines historischen Geschehens) unterstreicht.
Im Evangelium heisst es: "Hinausführte er sie aber [nach draussen] bis gegen Bethania, und aufhebend seine Hände, segnete er sie. Und es geschah, als er sie segnete, entfernte er sich von ihnen und wurde hinaufgetragen in den Himmel. Und sie, huldigend ihm, kehrten zurück nach Jerusalem mit grosser Freude und waren unablässig im Heiligtum, preisend Gott" (Lk 24,50–53). Der Akzent liegt also auf dem Abschiedssegen Jesu. Jesus segnet die Seinen, wie es z. B. auch beim Abschied des Erzvaters Jakob/Israel von seinen Kindern erzählt wird. Von Abschiedsschmerz oder gar Trauer ist hier, im Evangelium, nichts zu spüren – im Gegenteil: Ohne jede Irritation und "mit grosser Freude" gehen die Jünger zurück nach Jerusalem. Die Himmelfahrtsszene setzt den positiven Schlusspunkt unter das ganze Evangelium. Das haben die Jüngerinnen und Jünger nach den schrecklichen Erlebnissen bei der Passion Jesu auch dringend nötig – und, so möchte man hinzufügen, Jesus selbst wohl auch.
Anders in der Apostelgeschichte. Hier erzählt derselbe Evangelist: "Und als er dieses gesprochen hatte, wurde er, während sie schauten, hinaufgehoben, und eine Wolke nahm weg ihn von ihren Augen" (Apg 1,9). Kein Segen – und keine Freude bei den Jüngern. Der Abschied ist wesentlich abrupter, unvermittelter, und so müssen denn auch die beiden plötzlich auftauchenden Männer in weissen Gewändern die Jünger mit ihrer berühmten Frage ins Hier und Jetzt zurückholen: "Männer, Galilaier, was steht ihr [auf] schauend in den Himmel? Dieser Jesus, der Aufgenommene (weg) von euch in den Himmel, wird so kommen, auf welche Weise ihr ihn saht weggehend in den Himmel" (Apg 1,11). Hier wird die Verwirrung der Jünger gelindert mit dem Hinweis, dass der Auferweckte nicht endgültig abwesend ist, sondern wiederkommen wird. Das ist existentiell wichtig – denn die Jüngerinnen und Jünger und alle anderen Menschen in der Nachfolge Jesu haben bis dahin noch einiges zu tun: "Ihr werdet sein meine Zeugen in Jerusalem und [in] der ganzen Judaia und Samareia und bis zum Ende der Erde" (Apg 1,8), hatte Jesus ihnen als letztes Wort vor seinem Weggang mitgegeben. Und dieses grosse Vorhaben kann nur gelingen, wenn sie nicht auf den Himmel fixiert bleiben und darauf, was alles nicht mehr ist nach dem Weggang Jesu, sondern wenn sie die Menschen und die ganze Erde in den Blick nehmen, mit all ihren Fragen, Anliegen und Herausforderungen.
Abschluss und Neuanfang
Zwei verschiedene narrative Himmelfahrts-Theologien für zwei verschiedene "pastorale Situationen" – ein Abschluss zum Ende des Evangeliums, ein Auftakt zur Beginn der Apostelgeschichte. Damit verbunden ist die Frage, wie Menschen damals – und wir heute – die Gegenwart Jesu Christi erfahren und, pardon!, wie sie uns "nützt" bzw. wofür wir sie "nutzen". Die Himmelfahrtsszene des Evangeliums mit dem letzten Segen Jesu vertieft bestehende Christusbeziehungen, kann stabilisieren und Identitäten stiften. Die Himmelfahrtsszene der Apostelgeschichte motiviert zu Neuaufbrüchen und fordert dazu heraus, sich im Namen Jesu auch ins Heimatlose, Ungewisse hinauszuwagen. Natürlich gehört beides zusammen. Aber einmal mehr kann an diesen Szenen deutlich werden, wie biblische Schriften – selbst dort, wo sie scheinbar historische Ereignisse erzählen – Lebens- und Glaubenswege im Blick haben.