Mit dem guten Geschmack ist es so eine Sache. So auch mit der Toleranz. Beide Konfliktpunkte kollidieren immer wieder heftig, wenn es um Religion geht, man(n) denke nur an die Auseinandersetzungen wegen der Mohammed-Karikaturen. Auch das Christentum kennt ein «corpus delicti», wenn es um die Doppelfrage von künstlerischer Freiheit und Respekt vor dem Heiligen geht: den 1979 erstmals gezeigten Film «Monty Python's Life of Brian», der sich mit seinem unsterblich gewordenen Schlussgesang «Always look on the bright side of life»2 in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt hat.
Mitten ins Herz
Welches sind die Zutaten, damit es zu einer seltenen Mischung von höchstem Vergnügen und dröhnendem Gelächter angesichts einer solchen Veralberung und tiefster Empörung ob solchem Frevel, die sogar zu Boykottaufrufen und der Forderung nach Aufführungsverbot führte, kommt? Ganz einfach und identisch mit dem Islam: Eine Religion muss ins Herz getroffen werden, dorthin, wo es ihr um das Lebendige und Grundsätzliche geht. Ist dies im Islam die Gestalt des Propheten, so ist es im Christentum die des Rabbi Jesus aus Nazareth und in der katholischen Variante dieser Religion zudem die seiner Mutter als ewiger Jungfrau und Himmelskönigin.
Beginnen wir in einer katholischen Zeitschrift darum mit Terry Jones'3 Darstellung von Mandy Cohen, der Mutter des von der Öffentlichkeit zum Propheten und Märtyrer gestempelten Brian: ein ständig keifendes und verbiestertes Weib, das gleich zu Beginn des Films die Heiligen Drei Könige mit wüsten Worten aus der Hütte jagt und sie nur gerade das Gold zurücklassen lässt und schliesslich ihrem geliebten einzigen Sohn, wie er am Kreuz hängt, nochmals die Meinung sagt: «Siehst du, so was musste ja aus dir werden!» Die Tatsache, dass hier ein Schauspieler-Mann die Mutter spielt, treibt jegliche Empörung auf die Spitze.
Doch ist dies erst der Anfang einer Serie von groben Scherzen mit der christlichen Religion. Wohl niemand, der den Film mit Freude gesehen hat, wird je vergessen haben, dass der richtige Jesus, der als handelnde Person nicht vorkommt, seine Bergpredigt «zur Zeit der Sportschau» hält, und dass die zuhinterst stehenden Zuhörer und Zuhörerinnen nicht so richtig verstehen, wer denn da seliggepriesen wird: die Skifahrer oder die alten Siechen? Oder die Steinigungsszene, bei der eine ganze Horde von mit künstlichen Bärten verkleideten Frauen gierig auf den Zutritt wartet und nach den Steinen zum Werfen greift.
Dass mit Weihnachten und Ostern die beiden wichtigsten Festzeiten des Christentums ebenfalls in die Mangel genommen werden, dass der Stern von Bethlehem den Film einleitet und die vielen Kreuze auf Golgota ihn abschliessen, das erklärt definitiv die Empörung. Da hilft es auch nicht, auf die reale Handlung des Films zu verweisen, darauf, dass Brian gar nicht Jesus ist, sondern von Anfang an mit ihm verwechselt wird und darum völlig zu Unrecht am Kreuz stirbt. Spätestens wenn dieser Brian mit einer jüdischen Aufrührerin eine Liebesnacht erlebt und danach splitternackt im Fenster steht, dann hält es den aufrechten Pharisäer, die aufrechte Pharisäerin nicht mehr: Sie stürmen zum Kampf und fordern Verbot und Bannung.
Sehen, was dahinterliegt
O seliges Britannien, das du solche Komiker hast, die sich nach der Legende um Artus und seine hehre Runde auch dem religiösen Mythos so respektlos zu nähern wagten. Denn dieser Film verlangt und fordert zweierlei, das selten ist in unseren barbarischen Zeiten: genau hinzuschauen und hinzuhören und auszudifferenzieren, um was es denn wirklich geht. Und dass es uns allen mehr als guttun würde, «on the bright side of life» Ausschau zu halten, statt mit den Peitschen von Ausgrenzung und Verbot zu knallen.
Doch was ich damals in meiner Tätigkeit als Religionslehrer am Gymnasium maximal einigen 17-jährigen Teenagern beibringen konnte – dass solche Differenzierung nämlich Spass macht und die grauen Zellen fordert –, das prallte schon damals an den grau melierten Kollegen ab, die ihre Stirn in Entrüstung runzelten.
Schaut doch den Film wieder einmal an!
Heinz Angehrn