SKZ: Wie entstand die Idee zum Meinradweg?
P. Philipp Steiner: Die Idee ist mir am 31. Oktober 2017 frühmorgens während der Vigil zugefallen. Es gibt dazu aber eine Vorgeschichte: Als Wallfahrtspater von Einsiedeln habe ich die Aufgabe, die Wallfahrt weiterzuentwickeln, weiterzudenken und so zu gestalten, dass wir als Wallfahrtsort am Puls der Zeit bleiben. Es gibt in der Schweiz nur sehr wenig Pilgerwege. Deshalb wollte ich schon lange Fusspilgerwege nach Einsiedeln promoten und hier kam mir der Meinradweg als Geistesblitz fast schon ein wenig in die Quere. Und als ich so über einen Pilgerweg auf den Spuren des heiligen Meinrad nachdachte, ergab sich aus «Mein-rad» schon fast von selbst ein Fahrradpilgerweg. Zufälligerweise hatte ich diese Eingebung wenig Tage bevor Abt Urban nach Rottenburg zur Wiedereinweihung jener Kirche fuhr, die am vermuteten Geburtsort des heiligen Meinrad steht. Ich konnte gleich mitfahren und Bischof Gebhard Fürst von Rottenburg-Stuttgart die Idee vorstellen.
Was unterscheidet Radwallfahrten von Fusswallfahrten?
Als Fahrradpilger bin ich wesentlich schneller unterwegs und habe dadurch andere Eindrücke von Landschaft und Orten. Beim Pilgern geht es jedoch zunächst um die Intention: Wie bin ich unterwegs? Wie lege ich einen Weg zurück? Was ist dabei mein Ziel? Somit handelt es sich beim Radpilgern einfach um eine moderne Version des Pilgerns, das ja eine jahrtausendealte Tradition hat.
Wie konzipierten Sie den Meinradweg?
Für mich war klar, dass es neben dem Geburtsort Sülchen (D) und Sterbeort Einsiedeln auch noch jenen Ort braucht, wo Meinrad Mönch wurde und seine Ausbildung erhielt. Dies war auf der Insel Reichenau. Mit grosser Freude habe ich dann gesehen, dass sich zwischen Sülchen und Reichenau das Benediktinerkloster Beuron befindet und zwischen Reichenau und Einsiedeln das Benediktinerkloster Fischingen TG, das übrigens gegründet wurde, um Pilgerinnen und Pilgern auf dem Weg nach Einsiedeln eine Herberge zu bieten. Insgesamt wurden es 26 Teiletappen, die teilweise über bestehende Radwege führen und zwischen zwei und sechs Stunden dauern. Die Orte am Weg haben oft einen Bezug zu benediktinischen Klöstern. Man weiss aus dem Leben des heiligen Meinrad noch, dass ihn sein Abt an den Zürichsee schickte. Dieser Ort ist nicht fassbar, man vermutet, es könnte Benken SG gewesen sein. Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, den Weg über Benken zu führen. Es wäre ein ziemlicher Umweg und man würde dadurch sehr schöne Orte verpassen. Ich habe stattdessen die Meinradskapelle in Oberbollingen SG gewählt. Die letzte Station vor Einsiedeln bildet der Etzelpass, wo der heilige Meinrad sieben Jahre gelebt hatte, ehe er an der Stelle des Klosters Einsiedeln seine letzte Wohnstätte errichtete.
Welche Etappe gefällt Ihnen am besten?
Das ist eine schwierige Frage. (Lacht.) In Baden-Württemberg gibt es schöne Teilabschnitte, auch die Schwäbische Alb ist ganz toll, aber auch die Strecken dem Bodensee und Zürichsee entlang … eigentlich ist alles schön. Jede Landschaft hat ihren besonderen Reiz. Es ist oft ein starker Wechsel von Landschaften und Kulturräumen. Für mich macht das Gesamtpaket den Weg einmalig.
Was hat er uns der heilige Meinard heute noch zu sagen?
Der heilige Meinrad steht für die Balance zwischen grundsätzlicher Offenheit für den Nächsten und dem Bedürfnis nach Rückzug und Kontemplation. Er spürte selbst diese Spannung in seinem eigenen Leben zwischen zu viel und zu wenig. Er kann hier ein Ratgeber sein: Höre auf deine Bedürfnisse, auf deine Grenzen, aber verbirg deine Möglichkeiten, deine Talente und dein Charisma nicht.
Interview: Rosmarie Schärer