Die Seelsorge weiterentwickeln

Die 14. Europäische Konsultation für Spitalseelsorge fand Anfang Juni 2016 in Debrecen (Ungarn) statt. 67 Teilnehmende aus 23 Ländern tauschten sich aus über die «Best Practice» zur Förderung spiritueller Gesundheit.

Alle zwei Jahre kommen Delegierte der Mitgliedorganisationen des Europäischen Spitalseelsorge-Netzwerks (European Network of Health Care Chaplaincy, ENHCC) zusammen. Auch dieses Mal lernte man voneinander, indem neue Forschungsergebnisse im Bereich der Spitalseelsorge vorgestellt wurden. Als Delegierte der katholischen Spitalseelsorge-Vereinigung der deutschsprachigen Schweiz nahmen die katholische Spitalseelsorgerin Audrey Kaelin und Tatjana Disteli, Dienststellenleiterin Spital- und Klinikseelsorge des Kantons Zürich, teil. Eingeladen hatte Judit Gál, reformierte Pfarrerin aus Ungarn, in Zusammenarbeit mit der reformierten Kirche in Debrecen.

An der östlichen Grenze zu Rumänien gelegen, ist Debrecen die zweitgrösste Stadt Ungarns und die Stadt der Reformation. Die Tagung fand im reformierten Kollegium statt, einem Barockgebäude aus dem Jahre 1568. In der Nähe steht die Grosse Reformierte Kirche von 1819. Die Mehrheit der Bevölkerung in Debrecen ist evangelisch-reformiert (calvinistisch) im Gegensatz zum restlichen Ungarn, welches überwiegend katholisch ist.

Einblicke in die Forschung

Die Tagung vermittelte Einblicke in verschiedenste Forschungsthemen im Bereich der Seelsorge. Erste Ergebnisse und Beispiele von best practice wurden vorgestellt. So sprachen Judith Cockx (Belgien) über spirituelle Bedürfnisse und Ressourcen von Eltern, die ein Kind erwarten, Daniel Nuzum (Irland) über das Angebot von spiritueller Begleitung und Seelsorge nach einer Totgeburt. Traugott Roser (Deutschland) referierte über die Spiritualität von Kindern und deren Familien im Kontext einer Kinder-Palliativstation und Elsbeth Littooij (Niederlande) zum Sinn im Leben von Menschen mit Verletzungen des Rückenmarks. Michael Schultz (Israel) legte zur Identifizierung und Erscheinung von spiritueller Not in Israel eine Analyse vor über die Anwendungsmöglichkeit amerikanischer Erhebungsmethoden. Suzanne Willemse (Niederlande) erörterte die Rolle von Spiritual Care in der Intensivbetreuung und Gudlaug Helga Asgeirsdottir (Island) existenzielle und spirituelle Anliegen von Patienten in der Palliativbetreuung sowie Father Nuno (Portugal) das Thema spirituelle Begleitung und palliative Betreuung.

Fallstudien als Forschungsmethode in England

Die Fallstudie ist ein dringliches Forschungsinstrument in der Spitalseelsorge. Darum hier Näheres dazu. Steve Nolan (England) stellte die «Case Study Method as Basic Research for Chaplains» vor und betonte, wie wichtig das Schreiben sei. Zwar brauche das Schreiben Zeit, es gebe auch ethische Herausforderungen wie das Seelsorgegeheimnis, und nicht jeder Seelsorger fühle sich imstande, das Geschriebene zu veröffentlichen. Aber wir hätten gute Geschichten zu erzählen, und wenn wir sie nicht erzählen, wer dann? Nolan macht deshalb den Seelsorgenden Mut, die Begegnungen mit den Patienten zu dokumentieren. Er weist auf folgende Fragen hin, die einen weiterbringen:

Wie erfasse ich die spirituellen Bedürfnisse des Patienten? Weshalb habe ich mich in der gegebenen Weise eingebracht – als Antwort auf seine spirituellen Bedürfnisse? Wie wirkungsvoll waren meine Interventionen?

Die meisten von uns hätten die Geschichte einer seelsorglichen Begegnung und Begleitung zu erzählen. Diese Geschichten seien wertvolles Material und eine Möglichkeit, unseren Kollegen wichtige Informationen zu vermitteln. Dass wir unsere Geschichten, im Sinne von Fallstudien, gut erzählen, sei notwendig, um die Spitalseelsorge weiterentwickeln und fördern zu können.1

Interessanter Tagungsverlauf

Am Ende eines jeden Tages gab es kleine Gesprächsgruppen, in denen das Besprochene vom Tag reflektiert wurde. Ferner konnten an einem Morgen verschiedene Gesundheitseinrichtungen besucht werden. In Debrecen: eine psychiatrische Klinik, ein Onkologie- und Transplantations-Zentrum sowie ein Rehabilitationszentrum. Und in Miskolc: ein Kinderspital.

Am letzten Tag (5. Juni) ging die Geschäftssitzung über die Bühne. Es wurde entschieden, dass die nächste Tagung vom 15. bis 19. Juni 2018 in Blankenberge (Belgien) stattfinden wird. Ein neuer Koordinator und ein neuer Vorstand wurden für die nächsten vier Jahre gewählt. Auch die Einrichtung des Forschungszentrums der ENHCC (European Research Institute for Health Care Chaplaincy) an der Universität Leuven wurde einstimmig beschlossen. In einer berührenden Abschiedszeremonie wurden wir von Judit Gál und ihrem Team herzlich verabschiedet. Wir gingen auseinander – dankbar für die vielen Begegnungen, reich beschenkt und voller neuer Ideen.2

 

1 Steve Nolan and George Fitchett, Spiritual Care in Practice: Case Studies in Healthcare Chaplaincy. London: Jessica Kingsley Publishers, 2015.

2 Für mehr Informationen vgl. www.enhcc.eu/debrecen16.htm

Audrey Kaelin

Audrey Kaelin ist katholische Seelsorgerin am Universitätsspital Zürich.