Martin Luther: eine katholische Würdigung

Der emeritierte Professor für Ökumenische Theologie Peter Neuner aus München hat eine spannende Darstellung Martin Luthers (1483–1559) und seiner Wirkung aus katholischer Sicht vorgelegt.1

Teil I befasst sich mit dem katholischen Lutherbild im Wandel der Geschichte. Katholikinnen und Katholiken sahen im Reformator zunächst den Rebellen und Ketzer, den Abtrünnigen und Kirchenspalter, der sich von der «Papstkirche» verabschiedete und eine eigene Kirche auf der Grundlage des allgemeinen Priestertums gründete. Ein positives Lutherbild kam erst durch den Historiker Joseph Lortz zum Durchbruch, als die historische Forschung den seriösen Bibelforscher Luther und Übersetzer des griechischen Urtextes entdeckte, der den Leuten zudem «aufs Maul» schaute. Das Zweite Vatikanische Konzil begann von den Angehörigen der Reformationskirchen als «Schwestern und Brüder» zu reden und zeigte Früchte der Ökumene durch die dialogische Grundeinstellung bis hin zur «Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre» (1999) in Augsburg, bei der das zentrale Anliegen Luthers nicht mehr als kirchentrennend verstanden wurde. Damit hatten auch die gegenseitigen Verwerfungen ihre Basis verloren. Neuner formuliert die Botschaft der Rechtfertigung aktuell so: «Der Erfolg des Lebens als Ganzes hängt nicht allein an unserer Leistung und an unserem Werk»; (…) und es «gibt die Zuversicht, dass Ungerechtigkeit, Leid und Tod nicht das letzte Wort haben» (150). Letztlich heisst es, dass Erlösung umsonst geschenkt wird. «Jeder darf Ja zu sich sagen, weil Gott Ja zu ihm sagt» (151). Letztlich zeigt diese Lehre dem Menschen Gottes Barmherzigkeit auf (153).

Teil II zeichnet im Lichte der Rechtfertigungslehre den gegenwärtigen Stand von Luthers Botschaft in den einzelnen theologischen Fragen: in Bezug auf die rechte Auslegung der Heiligen Schrift, das Kirchenverständnis, die Heiligen- und besonders die Marienverehrung, bei der die einzige Mittlerschaft Jesu gewahrt werden muss, und in Bezug auf das Amt in der Kirche. Dieses sieht man katholischerseits nicht als von der Gemeinde ableitbar, sondern als Teilhabe am Werk Christi und als Dienst an der Gemeinde. Für Peter Neuner wäre eine Anerkennung der Ämter denkbar und möglich. Bischofsamt und Papstamt werden ebenso diskutiert wie die Differenzen in Bezug auf die Sakramente (Herrenmahl, Eucharistie und Ehe). Das Buch endet mit einer dankbaren Erinnerung an den ökumenischen Gottesdienst, den Papst Franziskus mit Repräsentanten des Lutherischen Weltbundes am Reformationstag 2016 in Schweden im Dom zu Lund gefeiert hatte und das 500-jährige Jubiläum der Reformation eröffnete. Beide unterzeichneten eine Erklärung mit der Aussage, «dass das uns Verbindende grösser ist als das Trennende» (124). Das Buch bietet eine gut lesbare und verständlich geschriebene Darstellung Luthers und der ökumenischen Problemstellungen, die aus seiner Botschaft erwachsen sind.

 

1 Peter Neuner: Martin Luthers Reformation. Eine katholische Würdigung, Freiburg 2017, 343 Seiten.

Stephan Leimgruber

Stephan Leimgruber

Dr. Stephan Leimgruber ist seit Februar 2014 Spiritual am Seminar St. Beat in Luzern und zuständig für die Theologinnen und Theologen in der Berufseinführung. Bis zu seiner Tätigkeit in Luzern war er Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät in München.