Ein Feuer für junge Menschen

Mit jungen Menschen über deren existenzielle Fragen zu Sexualität, Liebe und Freundschaft realitätsnah und authentisch zu sprechen, ist für viele Erwachsene eine Herausforderung. Nicht so für Katharina von Däniken.

Katharina von Däniken leitete über viele Jahre TeenSTAR-Kurse. Heute ist sie in der Ausbildung von TeenSTAR-Leitern engagiert. Sie lebt in Summaprada/GR. (Bild: mh)

 

Mit leuchtenden Augen sitzt sie mir gegenüber und erzählt begeistert von ihren langjährigen Erfahrungen als Ausbildungs- und Kursleiterin von TeenSTAR*. Katharina von Däniken, gelernte Handarbeitslehrerin, Mutter und Grossmutter, war vor 23 Jahren auf der Suche nach einer ganzheitlichen Sexualerziehung. Ihre Kinder kamen damals in die Pubertät, und sie wollte ihnen über Sexualität, Liebe und Freundschaft mehr mit auf den Weg geben, als der Aufklärungsunterricht in der Schule bot. Von Däniken machte sich auf die Suche und lernte über eine Bekannte TeenSTAR kennen. Damals gab es in der Schweiz noch keine Kurse; so absolvierte sie 1995 die Ausbildung zur TeenSTAR-Leiterin in München.

Anfänge in der Schweiz

Der Aufbau von TeenSTAR in der Schweiz war sehr anstrengend. Von Däniken musste Personen finden, die ihre Vision einer ganzheitlichen Sexualerziehung von Jugendlichen teilten, v. a. war es schwierig, Erwachsene zu finden, die bereit waren, sich zu engagieren. «Dies ist auch heute noch so», bemerkt von Däniken. «Die Gründe sehe ich einerseits im fehlenden Mut. Viele Erwachsene trauen sich nicht zu, über Sexualität im Allgemeinen und mit Jugendlichen im Besonderen zu sprechen. Andererseits nehme ich bei ihnen auch eine mangelnde Fähigkeit wahr, über Sexualität zu reden.» Und natürlich stand die Frage im Raum, wo und wie sie interessierte Jugendliche erreicht.

Von Däniken lebte damals im Puschlav. Sie nahm eines Tages mit dem Schulleiter und dem Schularzt Kontakt auf. Beide waren an ihrem Angebot interessiert und ermöglichten ihr, TeenSTAR an einem Lehrerabend vorzustellen. Der Schulinspektor stellte Raum und Infrastruktur zur Verfügung. So startete TeenSTAR im Puschlav, als ausserschulisches Angebot, aber im Namen der Schule. Ein Anfang war gesetzt. Die erste Kurseinheit sei eine Schnupperstunde gewesen. Die Jugendlichen konnten sich anschliessend definitiv für den Kurs einschreiben. Im gleichen Zeitraum fand ein Elternabend statt. Das Einverständnis der Eltern ist wichtig, gemäss dem Konzept von TeenSTAR tragen sie in der Sexualer- ziehung Erstverantwortung. Die freie Entscheidung der Jugendlichen und der Einbezug der Eltern gehören wesentlich zu diesem Konzept. «Im Idealfall führen wir zeitgleich einen Kurs mit den Eltern durch, damit sie die Jugendlichen im Erwachsenwerden gut unterstützen können.» Zum Kursende gab es wiederum einen Elternabend, an dem Rückblick gehalten wurde.

Vom geografisch abgelegenen und verkehrstechnisch weit entfernten Puschlav aus baute von Däniken TeenSTAR in der Schweiz auf. Im Oktober 1996 gründete sie zusammen mit anderen Interessierten den gemeinnützigen Verein «TeenSTAR Schweiz» und ist seither dessen Präsidentin.

Körper, Gefühle, Verstand und mehr

Begeistert ist sie von dem ganzheitlichen Konzept und dem ausserordentlich starken Bezug zur realen Situation der Jugendlichen. «Ausgangspunkt ist das, was die Jugendlichen so brennend heiss interessiert. Durch Filme, Videos usw. haben sie visuell schon ganz viele Erfahrungen und sind ‹aufgeklärt›; in Wirklichkeit stehen sie vor grossen Fragen und Herausforderungen. Auf ihre drängenden Fragen werden in den Kursen keine fertigen Antworten gegeben, sondern diese werden durch praktische Beispiele, eigene Reflexion und Austausch von Erfahrungen erarbeitet», erläutert von Däniken. Neben geschlechtergemischten Modulen gibt es auch themenspezifisch geschlechtergetrennte Einheiten, um ein offenes, tiefes Gespräch unter den jungen Frauen und Männern zu ermöglichen.

Auch die Dauer eines Kurses richtet sich ganz nach den Jugendlichen, genauer nach dem weiblichen Körper. Der Langzeitkurs dauert mindestens drei menstruelle Zyklen. Ziel ist, dass die jungen Frauen in dieser Zeit ihren Körper beobachten und ihre körperlichen und gefühlsmässigen Veränderungen wahrnehmen lernen und ihre Erfahrungen mit dem hormonellen Zyklus aufschreiben. «Für einige ist dies eine grosse Herausforderung, sich so intensiv mit sich und dem eigenen Körper zu beschäftigen. Aber die meisten schaffen das ohne Probleme.»

Gerade mit den körperlichen Veränderungen in der Pubertät setzt der Kurs ein. Diese nehmen die Jugendlichen an sich selbst und an anderen wahr. Was passiert mit meinem Körper? Weshalb rieche ich plötzlich anders? Anschliessend geht es thematisch um die Gefühle: Weshalb fahren meine Gefühle innerhalb eines Monats Achterbahn? Wie gehe ich damit um, wenn mein Verliebtsein nicht erwidert wird? Wie verarbeite ich eine Trennung?

Körper und Gefühle legen die Basis für die weiteren Bausteine: die kognitive Ebene, das soziale Umfeld und die spirituelle Dimension. Sie bilden den Leitfaden durch die Kurse, die wenn möglich von einer Frau und einem Mann geleitet werden. Das TeenSTAR-Programm hat fixe Lernziele und einen klaren Aufbau, aber in deren Umsetzung sind die Leiter frei, um mittels der eigenen Sprache und Vermittlungsart die jungen Menschen an das Ganzheitliche, Persönliche und Wunderbare der Sexualität heranführen zu können.

Keine Ge- und Verbote

Da TeenSTAR einen präventiven Ansatz verfolgt, werden den Jugendlichen keine Ge- und Verbote vermittelt, sondern der Selbstwert des Einzelnen gestärkt und ein verantwortungsvoller Umgang mit der Sexualität eingeübt. Die Jugendlichen sollen durch klare Wissensvermittlung und die ganzheitliche Sexualerziehung fähig werden, aus innerer Überzeugung Entscheidungen zu treffen, ihren Weg zu gehen und dafür auch Verantwortung zu übernehmen. «Aus diesem Grund ist TeenSTAR für die einen zu liberal, für die anderen zu konservativ. Aus meiner Sicht liegt TeenSTAR zwischen diesen Polen und lässt sich von ihnen nicht vereinnahmen, sondern geht ganz konsequent von den Jugendlichen aus, und das ist mir sehr sympathisch», hält von Däniken fest.

Die eigene Fruchtbarkeit schätzen lernen

Entwickelt wurde TeenSTAR von der Gynäkologin und Missionsschwester Dr. med. Hanna Klaus (*1928). Sie arbeitete als Ärztin in Pakistan und Bangladesch und wurde mit vielen Abtreibungen konfrontiert. Die Lösung sah sie in einer konsequenten Familienplanung. «Zurück in den USA erlebte sie dasselbe», erzählt von Däniken. «Ihr begegneten viele Teenie-Schwangerschaften, obwohl diese jungen Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln hatten und sexuell aufgeklärt waren. So setzte sie sich mit Lehrerinnen und Jugendlichen zusammen und schrieb alle Fragen auf, welche diese zu Sexualität, Freundschaft und Beziehung hatten. Daraus ist das Programm von TeenSTAR entstanden. Bei diesem geht es nicht nur um Wissensvermittlung, sondern darum, den eigenen Körper und seine Fruchtbarkeit zu entdecken und schätzen zu lernen. Ich schütze nur das, was ich schätze und liebe. Das Wissen um die eigene Fruchtbarkeit ist der Schlüssel für alle anderen Themen rund um Freundschaft und Sexualität.» Und sie ergänzt: «Hanna Klaus hat dieses Programm bewusst als Gynäkologin geschrieben, für alle jungen Menschen geltend. Gleichzeitig ist ihre innere Heimat als Missionsschwester und damit ihr christliches Menschenbild zu spüren, ohne dass es explizit zur Sprache kommt.»

Leidenschaft für junge Menschen

Zum Schluss des Gesprächs frage ich von Däniken nach ihrer Motivation für dieses langjährige und grosse Engagement bei TeenSTAR. Ihr Motor seien die Jugendlichen. «Ich habe eine Leidenschaft für junge Menschen.» So humorvoll und spritzig, fachkundig und lebensnah, wie sie erzählt, kann ich mir die Begeisterung der Jugendlichen plastisch vorstellen. Natürlich freue sie sich auch über die Echos der Eltern, die beim «Feedbackabend» am Ende des Kurses mitteilen, dass ihre Tochter und ihr Sohn nun über Sexualität sprechen können, über ihren Körper und seine Veränderungen mehr wissen und sensibilisiert sind für die Sprache und die Gefühle des anderen Geschlechts.

Inzwischen leitet von Däniken fast ausschliesslich Ausbildungskurse für angehende TeenSTAR-Kursleiter. Die nächsten Kurse stehen schon an: ein zweisprachiger in Sitten und einer in Zürich. Neu baut sie mit einem jungen Familienteam ParentSTAR auf. Dieser Kurs richtet sich an Eltern. Auch nach über 20 Jahren ist ihr eine ganzheitliche Sexualerziehung ein grosses Herzensanliegen und ihr Engagement dafür ungebrochen stark.

Maria Hässig

 

*TeenSTAR steht für Teenager Sexuality Teaching in the context of Adult Responsibility – Sexualitätsbildung Jugendlicher im Hinblick auf die Verantwortung als Erwachsene. Entwickelt wurde dieses sexualpädagogische Programm für Jugendliche und junge Erwachsene von der Gynäkologin Dr. med. Hanna Klaus. TeenSTAR als eine ganzheitliche Sexualpädagogik ist sowohl in der Schule als auch ausserschulisch in Jugendverbänden, Pfarreien usw. einsetzbar. Mehr Informationen unter www.teenstar.ch