Louis Godart: La libertà fragile. L´eterna lotta per i diritti umani. (Mondadori) Milano 2012, 136 S.
Louis Godart, Ordinarius für ägäische Zivilisationen an der Universität Neapel, unternimmt auf 136 Seiten den Versuch, die Geschichte der Freiheit darzustellen, und der Versuch gelingt. Vom Kodex Hammurabi über den persischen Kyros-Zylinder, der ein erstaunlich liberales Regime über die unterworfenen Völker offenbart, bis zu den Sklavengesetzen im antiken Rom spannt Godart den Bogen. Die Israeliten mit ihren detaillierten Normen zu Schuld und Knechtschaft werden nicht vergessen. Methodisch wird alles vom optimistischen Prinzip Entwicklung zusammengehalten, was ein doch zu glattes Gesamtbild ergibt. Natürlich kann man Num 15, 32–36, wo Adonaj befiehlt, einen Sabbatbrüchigen zu steinigen, mit Mt 12, 1–14 parallelisieren, wo Jesus die Pflicht, Gutes zu tun, über das Sabbatgebot stellt. Die Eigenheiten der zwei Geschichten, so wie ihr Kontext, müssten aber genauer unter die Lupe genommen werden. Mit einer einfachen Entwicklung vom gnadenlosen Gott des AT zum menschenfreundlichen des NT lässt sich die Sache nicht fassen. Nichtsdestotrotz präsentiert uns Godart eine Fülle von Zeugnissen, die die Humanisierung des Rechts dokumentieren. Es ist nicht sein geringstes Verdienst, dass er auch wenig bekannte, aussereuropäische Kodices wie die Manden- Charta aus dem mittelalterlichen Mali vorstellt. Dort heisst es eingangs «Jedes Leben ist ein Leben» – eine Aussage, die auf die Wertschätzung des einzelnen Menschen hinzuweisen scheint. Die Manden-Charta stellt ein ausserordentliches Zeugnis dar, falsifiziert sie doch unsere eurozentrische Vorstellung von einer ausschliesslich europäischen Genese der Menschenrechte. Sie durchkreuzt aber auch eine bestimmte Kritik an den Menschenrechten, die diese als Produkt westlichen Imperialismus entlarven will. Dann rekapituliert der Autor die wichtigsten neuzeitlichen Stationen des Kampfes um die Freiheit und die Rechte des Einzelnen, wobei die Würdigung der immer noch unterschätzten spanischen Spätscholastik besonders erfreulich ist. Ein Schlusskapitel zeigt, wie wenig selbstverständlich die Menschenrechte heute sind. Kurz, ein Buch, das zur Pflichtlektüre erklärt werden sollte, denn konzentrierter lässt sich diese Geschichte wirklich nicht darstellen.