Evangelisieren durch Glaubenskurse

Glaubenskurse werden oft von Einzelpersonen besucht und finden ausserhalb der Pfarreien statt. Die Angebote von «Wege erwachsenen Glaubens» haben dagegen schnell ihren Platz in den Pfarreien gefunden.

Das Feuer des Glaubens muss gepflegt werden. (Bild: Benjamin DeYoung/unsplash)

 

Am 1. Januar 1987 erhielt ich den Impuls: «Mach doch einen Glaubenskurs!» Vorausgegangen war in der Pfarrei Wil SG, wo ich als Kaplan tätig war, die Aktion «Neues Leben». Daraus waren über 25 Bibelgesprächskreise entstanden, die sich unverbindlich fünf Mal trafen.
Jeweils am Sonntagabend und Montagnachmittag von Ostern bis Pfingsten 1987 führte ich den Glaubenskurs mit insgesamt knapp 200 Teilnehmenden durch. Glaubensimpulse, Lieder und Gruppenaustausch machten die einzelnen Treffen abwechslungsreich. Damit die Vortragsimpulse vom Kopf ins Herz kamen, erhielten alle Teilnehmenden für jeden Tag einen Besinnungsimpuls mit Schrifttext und weiterführenden Gedanken. Herzstück des Glaubenskurses waren die Versöhnungsfeier und die persönliche Tauferneuerung.

Ich war überrascht, wie viel Freude und Begeisterung während des Kurses aufbrachen. Viele erlebten zum ersten Mal Gottes Liebe ganz persönlich und verspürten eine Sehnsucht, das neue, lebendige Christsein aus dem Heiligen Geist weiter zu pflegen. Daraus und aus Kursen, die ich an anderen Orten durchführen durfte, entstanden die Bibelgruppen Immanuel.
Bald wurde ich angefragt, ob ich den Glaubenskurs auch anderen schriftlich zur Verfügung stellen würde. In der Folge begannen sich diese Glaubenskurse im deutschsprachigen Raum zu verbreiten. Dadurch kam es zur Vernetzung von Personen, die diese Kurse fruchtbar einsetzten. Dazu gehörten zuerst der deutsche Priester Klemens Armbruster mit seinem Team und die beiden Diakone Marcel Bregenzer und Urban Camenzind. Später kamen die Rechtsanwältin (und spätere Theologin) Theresa Herzog, Professor Dr. Hubert Lenz und zuletzt der Theologe Matthias Willauer dazu. Gemeinsam bildeten wir das «Internationale Projektteam Wege erwachsenen Glaubens».1 Wir trafen uns regelmässig, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Neues zu entwickeln.

Katechumenale Glaubenswege

Anfänglich sprachen wir nicht von Glaubenskursen, sondern von Glaubensseminaren. Weshalb? Einerseits war in der Schweiz – im Gegensatz zu Deutschland – der Name Glaubenskurs durch theologische Kurse bereits besetzt. Dann aber wollten wir mit dem Namen Glaubensseminar das Neue dieser Glaubenswege bezeichnen: Nicht die intellektuelle Aneignung von Glaubensinhalten stand im Zentrum, sondern die existenzielle Erfahrung Gottes.
Wir sprachen in der Folge von katechumenalen Glaubenswegen, was zum Namen «Wege erwachsenen Glaubens» führte. Denn auf einem gemeinsamen Glaubensweg werden Erfahrungen mit Gott möglich, die zu einer bewussten Entscheidung für das Leben mit Gott in der Kirche führen.

Vergleichbar ist dieser Weg mit dem Katechumenat in den ersten vier Jahrhunderten: Wer damals Christin resp. Christ werden wollte, wurde zu einem Glaubensweg von (in der Regel) ein bis drei Jahren eingeladen. Dieser Glaubensweg führte durch persönliche Umkehr- und Heilungsprozesse hindurch zur Entscheidung der Lebensübergabe an den dreifaltigen Gott, zur Erfüllung mit dem Heiligen Geist und zur Eingliederung in die Gemeinschaft der Kirche.

Der innere Prozess eines Glaubenskurses Christsein ist etwas, was man wie vieles andere im Leben lernen muss. Der Weg beginnt mit einer Berührung Gottes im Herzen, wie dies auch die Pfingstpredigt von Petrus zeigt: «Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz» (Apg 2,37). Solche Betroffenheit – vergleichbar der Erfahrung von Liebe, von Verliebtheit – ruft auf einen neuen Weg. Zu einem Glaubenskurs gehören sechs Phasen:

  1. Phase: Die Frohe Botschaft pur: Zuerst wird das Kerygma, die Grundbotschaft des Evangeliums verkündet, das Papst Franziskus so benennt: «Jesus Christus liebt dich, er hat sein Leben hingegeben, um dich zu retten, und jetzt ist er jeden Tag lebendig an deiner Seite, um dich zu erleuchten, zu stärken und zu befreien» (Evangelii Gaudium 164).
  2. Phase: Einsprüche gegen die Frohe Botschaft: Nun melden sich Widerstände: Das mit dem liebenden Gott kann doch nicht sein! Warum gibt es denn so viel Leid und Böses in der Welt? Die Antwort lautet: Zwischen Gott und dem Menschen ist die Verbindung gestört. Barrieren haben sich aufgebaut (theologisch Sünde genannt).
  3. Phase: Der Weg der Versöhnung (mit Gott und untereinander): Die erkannten Barrieren werden in der Versöhnungsfeier aus dem Weg geräumt. Alles Unversöhnte, Widerstände und Wunden werden dem Erlöser und Heiland Jesus Christus übergeben.
  4. Phase: Neuer Weg aus der Kraft des Heiligen Geistes: Aus der Versöhnungskraft Jesu wird neues, befreites Leben möglich. Dieses neue Leben aus dem Heiligen Geist wird vorgestellt und die Sehnsucht nach diesem Leben geweckt.
  5. Phase: Den Neuen Bund feiern: Um in die Dynamik des Lebens aus dem Heiligen Geist hineinzufinden, braucht es eine Entscheidung. Dieser persönliche Glaubensschritt wird in einer Tauf- und Firmerneuerung bewusst vollzogen und um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist gebetet.
  6. Phase: Weiterwachsen in Jüngerschaft: Wie kann dies, was so gut getan hat, weiterwachsen? Dazu werden Kleingruppen angeboten, die auch zur Brücke auf dem Weg zur Gemeinschaft mit der Pfarrei, der Kirche werden.

Entwicklungen und Hilfen

Damit ein Feuer weiterbrennt, braucht es immer wieder neue Holzstücke. Lebendiger Glaube braucht beständig neue Nahrung und Pflege. Aus diesem Grund entstanden neben den drei Startglaubenskursen («Neu anfangen», «Komm und sieh!» sowie Alphakurs) neue vertiefende und katechetische Glaubenskurse, die zum Leben in der Kirche hinführen. Konkret stehen zurzeit Kurse zum Heiligen Geist, zum Vaterunser, zum Credo, zur Eucharistie, zu den Sakramenten und zur Einführung in das innere Gebet zur Verfügung.2  
Bis vor etwa 14 Jahren nahmen regelmässig grosse Gruppen bis über 100 Personen an solchen Glaubenskursen teil. Heute sind es in der Regel 20 bis 40 Personen. Auch für kleinere Gruppen – im Pfarreizentrum oder zu Hause – lohnt sich ein Glaubenskurs. In der Coronazeit wurden auch Onlinekurse mit Erfolg durchgeführt.3

Das Bedürfnis nach Katechese für Erwachsene nimmt in der heutigen Zeit zu. Die Glaubenskurse unterstützen die Katechese, indem sie Glaubenswissen mit der persönlichen Beziehung zu Gott verbinden. Als Vorbereitung auf die Konversion diente schon vielen ein Glaubenskurs, an dem sie vor Ort teilnahmen oder den sie persönlich mit Video und Teilnehmerheft durchführten. Ebenso eignen sich Videovorträge aus dem Sakramentenkurs als thematischer Impuls für Elternabende zur Erstkommunion, zum Buss-
sakrament und zur Firmung.

Unersetzbar ist, was Augustinus sagte: «In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst […]. Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.»

Leo Tanner

 

1 Mehr zum Pastoralkonzept «Wege erwachsenen Glaubens» unter www.wege-erwachsenen-glaubens.org

2 Eine ausführliche Beschreibung der Startglaubenskurse sowie der weiterführenden Glaubenskurse findet sich unter www.weg-verlag.ch

3 Die Materialen zum Kurs werden regelmässig überarbeitet und inzwischen können die meisten Glaubenskurse mit Videos durchgeführt werden, siehe www.leotanner.ch/videovortraege/glaubenskurse.html

 


Leo Tanner

Leo Tanner (Jg. 1953) ist Priester des Bistums St. Gallen. 1997 wurde er zu 70 Prozent für neue Formen der Glaubensweitergabe frei-
gestellt. Er leitet Glaubenskurse in Pfarreien, bietet verschiedene Formen von Glaubensvermittlung an und gibt Exerzitien.