Übermorgen werden sie da sein, die Frauen und Männer, die "für eine Kirche mit den Frauen" zu Fuss bis nach Rom gegangen sind.1 In einer Haltung des Gebets, aber nicht unbescheiden: Papst Franziskus eine Botschaft bringen, am liebsten persönlich, ihn für den Dialog gewinnen, den die Kirche mit ihren Frauen führen soll, wenn möglich mit ihm feiern. Das Projekt, das schon vor über einem Jahr mit einem Blog gestartet ist, kommt am Samstag auf dem Petersplatz an sein vorläufiges Ziel.
Werden sie den Papst treffen, die Pilgerinnen und Pilger? Wird ihre Botschaft ankommen? Und wie wird es weitergehen?
Für, nicht gegen!
Ganz bewusst stellt die Pilgergruppe keine Forderungen. Das Projekt ist insgesamt einem "für, nicht gegen" verpflichtet: für eine Kirche mit den Frauen, für einen Dialog von Frauen und Männern. Angestossen werden soll eine Diskussion über die Rolle und Stellung der Frau, insbesondere mit Blick auf eine stärkere Beteiligung von Frauen an kirchlichen Entscheidungsprozessen. Die Kerngruppe, zu welcher Hildegard Aepli, Esther Rüthemann, Lea Stocker und Franz Mali gehören, machte sich dafür zusammen mit anderen zeichenhaft auf den Weg. Ein Weg, der getragen ist von der Hoffnung, welche der jetzige Papst bei vielen auslöst, durch die Art, wie er als Kirchenoberhaupt die Begegnung und den Dialog sucht. Das Pilgerprojekt wird von vielen Sympathisantinnen und Sympathisanten mitgegangen und mitgetragen, nicht zuletzt von den beiden Bischöfen Markus Büchel und Felix Gmür, die ebenfalls in Rom sein werden.
Voran auf vielen Wegen
"Für eine Kirche mit den Frauen" ist in einem grösseren Zusammenhang zu sehen und zu verstehen. Tatsächlich sind Frauen – und Männer! – in der Kirche längst auf dem Weg hin zu einer geschwisterlichen Kirche, sowohl im theologischen Diskurs wie auch in der pastoralen Praxis. Viele Aufbrüche haben bis heute dazu beigetragen, dass über Würde und Rolle der Frau in der Kirche nachgedacht wurde und wird. Gut fünfzig Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil ist mit Blick auf die Schweiz etwa an die Juristin Gertrud Heinzelmann zu erinnern, die sich mit ihrer Eingabe an das Konzil für eine Verbesserung der Stellung der Frau in der Kirche einen Namen gemacht hat. Aufbrüche der Feministischen Theologie gingen u. a. von Theologischen Fakultäten der Schweiz aus, und zwar von Lehrpersonen wie von Studentinnen. Einer studentischen Initiative beispielsweise ist die Etablierung des ständigen Lehrauftrags für Frauen- und Geschlechterforschung, heute Gender Studies, an der Theologischen Fakultät Luzern zu verdanken, der seit 1986 besteht; ebenso die Ring-Vorlesung "WoMan in church"2. Parallel zu den wissenschaftlichen Diskursen haben sich an der Basis vielerorts Formen von Frauenkirche und Frauengottesdienstgruppen gebildet, die nicht zum (mitunter befürchteten) Austreten dieser Frauen aus der Kirche geführt, sondern sich befruchtend und stärkend auf das kirchliche Leben ausgewirkt haben. Auch Frauenorganisationen, darunter z. B. der Schweizerische Katholische Frauenbund, sowie die Frauenorden sind Wege gegangen hin zu mehr Selbst- und Mitbestimmung.
Neue Hoffnung dank Franziskus
Unter dem jetzigen Pontifikat erhalten Anliegen, die den vielzitierten Reformstau der Kirche betreffen, neuen Auftrieb. Auch in Bezug auf die "Frauenfrage" weckt Papst Franziskus Hoffnungen. So tragen aktuell gleich mehrere Publikationen Titel wie: "Ohne die Frauen ist keine Kirche zu machen", "Keine Kirche ohne Frauen" oder "Marias Töchter. Die Kirche und die Frauen"3.
Tatsächlich betont Papst Franziskus die grosse Bedeutung Marias sowie der Frauen insgesamt für die Kirche. Er kritisiert, dass Frauen oft nicht die nötige Wertschätzung erfahren und in verschiedenen Bereichen von Gesellschaft und Kirche zu wenig einbezogen werden. Wiederholt fordert er eine vertiefte "Theologie der Frau"4, um Kriterien dafür zu gewinnen, wie Frauen noch mehr ihren Platz in der Kirche finden können. Auch wenn sich die Forderung nach einer "Theologie der Frau" mit Blick auf den Stand wissenschaftlich-theologischer Reflexion, die sich längst von der Frauenfrage zum Genderdiskurs weiterentwickelt hat, etwas unzeitgemäss ausnimmt5: Fragen nach Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung sind nach wie vor virulent. Franziskus selbst lädt ein, auf die Frauen zu hören, ihre Fragen ernster zu nehmen und ihre Beiträge bei wichtigen kirchlichen Entscheidungen zu berücksichtigen. Auch die Debatte um den Ständigen Diakonat für Frauen scheint er wieder aufnehmen und vorantreiben zu wollen.
Zweifellos hat die Frage nach der Frauenordination eine grosse Sprengkraft für die römisch-katholische Kirche. An diesem Punkt scheint Franziskus nicht von der Position seines Vorgängers Johannes Paul II. abrücken zu wollen.6 Mit dem Apostolischen Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" wurde 1994 der Diskussion einen Riegel geschoben; den Status eines Dogmas hat dieser Entscheid, wie theologische Analysen zeigen, jedoch nicht. Aus inhaltlichen wie formalen theologischen Gründen muss sich, wie die Kirchenrechtlerin Sabine Demel darlegt, die Kirche dieser Frage weiter stellen. In einem solchen Prozess, so Demel, kann es "nicht mehr nur um Öffnung bestimmter Weiheämter auch für Frauen gehen, sondern um die Weiterentwicklung bestehender (Weihe-)Ämter, eventuell neuer (Weihe-)Amtsstrukturen, die dem Auftrag Jesu Christi an die Kirche gerecht werden."7
Warum es weitergehen muss
Ohne die Anstrengungen von Frauen wie von Männern, die bereits unternommen worden sind und die auch Früchte getragen haben, wäre die Kirche in der Schweiz nicht, was sie heute ist. Die Pilgerinnen und Pilger gehen auch auf diesem "Boden" nach Rom.
Das Projekt "Für eine Kirche mit den Frauen" richtet sich direkt an Papst Franziskus. Die Fragen, Anliegen und Probleme, welche die Pilgerinnen und Pilger im Gepäck haben, kann der Papst aber nicht alleine beantworten und lösen. Welt-und Ortskirche sind davon betroffen. Franziskus verweist immer wieder auf die Verantwortung und Mitbeteiligung der Bischöfe. Deshalb ist es ein wichtiges und hoffnungsvolles Zeichen, dass Schweizer Bischöfe diesen Weg mitzugehen bereit sind.
Letztlich gibt es in der Kirche niemanden, den die Erfahrungen, welche Frauen in und mit der Kirche machen, ihre Fragen und Anliegen, nichts angehen. Die Kirche als Ganze ist "Volk Gottes" auf dem Weg, ist "Communio", wie das II. Vatikanische Konzil sagt. Ein kommuniales Kirchenverständnis betrifft auch die Gemeinschaft von Frauen und Männern. Und diesbezüglich sind wir, wie selbst der Papst zu verstehen gibt, noch nicht am Ziel.