Das gabs noch nie: Eine Wallfahrt, 1000 Kilometer zu Fuss, von einer Gruppe Schweizer Katholikinnen nach Rom – mit dem erklärten Ziel, dort für eine Aufwertung der Frau in der Kirche zu werben. Die Idee kam von Hildegard Aepli, die als Theologin und Pastoralassistentin seit langem das Projekt «Kirche mit den Frauen» betreibt. Und da sie im Bistum St. Gallen tätig ist, war es nur logisch, dass der Pilgerzug eben dort Anfang Mai begann. Mit dem ausdrücklichen Segen von Bischof Markus Büchel, aber auch unterstützt vom Basler Oberhirten Felix Gmür.
Ein Zeichen setzen
Schon vor dem Start erläuterte Hildegard Aepli Radio Vatikan ihr Anliegen: «Wir wollen ein Zeichen setzen. Unser Wunsch ist, dass nicht weiterhin Männer über die Aufgabe und Rolle der Frau in der katholischen Kirche befinden, sondern dass wir Frauen mitentscheiden.» Die Kirche der Zukunft soll die Frauen mehr denn je einbeziehen. Und mehrfach betonte die Projektgruppe: «Wir wollen einen Weg der Gleichberechtigung mit den Männern der Kirche gehen, nicht gegen sie.»
Unterstützung in allen Diözesen
Dass ein beträchtlicher Teil des schweizerischen Katholizismus das Anliegen der Pilgerinnen gutheisst, war von Anfang an klar. Abgesehen vom (schon erwähnten) Zuspruch der Bischöfe Büchel und Gmür, unterstützten verschiedene Orden, so die Benediktiner, Jesuiten und Kapuziner das Projekt. Überdies, und wohl noch wichtiger: Aus allen Diözesen der Eidgenossenschaft meldeten sich Interessenten für die Teilnahme an der einen oder anderen Tagesetappe der Wallfahrt an.
«Zwischenziel erreicht: Über 1000 Menschen begleiten Pilgerinnen nach Rom», hiess es denn auch in einem Mediencommuniqué vom 17. Mai. Am meisten Sympathisanten – jeweils rund ein Fünftel Männer – schlossen sich der Pilgergruppe in der Ostschweiz an. «Allein zwischen Maienfeld und Chur waren 130 Frauen und Männer zusammen auf dem Weg.» In der zweiten Maihälfte überquerte man die Po-Ebene und die hügelige Landschaft des Appenin. Dann gings weiter an die tyrrhenische Küste und weiter nach Rom.
Papst weckt Hoffnung
Papst Franziskus hat sich, was die Hoffnungen der Pilgergruppe beflügelte, seit Beginn seines Pontifikats 2013 immer wieder für eine Aufwertung der Frau in der Kirche eingesetzt. Ja, er sang geradezu das Hohelied auf die Frau. Die Kirche sei weiblich, unterstrich er – es ist «die» Kirche, nicht «der» Kirche. Daher gelte es, neue Kriterien und Wege zu finden, damit sich die Frauen nicht als Gäste und schon gar nicht als blosse Fronarbeiterinnen fühlen, sondern in den verschiedenen Bereichen des kirchlichen (und gesellschaftlichen) Lebens voll beteiligt werden.
Aber wie dies geschen soll, ist keineswegs klar – und wird lebhaft diskutiert. An der Tradition, dass nur Männer zu Priestern geweiht werden und deshalb nur sie Leitungsfunktionen in allen Diözesen sowie erst recht im Vatikan ausüben können, rüttelt Franziskus nicht. Die schweizerischen Pilgerinnen sagten denn auch klipp und klar, sie würden bewusst darauf verzichten, Forderungen wie jene nach einem «Priestertum der Frau» in Rom zu stellen. Gleichwohl stiegen vergangenen Monat die Erwartungen der von Frau Aepli geführten Gruppe.
Denn am 12. Mai kündigte Franziskus an, die Möglichkeit einer Weihe von Frauen zu Diakoninnen zu überprüfen. Doch als Italiens progressive Zeitungen dies schon als eine päpstliche Entscheidung für eine so wichtige Reform bejubelten, ruderte der vatikanische Pressechef Pater Lombardi SJ sogleich zurück: Halt, der Heilige Vater habe lediglich vor, eine Kommission einzusetzen, die dieses Problem untersucht. Was besagt: Entschieden sei noch gar nichts, alles wird auf die lange Bank geschoben. «Sicher ein Dämpfer für die Schweizerinnen», heisst es dazu im vatikanischen Pressesaal.
Keine Audienz beim Papst
Hildegard Aeplis Gruppe «Kirche mit den Frauen» hat Papst Franziskus ausführlich über ihr Anliegen informiert und betont, «dass es unser grösster Wunsch wäre, mit ihm am 2. Juli die Eucharistie zu feiern». Wenn das unmöglich sein sollte, würde man sich auch über eine Audienz sehr freuen, um dem Pontifex ein Memorandum über das ganze Projekt persönlich zu überreichen. Aber, schade für die Pilgerinnen: Weder eine Eucharistiefeier mit dem Papst noch eine Audienz kommen zustande.
Warum? Weil Franziskus ab 1. Juli Ferien macht. Er begibt sich zwar nicht, wie seine Vorgänger, in die Sommer-Residenz Castel Gandolfo, sondern bleibt «zu Hause» im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Aber er empfängt in dieser Zeit niemanden und hält diese Regel voraussichtlich auch 2016 ein. Dazu nun Frau Aepli: Das sei zwar schade. Doch «wir machen uns unabhängig vom Resultat des 2. Juli. Der Heilige Geist hat immer grösseren Spielraum als wir denken».
Distanzierter Vatikan
Somit ist bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe auch sehr fraglich, ob die Schweizerinnen an ihrem «Rom-Tag» überhaupt einflussreiche Monsignori aus dem Vatikan treffen. Bisher sieht das Programm für den 2. Juli in Rom hauptsächlich Begegnungen mit eigens angereisten Repräsentanten der heimatlichen Kirche vor – so einen «Impuls» (kurze Ansprache) von Schwester Margarete Gruber OSF sowie eine Eucharistiefeier mit Bischof Büchel im Petersdom.
Das Echo auf die Frauenwallfahrt in den vatikanischen Medien ist gespalten. Während Radio Vatikan sachlich über die Initiative berichtete, sagte ein Redakteur des «Osservatore Romano», der anonym bleiben will, der SKZ: «Wir wollen das Thema nicht aufgreifen. Denn die dahinter stehende Frauengruppe ist eine feministische Pressure-Group, deren Forderungen man im Vatikan – trotz einer gewissen Öffnung – gar nicht gerne sieht.»