Im Frühsommer 1942 verteilten Hans Scholl und Alexander Schmorell in München vier Flugblätter, in denen sie zum Widerstand gegen die Hitler-Diktatur aufriefen. Im Herbst des gleichen Jahres stiessen Willi Graf, Kurt Huber, Christoph Probst und Sophie Scholl dazu. Diese Gruppe ging später unter dem Namen «Weisse Rose» in die Geschichte ein. Dabei wurde auf die Überschriften der Flugblätter Bezug genommen.
Am 18. Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl verhaftet, als sie das sechste Flugblatt an der Universität von München verteilten. Da Hans einen Entwurf von Christoph Probst für ein neues Flugblatt bei sich trug, wurde auch dieser verhaftet. Am 22. Februar wurden alle drei zum Tode verurteilt und das Urteil wurde noch am gleichen Tag vollstreckt. Im Verlaufe des Jahres erfolgten die Verhaftung und Hinrichtung der anderen Mitglieder.
Einsatz für eine bessere Welt
Der Widerstand dieser jungen Menschen entstand aus ihren religiösen Überzeugungen. Beson- ders beeindruckten sie die Schriften von Augustinus, John Henry Newman und Sören Kierkegaard. Beeinflusst wurden sie dabei von Carl Muth, dem Herausgeber der später verbotenen katholischen Zeitschrift «Hochland», und vom Schriftsteller Theodor Haecker, der Werke Kierkegaards und Newmans übersetzte. Bei mehreren geheimen Treffen las Haecker aus seinen eigenen Werken vor. Dabei ging es u.a. um Christus und den Anti- christen, Gut und Böse, Irrtum und Lüge. Die jungen Menschen erkannten dadurch das Wirken des Bösen in ihrer Zeit und suchten ihren Weg, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Der Einfluss dieser Leseabende zeigte sich dann auch in den Texten der späteren Flugblätter.
Die Mitglieder der Weissen Rose hatten unterschiedliche religiöse Hintergründe. Hans und Sophie Scholl wuchsen in einer protestantischen Familie auf, Willi Graf in einem streng katholischen Umfeld. Alexander Schmorell gehörte der russisch-orthodoxen Kirche an. Christoph Probst, in einer humanistisch-liberalen Umgebung aufgewachsen, liess sich kurz vor seiner Hinrichtung taufen. Kurt Huber gehörte ebenfalls der katholischen Kirche an, stand ihr aber bis zu seinem Tod nicht sehr nahe.
Gemeinsame Zigarette statt Abendmahl
Kurz vor der Hinrichtung wollten Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst gemeinsam die Kommunion erhalten. Die genauen Gründe für diesen Wunsch sind nicht bekannt. Gemäss Susanne Hirzel, der Freundin von Sophie Scholl, wollten die Geschwister vor der Hinrichtung zur katholischen Kirche konvertieren; der Priester habe aber davon abgeraten, um der Mutter nicht zusätzliche Schmerzen zu bereiten.1 Renate Wind hingegen kommt zum Schluss, dass für die drei jungen Menschen einfach keine konfessionellen Grenzen mehr bestanden hätten. Sie macht dies an einer Aussage von Sophie Scholl fest: «Siehst du, Mutter, das ist für mich jetzt alles gleich.»2 Die gemeinsame Kommunion war nicht möglich, und so war der gewünschte gemeinsame Abschied «dann eben nicht ein ökumenisches Abendmahl, sondern die letzte gemeinsame Zigarette, die das Gefängnispersonal, von dem Schicksal der jungen Menschen angerührt, den dreien zugestand».3
Christliches Vermächtnis
Unabhängig von der konkreten Kirchenzugehörigkeit leisteten die Mitglieder der Weissen Rose aus ihrem christlichen Glauben heraus Widerstand. So verabschiedete sich Christoph Probst von den Geschwistern Scholl mit den Worten: «In wenigen Augenblicken sehen wir uns in der Ewigkeit wieder.» Alexander Schmorell ermahnte seine Eltern: «Vergesst Gott nicht!» Willi Graf schrieb an seine Familie: «Gottes Segen über uns, in ihm sind und leben wir.»4
Alexander Schmorell wurde von der russisch-orthodoxen Kirche 2012 heiliggesprochen, Christoph Probst wurde als Glaubenszeuge in das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts aufgenommen. Das Erzbistum München und Freising prüft zurzeit, ob für Willi Graf die Möglichkeit einer Seligsprechung besteht.
Rosmarie Schärer