Gegen Individualismus und Egoismus

Mit einem Loblied auf die Familie und dem Versprechen, sich intensiver als bisher um Paare in Krise zu kümmern, endete die Bischofssynode im Vatikan zum Thema «Ehe und Familie». «Das Schlussdokument ermutigt zu einer neuen, besseren Familienpastoral. Aber ein paar ‹heisse Eisen› beschäftigen uns intensiv weiter.» So nahmen dieser Tage mehrere italienische Bischöfe zum Ausgang der Synode über Ehe und Familie Stellung. In der Tat hatte die von Papst Franziskus gewünschte Kirchenversammlung am 18. Oktober die umfangreiche «Relatio Sinodi» verabschiedet, in der es heisst: Trotz vieler Krisensignale bleiben sowohl die Institution Ehe als solche wie auch der Wunsch nach einer Familie präsent – als ein «Gegengift gegen Individualismus und Egoismus». Die Kirche ist nicht nur berufen, junge Paare auf ihrem Weg zu begleiten und «ihre Sehnsucht nach Gott» zu stärken, sondern sie soll sich auch mehr als bisher um «Ehepaare in Krise» und alle damit zusammenhängenden Probleme (etwa um die Kinder dieser Paare) kümmern.

Streitfragen

Bei den Streitfragen «Kommunion auch für wiederverheiratete Geschiedene?» und «Wie steht die Kirche zu Homosexuellen?» waren sich die 250 Synodalen uneins. Diese heiklen Probleme, hiess es, müssen weiter untersucht und «vertieft» werden. Aber gehen wir der Reihe nach. Der Schlussbericht nennt zunächst die Adressaten: «Die um den Papst gescharte Synode der Bischöfe richtet ihre Gedanken an alle Familien der Welt mitsamt ihren Freuden, ihren Mühen und ihren Hoffnungen.» Gerade in einer von Egoismus und Hedonismus geprägten Zeit, heisst es, zeigen sich im Gegensatz zu diesen negativen Tendenzen die grossen Werte der christlichen Ehe und Familie. Man müsse die Menschen in ihrer konkreten, oft sehr schwierigen Lebenssituation annehmen und sie ermutigen, sich – auch wenn sie gescheitert sind – weiterhin als Teil der Kirche zu verstehen. «Zur christlichen Botschaft gehört immer auch Barmherzigkeit und Wahrheit.»

Das Hauptinteresse vieler Katholiken im Blick auf die mit Spannung verfolgte Familiensynode galt der Frage, inwieweit die Amtsträger der Weltkirche den von Papst Franziskus geforderten Reformkurs unterstützen. Im Fokus dabei: das Verhalten gegenüber nur zivil, nicht vor dem Altar geschlossenen Ehen, gegenüber Paaren ohne Trauschein, gegenüber Geschiedenen – und gegenüber Homosexuellen. Der vom ungarischen Kardinal Peter Erdö vorgelegte Halbzeitbericht der Synode signalisierte, ganz im Sinne von Franziskus, in diesen Punkten eine erstaunliche «Offenheit». Homosexuelle, hiess es sogar, könnten «durch ihre Gaben die christliche Gemeinschaft bereichern».

Widerstand

Kaum wurde am Abend des 18. Oktober das Schlussdokument publik, verglich man es folglich mit dem Halbzeitbericht. Resultat: Die «Relatio Sinodi» ist, was die genannten «heissen Eisen» betrifft, wesentlich vorsichtiger. Denn den Tradionalisten bei der Synode ging Kardinal Erdös Text entschieden zu weit; sie mauerten, polemisierten – und erreichten in den brisantesten Fragen eine konservative Wendung. Konkret zeigt sich dies daran, dass von den 62 Punkten des Schlussdokumentes 59 mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen wurden, drei jedoch nicht genügend Ja-Stimmen erhielten und somit abgeschmettert wurden. So der Paragraf 52, der – trotz dem Bestehen auf der Unauflöslichkeit einer religiös geschlossenen Ehe – die Möglichkeit der «Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene» vorsah. Keine Zweidrittelsmehrheit erreichte auch das Votum beim Paragrafen 53, der eine zwar nicht sakramentale, aber «spirituelle Kommunion» für bloss Zusammenlebende und für Geschiedene erwog. Ebenso wenig kam der Punkt 55, der betont freundliche Worte über die Homosexuellen enthielt, zu so vielen Stimmen. Zu diesen Themen besagt die «Relatio Sinodi» nun, – wie erwähnt –, dass man sie noch vertiefen muss.

Trotzdem positive Gesamtbilanz

Der Umstand, dass man in den wohl heikelsten Punkten der breiten Themenpalette keine Zweidrittelmehrheit fand, bewirkte in den säkularen (laizistischen) Medien ein rundum negatives Urteil über die Synode. «Doch keine Revolution, die vielfach erwartete Öffnung blieb aus: ein scharfes Bremsmanöver für Franzikus», hiess es. Demgegenüber zogen viele Synodale, darunter auch der Schweizer Bischof Markus Büchel, trotz der erwähnten Abstriche eine positive Gesamtbilanz. Und das ist auch richtig so, fanden doch alle Punkte eine Mehrheit unter den Bischöfen, auch wenn es bei den genannten drei Punkten nicht zu einer Zweidrittelmehrheit reichte. Papst Franziskus dankte in seiner Schlussrede den Synodalen für ihr grosses Engagement. Dann fügte er, im Blick auf die Kontroverse zwischen Tradionalisten und Progressiven, überraschende Bemerkungen an, die den Schluss zulassen, dass er klar Distanz zu beiden Lagern halten will. Und er kündigte weitere offene Debatten an. Im gleichem Sinn äusserte sich nicht zuletzt der Pressechef des Heiligen Stuhls, Pater Lombardi, SJ: «Da die Familiensynode auf zwei Etappen angelegt ist, dient das jetzt verabschiedete Schlussdokument als exzellente Basis für die nächste Runde im Oktober 2015.»

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan