«Denn der Heilige Geist und wir haben entschieden» (Apg 15,28): Die Worte, die die Jerusalemer Gemeinde den Christen in Antiochia schreibt, um ihnen mitzuteilen, dass die jüdischen Speisevorschriften, v. a. aber die Beschneidung für die Neuchristen nicht zwingend sind, klingen in unseren Ohren mehr als befremdlich. Stellen sie sich vor, eine Bischofskonferenz, ein Pfarreirat oder ein Pastoralraumteam würde solche Worte wählen! Und doch formulieren diese Worte eine Herausforderung an alle kirchlichen Entscheidungsträger, ob als Einzelpersonen oder Gremien bis heute. Denn in ihnen spiegelt sich nicht nur das Selbstbewusstsein der jungen Gemeinde, die sich in ihrem Handeln – und Entscheiden – vom Heiligen Geist getragen weiss. Mehr noch kommt hier die theologische Konzeption des Lukas zum Tragen, der die Ausbreitung der jungen Kirche in einer Dynamik des Heiligen Geistes verortet. Wichtig ist dabei nicht nur der Inhalt der Entscheidung, der den Weg frei macht für eine Kirche aus Juden und Heiden, sondern auch die Art und Weise, wie der Entscheid entsteht: im gemeinsamen Ringen um den richtigen Weg, im Hören darauf, was Gott schon gewirkt hat.
Beide Herausforderungen stellen sich heute. Es ist unbestritten, dass in den Kirchen ein enormer Entscheidungsbedarf auf strategischer Ebene besteht: Die fortlaufenden Restrukturierungen in den Pfarreien erzwingen auch inhaltliche Neuausrichtungen, die knapper werdenden finanziellen Ressourcen führen dazu, dass pastoral Prioritäten gesetzt werden müssen, der Mangel an theologisch ausgebildetem Personal erfordert neue Wege der Verkündigung. Vor allem aber wird – so formuliert es Papst Franziskus – Kirche «hinausgehen» müssen, um das Evangelium den Menschen von heute neunahezu bringen.
Mindestens ebenso wichtig wier der Inhalt der zu treffenden Entscheidungen ist auch das Wie: Einsame und autoritäre Entscheide werden den nötigen Aufbruch nicht möglich machen, weil dieser eine breite Partizipation, das Ernstnehmen aller Charismen voraussetzt. Aber auch Mehrheitsentscheide genügen nicht, wenn sie nur formal vollzogen werden ohne ein gemeinsames Hören auf das, «was der Geist den Gemeinden sagt» (Offb 2,11). Und schliesslich können wir nicht vorbeisehen an neuen Erkenntnissen und Methoden: Längst werden in der Politik partizipative Prozesse auf breiter Ebene durchgeführt, werden Bürgerinnen und Bürger in wichtige Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen; neue Formen der Selbstorganisation bringen auch neue Entscheidungsmodelle wie z. B. in der Holokratie hervor. Die Zeichen der Zeit weisen deutlich in Richtung Beteiligung. Hier gibt es viel zu lernen – und zu versuchen.
Bernhard Waldmüller*