Martin Luther King erlebte in seiner Kindheit in Atlanta, im Süden der USA, die Auswirkungen der Rassendiskriminierungsgesetze* hautnah. Er litt oft unter den Ausgrenzungen und Nachteilen im Alltag. Bei Mahatma Gandhi fand er einen Weg, wie sich Christen gegen soziale Missstände wehren und gleichzeitig die Lehre Jesu ernst nehmen können. King war es wichtig, den Verstand zu gebrauchen und nicht einfach alles hinzunehmen; gleichzeitig wollte er ein Handeln aus Liebe. So schrieb er: «Ein dritter Weg steht unserem Streben nach Freiheit offen: gewaltloser Widerstand. Er verbindet den scharfen Verstand und das weiche Herz.»1
Der Beginn
Der erste Prüfstein für die Theorie des gewaltfreien Widerstandes war der Busboykott in Mont- gomery im Jahr 1955/56. Als sich eine Schwarze geweigert hatte, ihren Sitzplatz einem Weissen zu überlassen, und sie deshalb verhaftet wurde, benutzte die schwarze Bevölkerung aus Protest über ein Jahr keine öffentlichen Busse. Am 13. November 1956 bestätigte der Oberste Gerichtshof der USA die Verfassungswidrigkeit der Rassentrennung in öffentlichen Bussen – der Boykott hatte gewirkt. Am Ende des Busboykotts schrieb King in einer Erklärung: «Wir haben in der Qual und Finsternis des Karfreitags gelebt, fest davon überzeugt, dass eines Tages der helle Sonnenglanz der Ostersonne am Horizont aufleuchten würde. Wir haben erlebt, wie die Wahrheit gekreuzigt und die Güte begraben wurde, aber wir sind vorwärtsgegangen in der Zuversicht, dass die Wahrheit, die zu Boden getreten wurde, wieder auferstehen wird.»2
Ich habe einen Traum
Durch seine Predigten, Vorträge und Texte nahm Kings Bekanntheit zu und er wurde zu einer führenden Gestalt der wachsenden Bürgerbewegung. Bis zu seiner Ermordung war er unermüdlich im Kampf gegen die Rassentrennung unterwegs. Gemeinsam mit Vertretern anderer christlicher Konfessionen und aus dem Judentum gelangen viele Verbesserungen für die schwarze Bevölkerung. Alle Aktionen waren immer von Gewaltlosigkeit geprägt und aus einem christlichen Glauben genährt. Einer der Höhepunkte dieser Bewegung war der «Marsch auf Washington» vom 28. August 1963. Über 200 000 Menschen (darunter 60 000 Weisse) nahmen daran teil und forderten ein Ende der Rassendiskriminierung. King hielt seine berühmte Rede «I have a dream». «Ich habe einen Traum, dass diese Nation sich eines Tages erheben und der wahren Bedeutung ihres Glaubens gemäss leben wird: Wir halten die Wahrheit, dass alle Menschen gleich erschaffen sind, für selbstverständlich … Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.»3
Leiden in schöpferische Kraft verwandeln
King wurde mehrfach verhaftet, es gab Bombenanschläge gegen sein Haus, Morddrohungen gegen ihn und seine Familie, einen Mordversuch usw. Trotzdem ging er seinen Weg unbeirrt weiter. «Als meine Leiden zunahmen, erkannte ich bald, dass es zwei Möglichkeiten gab, mit meiner Lage umzugehen: Entweder mit Verbitterung zu reagieren oder zu versuchen, das Leiden in eine schöpferische Kraft umzuwandeln, ich entschied mich für den letzteren Weg … Ich habe in den letzten Jahren in der Überzeugung gelebt, dass unverdientes Leiden zur Erlösung führt.»4
Am 3. April 1968 hielt King in Memphis/Tennessee eine Ansprache und sagte: «Natürlich möchte ich wie jeder andere gerne lange leben … Aber darum bin ich jetzt nicht besorgt. Ich möchte nur Gottes Willen tun. Er hat mir erlaubt, den Berg zu besteigen. Und ich habe hinübergesehen in das Gelobte Land. Vielleicht gelange ich selbst nicht mit euch dorthin. Aber heute Abend sollt ihr wissen, dass wir als ein Volk in das Gelobte Land gelangen werden. Und deshalb bin ich glücklich heute Abend. Ich mache mir keine Sorgen über irgendetwas, und ich fürchte niemanden. Denn meine Augen haben die Herrlichkeit des kommenden Herrn gesehen.»5
Am folgenden Abend wurde er ermordet.
Rosmarie Schärer