Um den Begriff «Kraftort» hat sich über die Jahre viel angesammelt: Esoterisches, Rituelles, Touristisches. Menschen pilgern an diese Orte, wo die Erdschwingung besonders hoch und Energie besonders spürbar sein soll. Die einen kommen wegen der Gebäude oder Ruinen, die an solchen Plätzen noch stehen, andere, damit sie der Welt viral mitteilen können, dass sie jetzt auch da waren.
Ich glaube, dass viele dieser Kraftorte infolge dieses Hypes und der vielen sie besuchenden Menschen an Energie verloren haben. So kann erklärt werden, dass manche Menschen nichts spüren (und sich die anderen etwas einbilden).
Wie immer wird es schwierig, wenn es darum geht, etwas zu erfühlen, was (der Bauer) weder essen, greifen noch sehen oder hören kann. Aber sie sind da, die Kraftorte, und das seit Menschengedenken.
Um den Begriff so wissenschaftlich wie möglich zu erörtern, kann festgehalten werden, dass es drei Sorten von Orten der Kraft gibt: erstens die natürlichen Kraftorte im Energiefeld der Erde. Die Erde hat ein Energiesystem ähnlich wie der Mensch. Diese natürlichen Energiezentren sind Orte, wo besondere Kraft strahlt. Beipiele sind Stonehenge in England, der Berg Teide auf Teneriffa oder die Pyramiden von Gizeh in Ägypten. Zweitens gibt es Kraftorte, die geschaffen worden sind, indem Menschen dort heilige Rituale durchgeführt haben und so ihre Energie aufluden. Nicht selten bauten Menschen ihre Tempel, Synagogen, Moscheen und Kirchen an Orten, die schon natürliche Kraftorte waren. Drittens kann das eigene Zuhause als Kraftort gestaltet werden, etwa wenn dort ein kleiner Altar aufgebaut wird.
Falera im Bündner Oberland hat einen Ort der Kraft, der die ersten beiden Kategorien auf sich vereint. Und das seit 3500 Jahren. Die bronzezeitliche Megalithenanlage, eine Sonnenkultstätte, gehört mit 400 m Länge und 34 aufgestellten Steinen zu den grössten astrologischen Stätten der Schweiz und wurde erst 1934 als solche entdeckt und erforscht. Nicht von ungefähr steht inmitten dieser Anlage die katholische Kirche St. Remigius, von weit her vom ganzen Tal aus sichtbar. Wunderbar in die Umgebung eingepasst ist dieses altehrwürdige Gotteshaus, mein persönlicher Kraftort, den ich zu Randzeiten besuche. Mich ihm andächtig nähere, mich gesammelten Geistes auf eine der Kirchenbänke setze, mich öffne und geerdet verweile. Meine Gedanken gewinnen Raum, fliegen davon und erlischen schliesslich ganz. Bis ich nur noch bin. Und mein Herz ruhig klopfen höre.
Brigitte Burri*