Bei der Pensionierungsvorbereitung werden alle Menschen mit zentralen Lebensfragen konfrontiert. Die Pflege der körperlichen und mentalen Gesundheit sowie der sozialen Kontakte ist auch bei Priestern der wesentlichste Aspekt der Altersvorsorge. Zudem muss sich der Priester Gedanken zu seiner künftigen Rolle in der Gemeinschaft machen.
Beim Thema Altersvorsorge stehen meistens finanzielle Aspekte im Vordergrund. Eine hohe Rente ist für den Ruhestand aber nur die halbe Miete. Die finanzielle Altersvorsorge steht auf drei Säulen; gute, tragfähige Beziehungen bilden die vierte Säule. Wie kann man sich eine solche stabile «vierte Säule» für den Ruhestand aufbauen?
Stressniveau im Auge behalten
Laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung beschweren sich Schweizer Erwerbstätige immer stärker über wachsenden Stress bei der Arbeit. Auch die Belastungen im Priesteramt sind stark gewachsen. Zur Altersvorsorge gehört es, den Level an schädlichem Stress während der Arbeitstätigkeit möglichst tief zu halten. Dies gilt vor allem auch, wenn man nach dem 65. Lebensjahr noch weiterarbeitet, was viele Priester machen. Der meist späte Antritt des Ruhestands birgt besondere Herausforderungen. Wenn ältere Priester bereit sind, länger die volle Pfarrverantwortung zu tragen, stellen sie damit die Seelsorge in den Gemeinden sicher. Sie werden dringend gebraucht, aber wissen gleichzeitig, dass sie für die Zeit danach planen sollten, unabhängig davon, ob sie in der Gemeinde bleiben oder anderenorts einen Wohnsitz nehmen. Je älter die Priester beim Ortswechsel sind, desto schwieriger ist aber die Integration am neuen Wohnort. Das Loslassen fällt dann umso schwerer. Der Übergang in die Pension wird für Priester und Pfarrei leichter, wenn engagierte Leute in der Gemeinde mitwirken. Denn so ruht die Verantwortung für das Leben in der Pfarrei auf mehreren Schultern.
Einen Plan für den Ruhestand erstellen
Ideal ist, wenn man bereits im Alter von 50 oder 55 Jahren mit der Planung des neuen Lebensabschnittes «Ruhestand» beginnt und sich dabei überlegt, was man während der dritten und vierten Lebensphase tun will. Nach dem Wegfall der seelsorgerischen Arbeit kann ein Vakuum entstehen und das Selbstverständnis beeinträchtigen. Priester müssen sich hier Gedanken machen, welche Rolle sie künftig in der Gesellschaft einnehmen oder eben nicht mehr möchten. Man wird auf einen Schlag weniger gebraucht und ist nicht mehr so wichtig. So kann ein kritischer Lebensübergang, ein Gefühl der Unterforderung und Leere entstehen. Es kann aber auch zu einem regelrechten Pensionierungsschock kommen: Die plötzlichen Freiheiten, die reichliche selbstbestimmte Zeit können auch überfordern. Kursteilnehmende haben mich auch schon gefragt: Habe ich etwas verpasst im Leben? Und falls dem so ist, muss ich alles Verpasste nachholen? Sich diesen Fragen zu stellen, ist ein langfristiger Prozess, der nicht erst bei der Pensionierung ausgelöst werden sollte.
Soziale Kontakte pflegen
Mit der Pensionierung verliert man die soziale Umgebung des Arbeitsplatzes und auch die bisherige Tagesstruktur. Es gilt auch hier, sich frühzeitig zu überlegen, mit wem man nach der Pensionierung in Kontakt bleiben will und kann. Wenn ein guter Kollege weiterarbeitet und man selbst pensioniert wird, kann dies beispielsweise eine Herausforderung sein, da sich der Lebensinhalt verändert. Nehmen Sie sich vermehrt Zeit für ihre Verwandten und Bekannten, pflegen Sie Freundschaften. Gerade die Pfarreien bieten viele Kontaktmöglichkeiten, die ein pensionierter Priester nun von der anderen Seite her kennenlernen darf.
Gesundheit erhalten, Resilienz stärken
Mit dem Älterwerden bekommen die Gesundheit und der Umgang mit deren Beeinträchtigungen einen immer wichtigeren Stellenwert. Die lebenslange Vorsorge für die eigene körperliche und psychische Gesundheit gehört unabdingbar zur Pensionierungsvorbereitung. Als Faktoren gelten zum Beispiel eine gesunde Ernährung, körperliche Fitness und ein guter, erholsamer Schlaf. Spiritualität kann ein wichtiger Faktor sein. Seelsorgerisch Tätige sehen sich als Teil in einem grösseren Ganzen und ruhen im Allgemeinen mehr in sich selbst. Gute Voraussetzungen für ein erfülltes Alter.
Ein anderer prägender Aspekt ist das Bild, das man vom Altern hat. Hat sich ein Defizit-Modell im Kopf festgesetzt und wähnt man sich bereits mit einem Bein im Altersheim? Es lohnt sich, seine Einstellung zur Pensionierung bewusst so zu formen, dass sie aufbauend und motivierend wirkt. Der Fokus soll auf die bleibenden Fähigkeiten wie Humor, Empathie, Lernfähigkeit, Belastbarkeit oder Aufnahmefähigkeit gerichtet sein. Verlustängste bewirken, dass man die Palette von Wahlmöglichkeiten bewusst oder unbewusst selbst einschränkt. Denn Altern ist ein lebenslanger Prozess, der immer wieder neue Chancen hervorbringt.
Frieda Waldispühl Zindel