Während der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist, gedenkt die Schweiz des 75-jährigen Jubiläums der Heiligsprechung von Bruder Klaus (1417–1487) im Jahr 1947. Zwischen dem Tod und der Heiligsprechung im Jahr 1947 sind 460 Jahre verstrichen. Warum dauerte es so lange? Dank Papst Franziskus wurden kürzlich die Archive des Pontifikats von Pius XII. (1939–1958) für die Forschung geöffnet. Was sagt also das Archiv? Und was verraten die Quellen aus dem Zweiten Weltkrieg über Bruder Klaus?
Frieden versus Kriegshaltung
Schon vor seinem Tod war Bruder Klaus vom Volk als der «lebende heyligi» verehrt. Aus seiner Zelle im Ranft ist Bruder Klaus Zeuge einer Kirche, die aufeinander hört, einer Kirche, die im «Namen Jesu» hinausgeht. Niklaus suchte den Frieden mit Gott und so konnte er Ratgeber dafür sein, den Frieden zu suchen. Aber warum dieses lange Warten auf die Heiligsprechung? Nach dem Tod von Bruder Klaus setze die Kirche in der Schweiz ihre Hoffnungen auf den Walliser Kardinal Matthäeus Schiner. Er war in Rom einflussreich und stand Papst Julius II. nahe. Im Jahr 1511 wurde er Kardinal. Ein Jahr später stand derselbe Schiner an der Spitze der Schweizer, die die Franzosen gewaltsam aus Mailand vertrieben. Dies war die Stunde des Triumphs für die kriegerische Politik von Julius II. Doch wie wir aus vatikanischen Quellen erfahren, hat Schiner in der römischen Kurie keinen Finger gerührt, um die Heiligsprechung von Bruder Klaus zu unterstützen. Aber warum? Der Theologe Charles Journet stellte sich im Jahr 1947 die gleiche Frage: Der Grund dafür ist, «dass die politische Haltung von Schiner und den Eidgenossen in zu krassem Gegensatz zu den Empfehlungen von Nikolaus stand».
Zwei Wunder und eine Dispens
Für die ersehnte Heiligsprechung von Bruder Klaus haben sich die Schweizer im Laufe der Jahrhunderte immer wieder eingesetzt. Und die Seligsprechung erfolgte 1649. Wir wissen jedoch, dass die Ritenkongregation für eine Heiligsprechung drei Wunder verlangt. Die Quellen im Vatikan berichten von zwei mysteriösen Heilungen, die Bruder Klaus Ende des 19. Jahrhunderts in der Freiburger Landschaft zugeschrieben wurden. Aber die Heilungen wurden nicht als Wunder anerkannt. Die Wunder, die für Bruder Klaus den Ausschlag gaben, doch noch heiliger Nikolaus zu werden, waren schliesslich die Heilungen von zwei jungen kranken Frauen im Solothurner Land. Es handelt sich um Ida Jeker aus Büs-
serach, die 1937 durch das Berühren des Bruderklausengewandes in Sachseln geheilt wurde. Die zweite Frau war Bertha Schürmann aus Egerkingen, die 1939 bettlägerig Niklaus von Flüe anrief und infolgedessen geheilt wurde.
Es ist interessant zu sehen, wie die Kirche auf die Gemeinschaften der beiden geheilten Frauen hörte, um zu überprüfen, ob es sich wirklich um Wunder handelte. Im Archiv gibt es Aufzeichnungen über alle Interviews mit Priestern, Ärzten, Krankenschwestern, Familien, Nachbarn, anderen Frauen und Männern, die um ihre Meinung gebeten wurden. Die entscheidende Frage, die ihnen gestellt wurde, lautet «Ist es wirklich ein Wunder?» Die Antworten der Männer, von einigen Ärzten bis hin zum Pfarrer einer der Geheilten, sind zögerlich. Zur Genesung von Bertha Schürmann bemerkt der Arzt Isidor Büttiker: «Ich ziehe es vor, kein Urteil über die Art der Genesung abzugeben.» Und der Pfarrer von Ida Jecker, Pater Raphael Hasler, glaubte nicht an das Wunder und schrieb sogar einen kritischen Brief an Papst Pius XII. Alle Frauen, die befragt wurden, meistens Bäuerinnen – stellten aber fest, dass das Wunder echt war und dass die Gemeinde es auch glaubte. Selbst die reformierte Krankenschwester Ida Christen bemerkte: «Meiner Meinung nach war die Heilung ein Wunder. Ich dachte: Wenn der Mensch glaubt und betet, hilft ihm Gott.» Die Stimmen dieser Frauen waren für die Heiligsprechung von Bruder Klaus entscheidend, sogar prophetisch.
Wie wir aus den Archiven erfahren, bestätigt die Sitzung der Ritenkongregation am 14. März 1944 die beiden Wunder. Des Postulator Paul Maria Krieg (1890–1984), Schweizergardekaplan, schrieb an den Apostolischen Nuntius in Bern Filippo Bernardini (1884–1954): «Der Heilige Vater hat nicht nur die beiden vorgetragenen Wunder anerkannt, sondern auch eine Dispens für das dritte erteilt. Als der Papst mich nach der Sitzung in Audienz empfang, war er sehr freundlich und erlaubte sich, nach Literatur über unseren Seligen zu fragen und seine Freude über das Ergebnis auszudrücken.»
Ein umfangreiches Dossier in den Vatikanischen Archiven ist auch der Haltung des Bundesrates zur Heiligsprechung gewidmet. Um skeptischen Stimmen im Protestantismus entgegenzukommen, entsandte der Bundesrat den Vizepräsidenten Enrico Celio (1889–1980) nur in privater Funktion nach Rom. Der Heilige Stuhl schien zunächst irritiert. Bei einem vertraulichen Gespräch in Bern zwischen dem Nuntius und dem reformierten Bundesrat Max Petitpierre (1899–1994) machte dieser jedoch deutlich, dass die Regierung über die Teilnahme von Vizepräsident Celio an der römischen Heiligsprechung «erfreut und zufrieden sei». Bundesrat Celio und seine Frau sowie die Frau des Bundespräsidenten Philipp Etter (1891–1977) wurden so schliesslich von Pius XII. empfangen. Während der Privataudienz ging hervor, dass der Zweite Weltkrieg eine entscheidende Rolle für die Heiligsprechung spielte. Aber es zeigt sich, so könnte man heute hinzufügen, dass auch die Kirchengeschichte zu diesem Schritt nun endlich bereit war. Die sich selbst als kriegerisch verstehende Kirche, wie sie für die Zeit von Kardinal Schiner typisch war, wich – während der beiden Weltkriege – einer Kirche, die den Frieden prophezeite, die Demokratien hoch achtete und die Wunden des Krieges heilte.
Prophet des Friedens und Landesvater
Schon während des Ersten und vor allem während des Zweiten Weltkrieges wurde Bruder Klaus zu einer Identifikationsfigur für eine Schweiz, die von einem Europa im Krieg umgeben war. Am 19. Dezember 1938 schrieb der Nuntius Bernardini einen Brief an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, der einige Monate später Papst Pius XII. werden sollte. Der Nuntius erzählt, dass Niklaus eine wichtige Rolle bei der geistlichen Verteidigung der Schweiz spielt. Der Name Bruder Klaus taucht dutzendfach in den Vatikanischen Archiven des Zweiten Weltkriegs auf. Aus Bern berichtet Bernardini von den Pilgerfahrten nach Sachseln, die sich in Kriegszeiten vervielfachten. Und der Nuntius zögert nicht, ihn einen «Propheten des Friedens» in einem Europa im Krieg zu nennen.
Aber wenn wir einen Schritt weitergehen, können wir von der hagiografischen Perspektive zur ekklesiologischen übergehen. Es ist in der Tat die gesamte katholische Kirche, die, inspiriert von Bruder Klaus und seiner Mission, prophetisch wird. Ein Beispiel aus der Quelle betrifft das Priesterseminar St. Luzi in Chur. Es handelt sich um ein Dossier aus dem Jahr 1939 mit dem Titel «Seminaristen und Mobilisierung». Nur einen Monat nach Ausbruch des Krieges schrieb Kardinal Giuseppe Pizzardo an den Nuntius: «Ich möchte wissen, ob die Bischöfe angesichts des schmerzlichen Umstandes, dass die Mehrheit der Studenten der Seminare der Schweiz derzeit in der Armee ist, einige allgemeine Massnahmen ergriffen haben, um sicherzustellen, dass diese Seminaristen so gut wie möglich unterstützt werden.»
Bezeichnend ist die Antwort des Bischofs von Chur Laurenz Matthias Vincenz (1874–1941) vom 26. Oktober 1939. Aus dem Brief geht hervor, dass 26 Studenten des Priesterseminars mobilisiert wurden. Und dann erzählt der Bischof, dass die in Chur verbliebenen Seminaristen gemeinsam die schöne Idee hatten, monatlich einen Rundbrief an die Theologen im Militärdienst zu schicken. Der Bischof fügte das erste Rundschreiben vom 25. Oktober bei. Der Feldbrief Nr. 1 der «St.-Luzi-Post» beginnt mit dem Bild und dem Friedensgruss von Bruder Klaus: «Der Nam Jesus sy üwer Gruoss». Und der Feldbrief geht weiter: «Mit Bild & Wort des viellieben Landesvaters grüssen wir, Professoren & Alumnen von St. Luzi, euch, liebe Mitalumnen im feldgrauen Wehrkleid!»
Die Verbindung zwischen dem 15. und dem 20. Jahrhundert besteht darin, dass die Kirche von Bruder Klaus dazu berufen ist, einer Welt im Krieg Frieden zu bringen. In beiden Epochen inspiriert Bruder Klaus endlich eine Kirche, die prophetisch, synodal und hinausgehend ist. Denn die Kirche, in der Bruder Klaus lebte und die noch Jahrhunderte später inspiriert, ist eine Kirche, die hinausgeht, um Frauen und Männern «im Namen Jesu» zu begegnen und ihre Wunden zu heilen.
Lorenzo Planzi