Religionsunterricht in der Pfarrei?

Bild: www.kna.de

 

Soll sich der konfessionelle Religionsunterricht (RU) aus der Schule verabschieden? Wie gestaltet sich die Zukunft der Katechese in der Gemeinde? Die erste Frage wird in der Deutschschweiz kontrovers diskutiert: Einerseits sind klare Kontra-Argumente in Erinnerung zu rufen, die für einen notwendigen Verbleib konfessioneller religiöser Bildung am Lernort Schule plädieren, da ein obligatorischer bekenntnisunabhängiger ERG-Unterricht oder das Fach Religionslehre nicht das Gleiche intendieren und leisten wie kirchlich verantworteter RU. Ohne ihn würde christlich konturierte Bildung unwiederbringlich aus der schulischen Lebenswelt Heranwachsender zu verschwinden drohen. Andererseits mehren sich auch Stimmen, die für eine Verlagerung religiöser Bildung an den Lernort Kirche argumentieren, etwa auch um den schwierigen 45-minütigen Randstunden zu entkommen und grössere Zeitgefässe für ganzheitliche katechetische Lernanlässe ausserhalb des Klassenraums in der Gemeinde zu gewinnen.

Pauschale Antworten und religionsdidaktische Globalempfehlungen greifen somit zu kurz. Denn bekanntlich sieht es in jedem Kanton und Ort für katholischen bzw. ökumenischen RU immer ein wenig anders aus. Historisch bedingt hat sich in manchen Kantonen, wie Bern oder Zürich, ohnehin kein kirchlicher Religionsunterricht in der Schule etabliert. Und dort, wo es ihn (noch) gibt, wirken auf dem flachen Land oder in Städten andere Rahmenbedingungen als in Bergregionen: Wo eine Verlagerung des konfessionellen RU in die Gemeinde sinnvoll und praktikabel erscheinen mag, z. B. im Kanton Luzern in Gisikon-Root, wäre sie andernorts völlig unrealistisch, z. B. im Kanton Uri, wo die Schülerinnen und Schüler aus der Höhe mit verschiedenen Bahnen zum Unterricht anreisen, um am Nachmittag (auch zur landwirtschaftlichen Arbeit) dorthin zurückzukehren. Dort wäre ein am Lernort Kirche platzierter Religionsunterricht im Block, etwa am Samstagvormittag, von vornherein nicht nachgefragt.

So ist vieles möglich, da in der Deutschschweiz, im Unterschied zu Deutschland, wo seit der Würzburger Synode 1974 eine klare Trennung zwischen den Lernorten Kirche und Schule fixiert ist, eine solche nicht deutlich durchgesetzt wurde. Vielmehr geht auch der LeRUKa (Lehrplan für den konfessionellen Religionsunterricht und die Katechese) von fliessenden Übergängen zwischen beiden Lernorten sowie RU und Katechese aus. Damit sind auch diverse Lösungsansätze möglich und je nach religionspädagogischer Situation zu erproben.

Dass die Zukunft der Katechese in der Gemeinde eine Kernaufgabe für lebendige Glaubenskommunikation darstellt, ist unbestritten. Insofern ist es begrüssenswert, wenn hierfür neue zeitgemässe Studien-, Aus- und Weiterbildungsformate für Katechetinnen und Katecheten, Religionspädagoginnen und -pädagogen am Religionspädagogischen Institut und Theologinnen und Theologen an den Fakultäten entwickelt werden. Exemplarisch verweise ich auf ein geplantes Projekt des Netzwerks Katechese, das ein fachdidaktisches Lehrbuch für religiöse Bildung und Katechese am Lernort Pfarrei vorbereitet. Dies ist nur einer von mehreren vielversprechenden Ansätzen, um die Katechese in den Gemeinden zu stärken, ohne zugleich den RU aus der Schule gänzlich zu verabschieden.

Christian Höger*

 

* Prof. Dr. Christian Höger (Jg. 1975) studierte in Eichstätt, Luzern und Würzburg. 2019 habilitierte er sich in Freiburg i. Br. zum Thema Schöpfung und Evolution. Seit 2021 ist er Professor für Religionspädagogik und Katechetik an der Universität Luzern.