SKZ: Können Sie in wenigen Worten erklären, was Ihre Ausbildung von anderen Ausbildungen unterscheidet?
Ruedi Beck: In Bezug auf das Theologiestudium an den theologischen Fakultäten unterscheidet sich die Ausbildung dadurch, dass sie keine rein akademische Ausbildung ist, sondern von Anfang an Theologie auf akademischem Niveau mit der Tätigkeit in der kirchlichen Praxis verbindet. Im Hinblick auf die Ausbildung am Religionspädagogischen Institut, die ebenfalls Studium und Praxis miteinander verbindet, unterscheiden wir uns im Ziel: dort Religionspädagogik, hier Gemeindeaufbau, das heisst Gemeindebildung, Gemeinschaftsaufbau und Glaubenskommunikation Erwachsener. Und ganz bewusst wird der persönliche Glaubensweg der Studierenden in die Ausbildung miteinbezogen
Ihre Ausbildung steht quer zum Zeitgeist, wo für alles ein Diplom verlangt wird.
Wir sind davon überzeugt, dass Kirchenentwicklung von den Personen vor Ort ausgeht, nicht von den ausgebildeten Leuten. Von Menschen, die sich selbst als Kirche erfahren und sich gemeinsam auf den Weg machen; mit ihnen kann der Prozess der Kirchenentwicklung starten. Damit dies möglich wird, braucht es jedoch ausgebildete Menschen, die solche Prozesse begleiten können. Daneben bedarf es auch Leitungspersonen, die ein entsprechendes Rollenverständnis haben und den nötigen Raum für diese Prozesse schaffen.
Besteht nicht die Gefahr, dass die am Institut Ausgebildeten sich als Profis sehen, die den Weg vorgeben wollen?
Die Gefahr besteht, dessen sind wir uns bewusst. Unser Ziel ist ein gutes Miteinander der verschiedenen Profis in den Gemeinden. Deshalb wird die Einübung einer Grundhaltung der Wertschätzung wichtiger Bestandteil der Ausbildung sein. Wir bilden keine Einzelkämpferinnen, sondern gute Teamplayer aus. Sie sollen sich die entscheidenden Kompetenzen aneignen, damit sie sich als Teil einer Gemeinschaft und des Teams in den Gemeinden verstehen, die unterwegs sind, und diesen Prozess begleiten können. Es ist wichtig, dass sobald etwas am Entstehen ist, die Verantwortung sehr breit verteilt wird und die Leitung nicht bei der Person selbst bleibt. Sie soll nur im Hintergrund begleiten. Hier ist der Begriff der «Geistlichen Leitung» sehr wichtig.
Was verstehen Sie darunter?
Geistliche Leitung beginnt bei mir selbst. Wie erkenne ich den roten Faden in meinem Leben? Wie deute ich die Zeichen der Zeit? Und wie lasse ich mich vom Geist Gottes leiten? Wie erkenne ich das Wirken des Geistes in meinem Gegenüber und lerne es schätzen, und wie lasse ich mein Gegenüber Anteil nehmen am Wirken Gottes in meinem Leben? Wie kann ich dazu beitragen, dass in einer Gemeinschaft von Menschen der Geist Gottes hörbar und spürbar wird? Wie kann ich in einer Gruppe eine Dynamik fördern, damit Konflikte und Krisen fruchtbar werden? Wie geht ein Gruppenprozess, sodass die einzelnen Personen und die Gruppe als Ganze ihre persönliche und gemeinsame Sendung erkennen können? Geistliche Leitung kann nicht organisiert, sondern nur entdeckt, gelernt, empfangen werden.
Bleiben dabei nicht andere Gläubige der Pfarrei «auf der Strecke»?
Die von uns ausgebildeten Menschen haben den spezifischen Auftrag zum Gemeindeaufbau. Sie sind nur in diesem Bereich tätig. Unsere Ausbildung ist ergänzend und kann die bestehenden kirchlichen Berufe nicht ersetzen. Es ist die Aufgabe der Gemeindeleitung, alles im Blick zu haben. Es gibt noch viele andere wichtige Dinge in dieser Pfarrei und es soll eine möglichst grosse Vielfalt da sein. Dies hat uns in der anglikanischen Kirche beeindruckt. Dort nehmen sich die unterschiedlichsten Strömungen als gegenseitige Ergänzung wahr: von den charismatischen Evangelikalen über die Liberalen bis zu den Anglo-Katholischen. Wenn eine fehlt, dann fehlt eben etwas. Die Menschen, die wir ausbilden, sollen eine Haltung der gegenseitigen Wertschätzung entwickeln und sich bewusst sein, dass sie nicht die einzig mögliche Form von Kirche sind.
Interview: Rosmarie Schärer