Wie in einem Brennglas wurde in der Zeit der CoronaPandemie offensichtlich, vor welchen Herausforderungen Pastoral und Seelsorge heute und morgen stehen. Die Pandemie hat dabei Trends verstärkt, die schon vorher beobachtbar gewesen waren, zum Beispiel hinsichtlich der Begräbniskultur. In manchen Phasen der Pandemie durften nur sehr wenige Personen an Beerdigungen teilnehmen, und es gab keine öffentlichen Trauerfeiern, keine Beerdigungsgottesdienste. Damit wurde der Trend verstärkt, möglichst auf Öffentlichkeit zu verzichten, im engsten Familienkreis Abschied zu nehmen. Bestatterinnen und Friedhofsangestellte berichten schon länger davon, dass sie immer wieder auf den Wunsch treffen, die verstorbene Person möglichst rasch zu bestatten, ohne viel Aufhebens.
Wie als Kehrseite derselben Medaille steht der ausgeprägte Trend zu Individualisierung und Privatisierung. Gottesdienst und Bestattung sollen individuell gestaltet werden, die Persönlichkeit der oder des Verstorbenen im Zentrum stehen. Oder man trifft sich gleich im Restaurant, um bei einem feinen Essen und guter Musik der verstorbenen Person zu gedenken. In einer Todesanzeige lese ich: «Wer Robert gedenken möchte, mache dies auf einer Motorradtour, bei einem Bier, auf dem Spinningrad, in der Natur oder bei einer feinen Zigarre.» Abschied nimmt jeder und jede individuell. Es gibt nichts Verbindendes. Nicht mehr der öffentliche Friedhof der Gemeinde wird als letzte Ruhestätte bestimmt, sondern das Verstreuen der Asche in der Natur, das Aufbewahren der Urne daheim bis hin zum Pressen der Asche zu einem Diamanten werden häufiger gewählt. Auch werden längst nicht mehr alle Kirchenmitglieder kirchlich bestattet. Viele Angehörige wenden sich im Todesfall nicht an die Pfarrei oder eine Seelsorgeperson, die sie kennen. Diese durch die Kirchenstatistik des SPI bestätigte Tendenz zeichnet sich v. a. im urbanen Umfeld ab und wird fortschreiten. Stichwortartig und etwas plakativ sind einige Trends angedeutet. Sie scheinen mir unumkehrbar zu sein. Sie zeigen, wonach sich Menschen sehnen, was ihnen «heilig» ist. Wie können Kirche und Pastoral auf diese Trends reagieren?
- Der Wandel ist nicht zu bewerten. Er verlangt ein sensibles Wahrnehmen und eine Reflexion der eigenen seelsorgerlichen Haltung.
- Trauer braucht Öffentlichkeit. Es gibt ein legitimes kollektives Bedürfnis nach gemeinsamem Abschiednehmen.
- Bestattung findet in einem gesellschaftlichen Umfeld statt, das dienstleistungsorientiert ist. Bestattung ist als Dienstleistung der Kirche zu verstehen und zu qualifizieren. Dazu gehört eine positive Aneignung des Dienstleistungsbegriffs im kirchlichen Kontext.
- Bestattung ist ein herausragender Ort christlicher Verkündigung. Nur wenn dieser Herausforderung nicht ausgewichen, sondern darauf theologisch hochqualifiziert geantwortet wird, wird das kirchliche Begräbnis auch in Zukunft einen unangefochtenen Platz neben anderen Angebotsformen haben.
Barbara Kückelmann*