Die Eucharistie ist das Herzstück des katholischen Glaubens. Er lehrt, dass jede heilige Messe Teilhabe am Opfer von Golgota ist und dass sich die Substanz von Brot und Wein tatsächlich in die Substanz des Leibes und Blutes Christi verwandelt. Dass die sogenannte Transsubstantiation, die Wesensverwandlung, keine Erfindung mittelalterlicher Scholastiker ist, sondern Urglaube der Kirche, belegen schon die Wandlungsworte Jesu («Das ist mein Leib […] das ist mein Blut»), seine Lehrrede in der Synagoge von Kafarnaum (Joh 6), aber auch die Worte des heiligen Paulus im ersten Korintherbrief (10,16). Selbst der evangelische Theologe Helmut Thielicke musste einräumen: «Wenn die Wesensverwandlung von Brot und Wein Tatsache sein sollte, dann dürfte man sich von den Knien nicht mehr erheben.»
Umso wertvoller sind eucharistische Wunderfälle, in denen sich gewissermassen der Vorhang zwischen Himmel und Erde lüftet und jene geistliche Wirklichkeit offenbart wird, an die zu glauben die Kirche lehrt. 136 anerkannte Beispiele machte der junge Italiener Carlo Acutis (1991–2006) im Internet der Öffentlichkeit zugänglich, bevor er an Leukämie verstarb; Papst Franziskus erklärte ihn 2018 für verehrungswürdig, die letzte Stufe vor der Seligsprechung.
Leibhaftige Verwandlung
Die Weltkirche verdankt das Fronleichnamsfest einem eucharistischen Wunder. 1209 war der flämischen Augustinerchorfrau Juliana von Lüttich Christus erschienen und hatte ein Fest zur Verehrung des Altarsakramentes erbeten. Doch Papst Urban IV. zögerte, dieser «Privatoffenbarung» nachzugeben. 1263 feierte ein böhmischer Priester namens Peter auf dem Rückweg von seiner Pilgerreise nach Rom in Bolsena (I) das Messopfer. Im Moment der Wandlung kamen ihm Zweifel, er richtete ein Stossgebet zum Himmel. Da bemerkte er, dass Blut aus der Hostie tropfte wie aus einem rohen Stück Fleisch. Später zählte er 25 Blutflecken auf dem Korporale und dem Altarstein. Er informierte den Papst, der im benachbarten Orvieto residierte. Urban IV. schickte zuerst eine Theologenkommission nach Bolsena, dann machte er sich persönlich auf den Weg, um das Korporale entgegenzunehmen und in feierlicher Prozession nach Orvieto zu bringen, wo es noch heute im Dom verehrt wird. Für ihn war es ein Zeichen des Himmels, jetzt das Fronleichnamsfest einzuführen.
Lebendiger Herzmuskel
Gilt Bolsena auch als «Mutter aller eucharistischen Wunder», so war es keinesfalls das erste. Bereits um 730 hatte ein griechischer Mönch im Adria-Städtchen Lanciano (I) Zweifel am lateinischen Ritus. Doch kaum hatte er die Wandlungsworte gesprochen, verwandelte sich die Hostie in ein Stück blutendes Fleisch, während der Weisswein die Farbe frischen Blutes annahm, allmählich gerann und fünf Klümpchen bildete. Bald sprach sich das Wunder herum und tausende Pilger strömten nach Lanciano. Doch im Laufe der Jahrhunderte, nach zahlreichen Erdbeben und Türkenüberfällen, gingen die Originalunterlagen über den Vorfall verloren. So beschloss die Kirche 1970, zumindest die «Reliquien» wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Im Beisein des Ortsbischofs entnahm Odoardo Linoli, Professor für Anatomie und pathologische Histologie in Arezzo, je eine Probe des «heiligen Fleisches» und der «Klümpchen». Als sein Untersuchungsbericht vier Monate später vorlag, stockte den Kirchenmännern der Atem. Ein frommer Schwindel konnte ausgeschlossen werden. Die Hostie war zu einem menschlichen Herzmuskel geworden, der kleine Arterien, Venen und Nervenfasern enthielt. Eine Expertenkommission der Weltgesundheitsorganisation WHO bestätigte später nach 15-monatiger Untersuchung und 500 Tests die Ergebnisse und gab an, dass sich das Phänomen nicht wissenschaftlich erklären lasse. Am meisten beeindruckte die WHO-Experten, wie schnell das Fleisch, «ganz wie ein lebendiges Gewebe», auf klinische Tests reagierte. Als Blutgruppe wurde damals AB festgestellt – wie auf dem Turiner Grabtuch. Nur vier Prozent der Weltbevölkerung haben diese seltene Blutgruppe. 1990 stellte man fest, dass auch auf das Korporale von Bolsena Blut der Blutgruppe AB getropft war.
Auch in der heutigen Zeit
Das eucharistische Wunder von Lanciano wäre allein schon eine beeindruckende Bestätigung der katholischen Lehre. Doch eucharistische Wunder wiederholten sich im letzten Vierteljahrhundert mehrfach – jedes Mal akribisch überprüft mit den modernsten Methoden der Wissenschaft.
Am 15. August 1996 fand eine Frau in der Kirche S. Maria y Caballito Almagro in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires in einem Kerzenständer eine Hostie. Sie übergab sie dem Priester, der sie – ganz nach Vorschrift – in ein liturgisches Gefäss mit Wasser legte, damit sie sich auflösen konnte. Als er zehn Tage später nachschaute, hatte sie sich zum Teil in ein Stück blutiges Fleisch verwandelt. Er informierte den Erzbischof, der seinen Weihbischof Jorge Mario Bergoglio – heute Papst Franziskus – hinzuzog. Drei Jahre später beauftragte dieser Wissenschaftler mit der Untersuchung. Laboratorien in den USA und Australien stellten fest, dass es sich bei der blutigen Masse um einen Teil eines menschlichen Herzmuskels handelte. Eine Entzündung deutete auf Todesqualen und starke Atemschwierigkeiten hin. Die Blutgruppe war AB. Eine hohe Anzahl weisser Blutkörperchen zeigte laut den Forschern an, dass die untersuchte Probe von einem noch lebenden Herzen stammte.
Am 21. Oktober 2006 entdeckte ein Priester im mexikanischen Tixtla bei der Kommunionausteilung, wie Blut aus einer Hostie quoll. Auch in diesem Fall beauftragte der Bischof nach drei Jahren namhafte Wissenschaftler mit der Untersuchung. Sie befanden auch hier, dass es Gewebe eines menschlichen Herzmuskels war, der wie lebendig wirkte. Als Blutgruppe diagnostizierte man AB. Das Genlabor konnte seine geografische Herkunft nicht bestimmen, da die DNA eines Vaters fehlte.
Zu gleich zwei eucharistischen Wundern kam es in Polen. 2008 bildete sich im polnischen Sokótka auf einer im Wasser «entsorgten» konsekrierten Hostie eine blutige Substanz. In gleich zwei Laboratorien stellte sich heraus: Es war das Herzmuskelgewebe eines Menschen, der zuvor unter Todesqualen gelitten haben musste. An Weihnachten 2013 wiederholte sich das Wunder in der Pfarrkirche St. Jacek im niederschlesischen Liegnitz (Legnica). Rechtsmediziner der Universitäten Breslau und Stettin befanden, dass die Substanz der Hostie unmittelbar überging in das Gewebe eines menschlichen Myokardiums «im Zustand des Todeskampfes». Auch hier konnte kategorisch jeder Betrug oder eine natürliche Ursache ausgeschlossen werden. Seit 2016 wird die Wunderhostie ausgestellt – zu einer «Herz-Jesu-Verehrung am lebenden Objekt», die beständig an die Bedeutung des Messopfers erinnert.
«Mein Glaube braucht keine Wunder», sind viele Katholiken überzeugt. Doch hier geht es nicht um Sensationen, die uns zum Staunen oder Schaudern bringen sollen, sondern um wirkliche «Menetekel». Darunter verstehen Theologen Mahn- und Warnzeichen Gottes, speziell um einen Irrweg der Gläubigen zu korrigieren oder vor einer drohenden Gefahr zu warnen. Der Begriff stammt aus dem Buch Daniel, das schildert, wie eine Hand aus dem Nichts erschien und eine unheimliche Botschaft an die Wand des Speisesaals von König Belsazar schrieb.
Erst im Herbst 2017 hat der emeritierte Papst Benedikt XVI. die «Verdunkelung Gottes» in der Liturgie als die eigentliche Ursache für die Krise der Kirche bezeichnet. Nur durch die Eucharistie und ihre Anbetung könne die Kirche gesunden und neue Kraft schöpfen, um Materialismus, Relativismus und Hedonismus, die Grundübel unserer Zeit, zu überwinden, hatte er bereits zu Anfang seines Pontifikats erklärt, als er eine Million Jugendlicher auf dem Weltjugendtag in Köln 2005 zu einer Vigil einlud. So könnte es im wahrsten Sinne des Wortes notwendig sein, solche Zeichen ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen – mit Demut und einem stets offenen, hörenden Herz, das sich nicht der Stimme und dem Wirken Gottes auch in unserer Zeit verschliesst.
Michael Hesemann