Die folgenden Ausführungen basieren auf dem Wissensstand von etwa Mitte Januar 2021. Zu beachten ist, dass in nächster Zeit mit weiteren wesentlichen Informationen zu rechnen ist, vor allem bezüglich des Verhaltens des Covid-19-Virus und des Sicherheitsprofils nach den angelaufenen Impfungen.
Impfkampagne
Von Swissmedic wurde am 19. Dezember 2020 der Impfstoff gegen Covid-19 von BioNTech/Pfizer, Comirnaty®, und am 12. Januar 2021 derjenige der Firma Moderna in der Schweiz zugelassen. Vom BAG sind 3 Mio. beziehungsweise 4,5 Mio. Dosen bestellt worden. Im Zulassungsverfahren befindet sich ein weiteres Produkt der Firma Astra Zeneca. Hier wurden auch bereits 4,5 Mio. Dosen vertraglich gesichert. Die wissenschaftliche Taskforce des Bundes und der Bundesrat haben dabei grosse Hoffnungen, durch entsprechende Impfungen die Pandemie mit dem Coronavirus in der Schweiz unterbrechen zu können. Diese Haltung wird auch weltweit von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geteilt. Seit Ende Dezember und Anfang Januar sind in der Schweiz die Impfungen angelaufen. Gemäss aktueller Impfstrategie sollen 75 Prozent der besonders gefährdeten Personen geimpft werden. Die genaue Durchimpfungsrate in der ganzen Bevölkerung zur Erzeugung einer Herdenimmunität kann noch nicht bestimmt werden. Bei einer lebenslangen Wirksamkeit und Unterbindung von Virusübertragungen wäre eine Rate von 60 bis 70 Prozent notwendig. Doch sind diese Eigenschaften bei den bisher entwickelten Impfstoffen nicht bekannt.1
mRNA-Impfstoff
Die Impfstoffherstellung fand im Rahmen intensiver Forschung und im Wettbewerb zwischen verschiedenen Pharmafirmen statt. Dies erklärt zum Teil auch die recht rasche Verfügbarkeit. Bei den genannten Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna handelt es sich um sogenannte mRNA-Impfstoffe. Die mRNA ist eine Art Botenmolekül, das die Bauanleitung zur Herstellung von Proteinen mit sich trägt. Dieses übermittelt den Körperzellen die nötige Information, wie sie ein Virus-Protein herstellen sollen. Sobald das Protein im Körper produziert wird, erkennt es das Immunsystem als körperfremd und produziert so Antikörper gegen das Virus. An und für sich ist diese neue Technologie gut erforscht, jedoch im Rahmen von Impfungen bisher noch nie am Menschen ausprobiert worden.
Um einen Impfstoff herstellen zu können, muss man den betreffenden Erreger vermehren, um ihn dann im Herstellungsprozess weiter verarbeiten zu können. Bakterien wachsen in Nährmedien, Viren hingegen benötigen zur Vermehrung eine lebende Zelle. Das bedeutet, dass man für die Produktion viraler Impfstoffe zur Anzucht und Vermehrung der Viren entweder bebrütete Hühnereier oder kultivierte Zellen benötigt.
Fetale Zelllinien
Es gibt zumindest drei Zelllinien, welche aus menschlichen Föten stammen: MRC-5-Zellen, aus einem gesunden männlichen abortierten Fötus, entnommen 1966; Wi-38-Zellen, aus einem gesunden weiblichen abortierten Fötus dritten Monats, entnommen 1961. Bekannt ist zudem die Zelllinie HEK 293, welche 1973 aus einem abortierten Embryo hergestellt wurde. Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer ist nach derzeitigen Kenntnissen nicht mit fetalen Zelllinien hergestellt worden. Dagegen trifft dies sicher für den Impfstoff von Moderna und Astra Zeneca zu. BioNTech/Pfizer führte allerdings nach der Herstellung Labortests mit embryonalen Zellen durch.
Häufige Nebenwirkungen
Die Wirksamkeit des Impfstoffes von BioNTech/Pfizer wird anhand der Ergebnisse einer grossen Studie nach der zweiten Impfdosis mit 95 Prozent angegeben, für Personen ohne vorangehende Covid-19-Erkrankung. In der Impfgruppe erkrankten 8, bei den Placebobehandelten dagegen 162 Patienten. Es handelt sich somit um eine relative Risikoreduktion. Schwere Covid-19-Erkrankungen traten bei 1 bzw. 9 Patienten auf. Hier ist der Schutz vor schwerer Erkrankung statistisch nicht gut abgesichert. Dies scheint jedoch beim Impfstoff von Moderna bei einer Wirksamkeit von 94,1 Prozent wiederum der Fall zu sein. Wie lange die Antikörperbildung nach einer Impfung anhält, ist nicht genau bekannt. Dagegen weiss man aus neueren Untersuchungen, dass die Immunität nach einer Covid-19-Infektion fünf bis acht Monate andauern kann.2
Nebenwirkungen traten recht häufig in bis zu 84 Prozent der Geimpften auf, wobei die meisten leichten bis mittleren Grades waren. Am häufigsten traten Schmerzen im Arm, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Schüttelfrost auf. In 8,8 Prozent der Fälle waren diese schwerer Natur mit Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten.3 Nach Beginn der Impfungen sind auch selten einzelne schwere allergische Reaktionen aufgetreten, ursächlich wird dabei der Zusatzstoff Polyaethylenglykol vermutet. In der erwähnten Studie sind schwere Allergiker ausgeschlossen worden. Mit zunehmenden Impfzahlen ist zu erwarten, dass weitere seltene Nebenwirkungen auftauchen können.
Offene Fragen zu den Impfstoffen
Die Dauer der durch die Impfung provozierten Immunität ist nicht bekannt. Ebenso wurde nicht untersucht, ob eine geimpfte Person bei einer symptomlosen Infektion das Virus weitergeben kann. Die Wirksamkeit in pädiatrischen Populationen unter 16 Jahren ist offen; sie war nicht Gegenstand der Studien. Da in der Studie von BioNTech/Pfizer nur zehn über 85-jährige Personen beteiligt waren,4 ist eine Aussage über Sicherheit und Wirksamkeit bei Hochbetagten nicht möglich. Kürzliche Mitteilungen aus Norwegen über einen möglichen Zusammenhang zwischen 13 Todesfällen bei gebrechlichen Pflegeheimpatientinnen und -patienten mit Vorerkrankungen und Immunisierung mit dem BioNTech/Pfizer Impfstoff5 können noch nicht definitiv bewertet werden; hier sind weitere Berichte abzuwarten. Unbekannt ist auch, ob die chronischen Organveränderungen z. B. an der Lunge durch die Impfung verhindert werden.
Mögliche Langzeitfolgen sind infolge der kurzen Beobachtungszeit nicht bekannt. Bezüglich der in Grossbritannien und Südafrika aufgetauchten Virusmutationen wird zwar vermutet, dass sie zumindest durch den Pfizer/BioNTech-Impfstoff erfasst werden, doch ist die praktische Erfahrung abzuwarten.
Ethische Zulässigkeit der Impfstoffe
Eine gewisse Diskussion ist um die ethische Zulässigkeit der mit fetalen Zellen hergestellten Covid-19-Impfstoffe entstanden. Während der Vatikan zur Impfung ohne Einschränkung aufruft,6 haben einige Bischöfe auf die moralische Unzulässigkeit bezüglich der mit fetalen Zellen hergestellten Impfstoffe hingewiesen. Immerhin bestehen Ausweichmöglichkeiten, da der Impfstoff von Pfizer/BioNTech nicht mit fetalen Zellen hergestellt wurde. Im Päpstlichen Schreiben «Dignitas personae» von 2008 wird allerdings ein Fenster offengelassen, indem «aus gewichtigen Gründen» die Verwendung von menschlichem biologischem Material unerlaubten Ursprungs «sittlich angemessen und gerechtfertigt» sein könnte. Wobei jedoch alle verpflichtet seien, dagegen Einspruch zu erheben.7 Auch die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat eine längere Stellungnahme publiziert, in der bei hinreichend schwerwiegenden Gründen und bei fehlender Ausweichmöglichkeit mit fetalen Zellen hergestellte Impfstoffe als akzeptabel beurteilt werden, zumal es sich um eine sehr entfernte materielle Mitwirkung an der Abtreibung handle.8
Peter Ryser-Düblin