Alles beginnt mit Jesus

Die Einwände gegen den Zölibat sind gegenwärtig gross. Die Lebensform der Ehelosigkeit und des Zölibats bekommt ihren Sinn, ihre Würde und ihre Fruchtbarkeit in der Ausrichtung auf Jesus Christus.

In Mk 12,25 sagt Jesus: «Wenn nämlich die Menschen von den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch lassen sie sich heiraten.» Er wirft einen Blick in eine Zukunft, die eine Fülle verheisst, dass nicht einmal die in Freude und Glück gelebte Ehe hier mithalten kann. Gerade im Blick auf die Vision dieses zukünftigen Lebens gibt es Menschen, die immer neu von dieser Lebensform fasziniert werden. Ihre Sehnsucht ist es, bereits in dieser Welt das abzubilden, was allen Menschen bei der künftigen Auferstehung geschenkt wird.

Zu vollem Leben berufen

Bei meiner Berufung zum Leben als gottgeweihte Schwester war der Schritt zur Ehelosigkeit nicht mein Problem, da ich selber keine grosse Sehnsucht nach Familie hatte. Doch als ich in meiner seelsorglichen Aufgabe junge Menschen auf dem Weg in eine Partnerschaft und Ehe zu begleiten begann, stellte ich mir die Frage, ob ich mich selbst überhaupt als Frau ganz entfalten kann, wenn ich nicht in dem Gegenüber eines Partners lebe. In diesen Jahren studierte ich Texte aus «Familiaris Consortio», das Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. «Über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt» (1981). Indem ich die Schönheit der Ehe und Familie erkannte, erkannte ich auch, dass Gott mich in meiner Berufung ebenfalls zum Glück und vollem Leben führen kann. Heute, fast 40 Jahre später kann ich dies auch aus ganzem Herzen bezeugen. Jeder, der Jesus in diesem Stand nachfolgen möchte, muss sich des Wertes und der Schönheit der Ehe bewusst sein. Erst daraus ist es möglich, eine reife und freie Entscheidung für die Ehelosigkeit zu wählen und gemeinsam mit Eheleuten und Familien eine Fruchtbarkeit an den Tag zu legen, die einer einzelnen Berufung nicht möglich wäre.

Unterschieden in der Ganzhingabe

In der Theologie des Leibes wird deutlich, dass die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen keine Zurückweisung der Ehe und schon gar keine Unterdrückung der Sexualität ist, sondern sie hat Anteil an der Wahrheit über die Ehe und die Sexualität. Einzig die Form der Ganzhingabe ist unterschiedlich: Es ist die Ganzhingabe mit Leib und Seele an Gott. Diese Ganzhingabe des Menschen an Gott ist die Antwort des Menschen auf die Ganzhingabe Gottes an uns.  

Raum schaffen für eine grössere Liebe

Männer und Frauen, die sich um des Himmelreiches willen im Zölibat geweiht haben, bezeugen mit dieser Lebensweise ihren Glauben daran, dass Gott allein genügt, dass er wirklich das Herz des Menschen erfüllen kann – und das schon jetzt in dieser Welt. Gleichzeitig erinnern sie aber auch alle Christinnen und Christen daran, dass die Sehnsucht nach Liebe in diesem Leben nie ganz gestillt werden kann. So erfüllen beide Berufungen, in ihrer je eigenen Weise, den Ruf zu einer bräutlichen, sich ganz verschenkenden Liebe. Wer den Zölibat allein auf Verzicht reduziert, wird ihn nicht verstehen. Das «allein» um des Himmelreiches willen beinhaltet zwar einen Verzicht, vor allem aber ist es die Hingabe eines grossen Gutes zugunsten eines höheren Gutes. Wichtig ist mir zu betonen, dass dies nicht der Verzicht auf Liebe bedeutet, sondern es bedeutet, einen Raum zu schaffen für eine grössere Liebe. Wir Menschen, die um des Himmelreiches willen ehelos leben, geben unsere ganze Sehnsucht nach Liebe und Gemeinschaft in dieser Zeit hin, im Hinblick auf die grosse Hochzeit mit Christus im Himmel, die bereits im Heute, hier und jetzt beginnt. Anders – davon bin ich überzeugt – ist diese Lebensform nicht lebbar.

Mitten unter den Menschen zu sein, in der Schule, in der Pfarrei, in der seelsorglichen Begleitung, ist ein ganz grosses Privileg meiner Berufung. Mit ganzem Herzen Schwester sein und mit ganzem Herzen Frau sein!

Sr. Eveline Bettstein


Eveline Bettstein

Sr. Eveline Bettstein (Jg. 1961) studierte technische Chemie in Wien. 1982 trat sie in die Gemeinschaft der Schwestern der Jüngersuche in Wien ein. Von 2011 bis 2013 besuchte sie den Studiengang «Theologie des Leibes». Seit 2014 arbeitet sie in der Dompfarrei in der Diözese Eisenstadt und baut hier die Gesprächseinrichtung «Dominsel» auf. Sie gibt ferner Religionsunterricht.

 

BONUS

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