«Basel ist, wie mir scheint, entweder der Mittelpunkt der Christenheit oder liegt doch nicht weit von ihm entfernt.» Als der italienische Humanist Enea Silvio Piccolomini (1405–1464) im Jahr 1438 die Konzilsstadt Basel zum Mittelpunkt der Christenheit stilisierte, übertrieb er damit keineswegs, denn die Generalkonzilien des 15. Jahrhunderts versammelten ihrem Anspruch zufolge die gesamte lateinische Kirche. In Basel tagte seit dem Sommer des Jahres 1431 das Konzil, zu dem zahlreiche Bischöfe, Kardinäle, Gelehrte und Herrschende anreisten, um über das Wohl der Kirche zu verhandeln. Durchschnittlich hielten sich 300 bis 400 Konzilsteilnehmer mit ihrem Gefolge in der Stadt auf. Viele von ihnen blieben über mehrere Jahre und können wohl mit Recht als die ersten Expats der Rheinstadt bezeichnet werden. Ihre Anwesenheit beflügelte auch das kulturelle Leben. Kardinäle und Bischöfe gaben Bibeln und Messbücher in Auftrag, Kirchen wurden mit neuen Altarbildern und Glasmalereien ausgestattet, Goldschmiede verkauften Schmuckstücke in ihren Ständen, Künstler schmückten Tribünen und Strassen für Zeremonien wie die Papstkrönung auf dem Münsterplatz im Jahr 1440. Und auch der Tod von Konzilsteilnehmern gestaltete sich aus künstlerischer Sicht profitabel: Epitaphien und bemalte Totenschilde wurden vielfach benötigt.
Arbeitsmarkt für Künstler
So bot das Konzil mit seinem prominenten Publikum für Künstler eine exzellente Marktsituation. Viele von ihnen reisten in der Entourage der Konzilsväter oder aus eigenem Antrieb nach Basel. Besonders gefragt waren Buchmaler, die Handschriften wertvoll ausstatteten. Der savoyische Buchmaler Péronet Lamy etwa schaffte es, Bischöfe und sogar den Konzilspapst Felix V. als Auftraggeber zu gewinnen. Während sich Lamy nur temporär in Basel aufhielt, zog der aus Süddeutschland stammende Konrad Witz (um 1400–1446) Anfang der 1430er-Jahre dauerhaft in die Konzilsstadt und erwarb hier sogar das Bürgerrecht. Wie kein anderer etablierte Witz einen florierenden Werkstattbetrieb, der Wandmalereien für städtische Gebäude sowie riesige Altarbilder, Handschriften und Preziosen wie Spielkarten für das kunstsinnige Konzilspublikum fertigte. Witz verband dabei die Grundlagen der oberrheinischen Malerei mit den Innovationen der altniederländischen und italienischen Kunst zu einer ganz eigenen Formensprache. Seine Werke, wie etwa die Landschaftsdarstellung des Genfersees, begeistern noch heute mit ihrer genauen Wiedergabe der Wirklichkeit.
Sponsoring in grossem Stil
Während das Münster mit den dort abgehaltenen Generalkongregationen und Messen kirchenpolitisch die Hauptrolle spielte, erlebte das Kleinbasler Kartäuserkloster St. Margarethental während des Konzils kulturell eine Blütezeit. Mit aussergewöhnlichen Kunstwerken und hohen finanziellen Zuwendungen betrieben illustre Persönlichkeiten aus Politik und Kirche hier Eigenwerbung und Heilsvorsorge, um auf sich aufmerksam zu machen. Die künstlerisch heraus- ragendste Form der Selbstvermarktung wählte die burgundische Herzogin Isabella von Portugal (1397–1471). Sie stiftete dem Kloster für den Bau von zwei Zellenhäuschen und den Unterhalt der darin lebenden Mönche 1700 rheinische Gulden. Auf einer grossen Votivtafel aus Messing liess die Herzogin an ihre umfangreichen Zuwendungen erinnern. Daneben waren zahlreiche Gemeinschaftsstiftungen wie die Wandmalereien mit dem Leben des heiligen Brunos charakteristisch für die Ausstattung des Klosters. Ebenso finanzierten Konzilsgäste aus ganz Europa über 120 Glasgemälde mit Heiligendarstellungen in den beiden Kreuzgängen der Kartause.
Auch wenn sich viele Kunstwerke der Konzilszeit – wie etwa die Glasmalereien – nicht erhalten haben, prägt das 18 Jahre andauernde Grossereignis die Rheinstadt bis heute. Denn Basels besondere kulturelle Identität, die durch das universitäre Leben und die humanistische Bil- dungskultur, das internationale Flair und den ausgeprägten Kunstsinn gekennzeichnet ist, fusst in ihrem Ursprung in den Jahren des Konzils.
Jana Lucas