Die Präventionsarbeit begann 2004 mit einem obligatorischen Dekanatsfortbildungskurs zum Thema «Nähe und Distanz». Seither wurde ein Schutzkonzept1 implementiert, das den neuen Erkenntnissen entsprechend kontinuierlich weiterentwickelt wird. Alle kirchlichen Mitarbeiter/-innen mit einer bischöflichen Beauftragung absolvieren den Basiskurs Prävention beim Eintritt in den kirchlichen Dienst sowie obligatorisch periodische Wiederholungskurse. Leitungspersonen erhalten zusätzliche Schulungen, damit sie in den Teams vor Ort die Präventionsarbeit weiterführen. Die Pastoralräume organisieren vor Ort ebenfalls Präventionskurse gemäss den Inhalten des Schutzkonzepts für alle Mitarbeiter/-innen. Im Jura pastoral werden die erwähnten obligatorischen Kurse durch ESPAS durchgeführt. Seit 2019 müssen die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer bischöflichen Beauftragung alle drei Jahre einen aktuellen Privat- und Sonderprivatauszug aus dem staatlichen Strafregister vorlegen. Für Freiwillige wurde ein Kurs von Limita, Fachstelle zur Prävention sexueller Ausbeutung, in Zusammenarbeit mit der Präventionsbeauftragten des Bistums an die Spezifika im kirchlichen Umfeld angepasst. Diese Kurse werden seit August 2024 von ihnen angeboten. Ende 2024 starten neu konzipierte Präventionskurse für Leitungspersonen (oder delegierte Präventionsverantwortliche), welche die Massnahme 4.3 des Schutzkonzepts betreffen. Es geht dabei um die Reflexion der Haltung im Blick auf Nähe und Distanz und die Befähigung, kritisches Verhalten in Seelsorgeteams anzusprechen. Grenzüberschreitungen sollen so früh erkannt und angesprochen werden.
Wichtige Kooperationen im fachlichen Austausch und zur Weitergabe von Best Practices finden mit Betroffenenorganisationen, den kirchlichen Fachgremien und unter den Präventionsbeauftragten statt.
Ein Schutz- und Interventionskonzept gegen geistlichen Missbrauch ist in Bearbeitung und soll bis Ende Jahr eingeführt werden. Studien zeigen auf, dass der Missbrauch pastoraler/geistlicher Macht Wegbereiter für späteren sexuellen Missbrauch sein kann.
Weitere wichtige Eckpunkte sind die Anwaltskanzlei Hess Advokatur AG als unabhängige Meldestelle für das Bistum Basel und die Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard, die kanonische Voruntersuchungen durchführt und Genugtuungsanträge einreicht.
Organisation der Intervention (Meldestelle) und der Aufarbeitung der Meldungen
Alle Meldungen zu mutmasslichen sexuellen Übergriffen werden seit 2017 von der unabhängigen Meldestelle, Anwaltskanzlei Hess Advokatur AG, entgegengenommen. Sie erstellt pro Meldung ein Dossier, koordiniert nach uneingeschränkter Akteneinsicht im Bischöflichen Ordinariat und in Ordensarchiven straf-, personal- und kirchenrechtliche Verfahren und gibt Handlungsempfehlungen an den Bischof ab. Sie kontrolliert die Umsetzung der empfohlenen Massnahmen, schliesst die ursprünglichen Meldungen ab und veranlasst die Archivierung im Bischöflichen Archiv. Checklisten, Ablaufschemata und Datenerfassungstabellen garantieren eine standardisierte Bearbeitung eingehender Meldungen. Die Bearbeitung der Meldungen ist jeweils detailliert dokumentiert.
Stand der Meldungen und deren Aufarbeitung
Vom 12. September 2023 bis zum 29. Februar 2024 gingen 92 Meldungen bei der unabhängigen Meldestelle ein, vom 1. März bis zum 27. Juni 2024 waren es 28 Meldungen. Ende Juni 2024 befanden sich 44 Meldedossiers noch in Bearbeitung. Es wurde Einsicht in 105 Personal-, Betroffenen-, Pfarrei- und Ordensdossiers genommen und in 76 Meldedossiers wurden Empfehlungen zuhanden des Bischofs abgegeben. Sämtliche Empfehlungen wurden vom Bischof umgesetzt. 95 Prozent der eingegangenen Meldungen betreffen (i) bereits verstorbene beschuldigte Personen, (ii) verjährte sexuelle Übergriffe aus der Zeit von 1930 bis 2010 oder (iii) Meldungen, in welchen weder beschuldigte Person, mutmassliches Opfer noch Geschehenes bekannt oder eruierbar sind. Die unabhängige Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard hat bis Ende Juni zehn Genugtuungsanträge gestellt. Acht im Juni 2024 an die Anwaltskanzlei erteilte Aufträge sind noch in Bearbeitung. Im Weiteren wurde die Anwaltskanzlei mit drei kanonischen Voruntersuchungen betraut, zwei davon laufen noch.
Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung
Herausforderungen stellen sich besonders bei denjenigen Meldungen, bei denen weder eine beschuldigte Person, ein mutmassliches Opfer noch ein Tatbestand bekannt sind. Generelle Herausforderungen sind: zeitaufwendige Nachforschungen und Aktenstudien; mehrmalige Kontaktaufnahme mit der meldenden Person; keine Rückfragemöglichkeiten bei verstorbenen Personen sowie Informationslücken. Herausfordernd sind sodann:
- Meldende Personen, die auf die Rückfragen der Anwaltskanzlei Hess Advokatur AG nicht reagieren;
- Betroffene, die wegen Retraumatisierungsgefahr darum bitten, dass die Bearbeitung eingestellt wird, bis es ihnen wieder besser geht;
- Meldungen, die zu (gefühlten) Vorverurteilungen von beschuldigten Personen führen und sowohl die betroffene Person als auch die mit der Abklärung befassten Personen belasten;
- Undifferenzierte Aussagen und mangelnde Vorsicht bei der Wortwahl, die zu einer negativ aufgeladenen Atmosphäre (Gefühle von Angst, Wut usw.) führen können, was die Aufarbeitung erschwert.
Weitere Begleitung nach Abschluss der Aufarbeitung der Meldung
In Absprache mit den Selbsthilfegruppen informiert der Bischof nach der abschliessenden Bearbeitung einer Meldung Betroffene mit einem persönlichen Schreiben, dass die Betroffenenorganisationen IG M!kU und SAPEC Selbsthilfegruppen führen. Vereinzelt kommt es auf Wunsch der meldenden Person zu einem abschliessenden Gespräch mit dem Bischof oder einer seiner Leitungspersonen in der Diözesankurie.
Das Bistum Basel dankt allen, die durch ihre Meldung, ihre Auskunft, ihre Expertise und ihre Mitarbeit dazu beitragen, geschehenes Unrecht aufzuarbeiten, den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und übergriffiges Verhalten zu verhindern.
Markus U. Thürig*