Ein kurzlebiges Licht

Kurzlebig ja, aber für Nachschub ist dank Schnyder Kerzen in Einsiedeln jederzeit und qualitativ hochwertig gesorgt.

Die Inhaber und Köpfe von Schnyder Kerzen: Dominic Braun, Präsident des Verwaltungsrats, Geschäftsführer und Tüftler (r.) sowie sein Bruder Andreas, Einzelprokurist. (Bild: bb)

 

Dominic Braun freut sich wie ein Kind: «Es funktioniert», strahlt er, und beobachtet weiter akribisch, wie der Druckkopf einer neuartigen Maschine hin und her wetzt und eine Kerze rundum mit einem Fotomotiv bedruckt. Es ist ein neues Verfahren, das Braun als kreativer Kopf der Firma ausgetüftelt hat und worüber man bei Schnyder Kerzen exklusiv verfügt. Damit ist es möglich, alle erdenklichen Motive ab per Computer eingelesenen Fotos, Grafiken oder Zeichnungen direkt auf Kerzen oder Kerzengefässe (z. B. Ewiglichte) zu drucken.

Das hätte sich Firmengründer Johann Coelestin Birchler anno 1798 nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. Damals lag das Monopol für die Herstellung von Wachskerzen bei den Klöstern. In Einsiedeln wurde aber trotzdem schon mit Wachs gearbeitet, und zwar stellten die sog. Wachsbossierer im Auftrag gut betuchter Leute deren plastische Portraits her. Den Wirren der französischen Revolution zum Dank, als die Franzosen das Kloster plünderten und die Mönche aus ihren Werkstätten vertrieben, nahm Birchler, der auch als Bossierer tätig war, die Wachszieherkunst an die Hand. Sohn Josef Anton führte die Werkstatt weiter, bis sie dessen Schwiegersohn, Emil Schnyder, übernahm. 1999, zwei Schnyder-Generationen später, ging die Firma an Dominic Braun, und nach einiger Zeit stiess Bruder Andreas hinzu. Seit jeher werden mit viel Liebe zum Handwerk neben liturgischen Kirchenkerzen die verschiedensten Kerzensorten hergestellt. Und: Von einer Kerzenfabrik zu sprechen ist im Fall von Schnyder Kerzen geradezu verfehmt. Es ist eine reine Manufaktur. «Um die bestmögliche Qualität zu erreichen, werden unsere Kerzen noch immer per Handarbeit hergestellt», erklärt der Geschäftsführer.

Die ältesten erhaltenen Wachskerzen nördlich der Alpen sind Bienenwachskerzen aus dem 6./7. Jahrhundert, die in einem Gräberfeld bei Oberflacht (Süddeutschland, nahe Tuttlingen) gefunden wurden. Mit steinernen Lampenschalen, worin ein Docht in flüssigem Talg oder Tran brannte, trotzten aber wohl schon die Cro-Magnon-Menschen vor etwa 40'000 Jahren der Dunkelheit. Die Erfindung der eigentlichen Kerze liegt Schätzungen zufolge mindestens 5000 Jahre zurück. Bekannt ist, dass im Vorderen Orient zu dieser Zeit bereits Kerzen verwendet wurden. An Rohstoffen geblieben ist aus den frühesten Jahren der Kerzenproduktion einzig das Bienenwachs. «Die liturgischen Kerzen, die etwa die Hälfte unserer Produktion ausmachen, bestehen zu 55 Prozent daraus», weiss Fachmann Braun. Dazu kamen über die Jahre Paraffin (Erdölbasis) und Stearin (tierische bzw. pflanzliche Fette und Öle) sowie jüngst Pflanzenfett (Rapsölbasis).

Acht bis zwölf Mitarbeitende sind bei Schnyder beschäftigt, und die Produktion läuft auf Hochtouren, als die SKZ Mitte November die Manufaktur besucht. «Unsere Kundschaft sind Pfarrämter, der Fachhandel, Gastrobetriebe und natürlich Privatkunden», führt der Firmenchef aus. Und erklärt gleich in der Produktionshalle die drei Hauptverfahren, womit Docht und Brennmaterial (Wachs) in die gewünschte Form gebracht werden: «Beim Pressverfahren wird loses Paraffinpulver entweder mit einer Stempel- oder Strangpresse unter hohem Druck zusammengepresst. Dieses maschinelle Verfahren eignet sich für hohe Stückzahlen und wird bei uns nicht angewandt.» Nein, bei Schnyder bedient man sich nach alter Väter Sitte des Zieh- und Giessverfahrens. Bei Ersterem werden einige hundert Meter Docht zwischen zwei Rundlauftrommeln immer wieder durch ein heisses Wachsbad gezogen. Dies wird bis zu einem gewissen Durchmesser gemacht, dann gelangt der Strang zur Schneidemaschine, wo er auf die gewünschte Kerzenlänge gekappt wird. Darauf werden die Rohlinge mit Wachs übergossen, bis die gewünschte Dicke erreicht ist. «Vor allem Altarkerzen, die mitunter ja richtig hoch sind, werden so gemacht», flicht Braun ein. Danach werden Kerzenkopf und -fuss in Form gebracht. Beim Giessverfahren schliesslich wird flüssiges Wachs in Aluformen gegossen, in die bereits ein Docht eingespannt ist. So lassen sich die unterschiedlichsten Arten und Mischungen von Wachs problemlos verarbeiten.

Sind die Kerzen fertig gezogen oder gegossen, werden sie mit Motiven oder Schnitzereien versehen. Auch hier: alles Handarbeit. Die Angebotspalette nur schon an liturgischen Kerzen ist riesig und reicht von Oster-, Altar- und Kommunionskerzen zu Tauf-, Hochzeits- und Trauer-, Jubiläumskerzen sowie Ewiglicht- und Grabkerzen bis hin zu Opferkerzen, Opferlichten, Heiligen- und Friedenskerzen und sogar Kerzen zum Selberverzieren. Und nicht zu vergessen die individuell gestaltbaren Fotodruckkerzen, die wahrlich in der Geschichte dieses kurzlebigen Lichts ein neues Kapitel aufschlagen.

Brigitte Burri

 

Schnyder Kerzen AG: An der Kornhausstrasse 25 in 8840 Einsiedeln sind Geschäftssitz und Fabrikation beheimatet. Seit November sind alle Arten von liturgischen Kerzen in den neu eröffneten Arkaden auf dem Klosterladen in einem Verkaufsladen erhältlich. Selbst online sind alle Kerzentypen bestellbar. www.schnyder-kerzen.ch